Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Widerruf & Verbraucherverträge

Beiderseitige Rückgewährpflichten (u.a. Liefer-/Versandkosten)

Beiderseitige Rückgewährpflichten (u.a. Liefer-/Versandkosten)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Modeliebhaberin M hat bei Zalando ein Blümchenkleid bestellt. Aufgrund ihres schnell wechselnden Modegeschmacks gefällt es ihr nicht mehr, als sie es erhält. Sie erklärt den Widerruf. Z fordert, dass M Versandkosten für Rücksendung selbst trägt. Darüber hatte Z die M beim Kauf auch belehrt. M verweigert dies.

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Einordnung des Falls

Beiderseitige Rückgewährpflichten (u.a. Liefer-/Versandkosten)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach wirksamem Widerruf muss M das Kleid unverzüglich an Z zurückschicken.

Nein, das trifft nicht zu!

Mit wirksamer Erklärung des Widerrufs wandelt sich das ursprüngliche Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um, sodass die empfangenen Leistungen grundsätzlich unverzüglich zurückzugewähren sind (§ 355 Abs.3 S.1 BGB). § 357 BGB modifiziert die Rechtsfolgen des Widerrufs für Außergeschäftsraum- und Fernabsatzverträge. Danach muss die Rückgewähr spätestens nach 14 Tagen erfolgen (§ 357 Abs.1 BGB). M hat wirksam den Widerruf erklärt. Da ein Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB) vorliegt, hat sie hierfür aber 14 Tage Zeit. Die Vorschriften über den Wertersatz stehen seit 28.05.2022 im neuen § 357a BGB (bislang § 357 Abs.7-9 BGB aF).
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2. Der Verbraucher ist immer zur Rücksendung verpflichtet.

Nein!

Grundsätzlich ist der Verbraucher gemäß § 355 Abs.3 S.1, 3 BGB zur Rücksendung verpflichtet. Sofern allerdings ein Außergeschäftsraum- und Fernabsatzvertrag vorliegt, können Ausnahmeregelungen greifen. Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen (§ 357 Abs.6 BGB) oder im Fall eines Außergeschäftsraumvertrags, (1) die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht wurden und (2) diese so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können (§ 357 Abs.7 BGB).

3. Z muss der M sowohl den Kaufpreis als auch die Hinsendekosten rückerstatten.

Genau, so ist das!

Auch der Unternehmer muss nach wirksamem Widerruf die empfangenen Leistungen zurückgewähren und dem Verbraucher den Kaufpreis unverzüglich (§ 355 Abs.3 BGB) oder im Fall eines Fernabsatzvertrags innerhalb von 14 Tagen (§ 357 Abs.1 BGB) erstatten. Dabei muss der Unternehmer auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung (Hinsendekosten) zurückgewähren, es sei denn dem Verbraucher sind dadurch zusätzliche Kosten entstanden, weil er sich für eine andere als die vom Unternehmer angebotene Standardlieferung entschieden hat (§ 357 Abs.2 BGB). M hat wirksam widerrufen, sodass Z den Kaufpreis samt Hinsendekosten an M zurückzahlen muss.

4. M kann auch Erstattung der Kosten für die Rücksendung des Pakets an Z von diesem verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei einem Außergeschäftsraum- und Fernabsatzvertrag (§ 312b, c BGB) trägt der Verbraucher die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware, wenn der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß darüber belehrt hat (§ 357 Abs.5 S.1 BGB). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen. Da ein Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB) vorliegt, finden die Regelungen des § 357 BGB Anwendung. M wurde von Z ordnungsgemäß über die Pflicht zur Tragung der Rücksendekosten belehrt. Auch hat sich Z nicht bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen. M muss die Rücksendekosten daher selbst tragen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ISAB

Isabelle.Sophie

12.12.2023, 08:56:31

Zum Verständnis: Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage (§ 355 II 1 BGB). Nach erklärten Widerruf entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis. Die empfangen Leistungen sind dann (bei § 312b und § 312c) innerhalb von 14 Tagen zurückzugewähren (§ 357 I BGB). Dh es sind insgesamt 28 Tage?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.12.2023, 18:48:57

Hallo Isabelle, in der Tat laufen die Fristen für die Widerrufserklärung und die Rückgewähr der gegenseitigen Leistungen nicht parallel. Wenn also tatsächlich ein Widerruf am letzten Tag der Frist erfolgt und dann auch am letzten Tag der Höchstfrist die Leistung zurückgegeben wird, können zwischen Erhalt der Leistung und Rückgewähr tatsächlich 28 Tage vergehen, ohne dass Verzug eintritt. Da der Verbraucher bereits durch Absendung der Ware die Frist wahrt (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB), kann es sogar noch ein wenig länger dauern, bis der Unternehmer die Leistung tatsächlich wieder zurück erhält. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juraddicted

Juraddicted

20.8.2024, 18:51:34

Kann durch AGB die Rückzahlung der (Hinweg) Versandkosten ausgeschlossen werden? Bestimmt ist das keine „kluge“ Frage, da wir im Verbraucherschutzrecht sind… ich habe das in der Realität nur noch nie gesehen. Oder scheitert es meist daran, dass man nicht 100% zurückschickt und es keine „anteilige“ Versandkostenerstattung gibt? Vielen Dank & liebe Grüße :)


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