+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K nimmt privat an einer von U organisierten Reise nach Meissen teil. Teil des Programms ist der Verkauf von Meissner Porzellan. K kann nicht widerstehen und kauft Porzellan für €1000 (Wert: €600). Zuhause fallen ihm die Teller herunter und gehen dabei kaputt. K erklärt sofort den Widerruf.

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Einordnung des Falls

Wertersatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K steht ein Widerrufsrecht zu (§§ 312g Abs. 1, 312b Abs. 1 Nr. 4 BGB).

Ja!

Ein Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs.1, 312b Abs.1 Nr.4 BGB besteht, wenn (1) der Anwendungsbereich dieser Normen nach § 312 Abs.1 BGB eröffnet ist, (2) der Vertrag auf einem Ausflug geschlossen wurde, der vom Unternehmer organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen und (3) keine Ausschlussgründe greifen. Verbraucher K (§ 13 BGB) schloss mit Unternehmer U (§ 14 BGB) einen Kaufvertrag über das Porzellan, wodurch er zur Kaufpreiszahlung verpflichtet wurde (§ 312 Abs.1 BGB). Dies erfolgte während eines von U organisierten Ausflugs nach Meissen, der zur Werbung und dem Abschluss von Verträgen diente.
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2. Ks Widerrufsrecht ist erloschen, weil die Teller zerstört sind.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers< erlischt nicht durch die Zerstörung der nach § 355 Abs.3 BGB zurückzugewährenden Sache. Allerdings soll der Unternehmer nicht schutzlos gestellt werden, wenn der Käufer die Ware nicht mehr im ursprünglichen Zustand zurückgeben kann. Für Außergeschäftsraum- und Fernabsatzverträge ist daher in § 357a Abs.1 BGB geregelt, dass der Verbraucher Wertersatz zu leisten hat. Die Regelungen in § 357 BGB wurden neu geordnet, wodurch sich einige Absätze verschoben haben. Die Vorschriften über den Wertersatz stehen seit 28.05.2022 im neuen § 357a BGB (bislang § 357 Abs.7-9 BGB aF).

3. Infolge des erklärten Widerrufs ist U verpflichtet, an K den Kaufpreis zurückzuerstatten.

Ja, in der Tat!

Mit wirksamer Erklärung des Widerrufs wandelt sich das ursprüngliche Vertragsverhältnis ex-nunc in ein Rückgewährschuldverhältnis um, sodass die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind (§ 355 Abs.3 BGB). K hat wirksam und fristgerecht den Widerruf erklärt, sodass er aus § 355 Abs.3 BGB einen Anspruch gegen U auf Rückerstattung des bereits gezahlten Kaufpreises hat.

4. Infolge des erklärten Widerrufs ist K nur verpflichtet, an U die zerstörten Teller herauszugeben.

Nein!

Im Rahmen des nach Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnisses sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§ 355 Abs.3 BGB). Darüber hinaus hat der Verbraucher Wertersatz für den Wertverlust der Ware zu leisten, wenn (1) der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Ware nicht notwendig war und (2) der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat (§ 357a Abs.1 BGB). Die Notwendigkeit des Prüfungsumfangs ist eine Frage des Einzelfalls. K hat jedenfalls nicht lediglich die Beschaffenheit der Teller geprüft, sondern der Wertverlust ist durch das Herunterfallen der Teller und deren Zerstörung eingetreten. K ist somit sowohl zur Rückgabe der Teller als auch zum Wertersatz verpflichtet.

5. K muss an U €1000 Wertersatz zahlen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der zu leistende Wertersatz berechnet sich nach dem objektiven Wert der Ware. Das vertraglich vereinbarte Entgelt ist nicht entscheidend. Dies folgt aus dem Umkehrschluss zu § 357a Abs.2 S.2 BGB, wonach der Wertersatz im Fall des Widerrufs von Verträgen über Dienstleistungen grundsätzlich nach der vereinbarten Gegenleistung zu berechnen ist. Somit ist der objektive Wert bei Warenverkäufen auch dann für Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen, wenn er hinter der vereinbarten Gegenleistung zurückbleibt. Sofern der objektive Wert allerdings das vertragliche Entgelt übersteigt, ist letzteres maßgebend, da dem Verbraucher ein bei Vertragsschluss erreichter Vorteil nicht wieder genommen werden soll. Die Teller wurden vollständig zerstört. Da ihr objektiver Wert €600 beträgt, muss K in dieser Höhe Wertersatz an U leisten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Klima-Kleber

Klima-Kleber

14.4.2023, 18:49:14

spielt vorliegend § 357a II 3 keine Rolle? Stichwort:

Unverhältnismäßigkeit
Dogu

Dogu

29.5.2023, 18:02:48

Hier liegt doch ein Warenkauf vor. Außerdem richtet sich die Antwort ja schon nach dem objektiven Wert als Umkehrschluss zu § 357a II 2 BGB. Es braucht keine Ausnahme, wenn der Regelfall sowieso schon der Marktwert beim Warenverkauf ist.

Kai

Kai

8.1.2024, 17:20:09

Ich habe in einem früheren Fall mit einer Reise nach Meissen bereits rechtliche Bedenken zum Bestehen des Widerrufsrechts geäußert. Auch wenn ich generell der Meinung bin, dass der Verbraucher nicht gesondert schutzwürdig ist, wenn er an einer Fahrt teilnimmt, obwohl der Besuch in einem Laden im Programm angekündigt ist, unabhängig von diesem rechtlichen Aspekt: Im SV hier wird nicht erwähnt, dass der U, der die Fahrt organisiert, auch Inhaber der Ladens ist. Mangels Konnexität der Fahrt zum Besuch im Laden müsste das Widerrufsrecht dann erst recht abgelehnt werden bzw. im Sachverhalt müsste vermerkt sein, dass U sowohl die Fahrt als auch das Porzellan im Laden anbietet. Könntet ihr das vielleicht noch einfügen? Danke euch!

DerChristoph

DerChristoph

12.1.2024, 09:22:16

Ausreichend wäre ja, wenn der Ausflug "mit seiner Hilfe" (vgl. § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 4) veranstaltet wurde. So ist wahrscheinlich der Vermerk im SV ("Teil des Programms") zu verstehen. Aber ja, das könnte deutlicher formuliert werden, da ja auch andere (gänzlich fremde) Ladenbesuche Programmpunkt sein können.

QUAR

Quarklo

8.8.2024, 14:19:09

Im Sachverhalt findet sich kein Hinweis darauf, dass der Unternehmer die notwendige Unterrichtung getätigt hat


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