Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2022
Rücktritt nach außertatbestandlicher Zielerreichung
Rücktritt nach außertatbestandlicher Zielerreichung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Um O töten zu können, will T Os Begleitung B „beseitigen“. T nähert sich unbemerkt von hinten und schneidet B - ihren möglichen Tod billigend - mit einem Messer in den Hals. B zuckt zurück und erleidet nur eine Schnittwunde. Da O zu fliehen versucht, greift T nun sie an und lässt von B ab.
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Einordnung des Falls
Rücktritt nach außertatbestandlicher Zielerreichung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T könnte sich wegen versuchten Mordes an B strafbar gemacht haben, indem er ihr mit dem Messer in den Hals schnitt (§ 211, 22, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hatte Tatentschluss bezüglich eines Heimtückemordes , als er der B in den Hals schnitt.
Ja!
3. Steht es der Annahme einer Ermöglichungsabsicht entgegen, dass T lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Spätestens als T das Messer an Bs Hals führte, setzte er unmittelbar zur Tat an.
Ja, in der Tat!
5. Indem T von B abließ, könnte er strafbefreiend zurückgetreten sein.
Ja!
6. T konnte nicht mehr zurücktreten, da sein Versuch in dem Moment fehlgeschlagen ist, als B sich losgerissen hat.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Für einen erfolgreichen Rücktritt hätte T den Erfolgseintritt aktiv abwenden müssen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
8. Dass T sein beabsichtigtes Ziel, B zu beseitigen, um O töten zu können, erreicht hat, schließt die Freiwilligkeit des Rücktritts aus.
Nein!
9. Obwohl T nach Ansicht des BGHs wirksam zurücktreten konnte, bleibt er nicht straflos.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Peter 14/1
25.8.2023, 23:06:37
Sehr guter Fall, aber es sind einige Rechtschreibfehler und Buchstabendreher (u.a. E oder mordes) drin. Bitte einmal überprüfen.
kithorx
12.9.2023, 00:07:10
Das fällt mir leider auch immer häufiger auf, bei anderen Aufgaben. Jedes Mal da einen Kommentar schreiben möchte ich nicht. Bitte jeweils (noch) einmal korrekturlesen, liebes Team!
Nora Mommsen
26.9.2023, 16:22:03
Hallo ihr beide! Danke euch beiden für die Rückmeldung! Wir nehmen das nochmal mit, um aktiv unsere Korrekturschleifen zu überarbeiten und zu optimieren. Fehlerhafte Aufgaben sollten bei Jurafuchs nicht zu finden sein. Dies entspricht auch nicht dem Anspruch, dem wir als Team gerecht werden wollen. Sollten euch in Zukunft Dinge auffallen, kommentiert natürlich immer gerne! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Hannah B.
8.11.2023, 16:36:42
Bei dem Hinweis Instanzenzug ist die Rede von E statt O.
bayilm
26.8.2023, 13:57:11
Mit erschließt es sich nicht ganz warum aufgrund des Opferschutzes die Freiwilligkeit vom BGH bejaht wird.
QuiGonTim
28.8.2023, 06:54:37
Das würde mich auch interessieren. :)
Nora Mommsen
28.8.2023, 16:16:07
Hallo ihr beiden, der BGH verfolgt immer einen möglichst rücktrittsfreundlichen Ansatz. Der Gedanke dahinter ist, dass der Täter in jedem Stadium der Tat animiert werden soll von der weiteren Ausführung abzulassen. Das Opfer profitiert immer davon, wenn die Tat nicht zu Ende ausgeführt wird. Aus diesem Grund wird auch das Merkmal der Freiwilligkeit vom BGH eher weit verstanden. Es dient dem Opferschutz dem Täter den Rücktritt "offen" zu halten. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
28.8.2023, 16:23:25
Danke :)
tengil
9.9.2023, 16:35:13
Könntet ihr noch einmal kurz erklären, weshalb es sich hier eindeutig um einen unbeendeten Versuch handelt? Könnte man nicht auch einen beendeten Versuch annehmen?
kithorx
12.9.2023, 00:01:09
Dafür müsste der Täter denken, den Erfolg erreicht zu haben (Tod). Ausweislich des Sachverhalts bleibt B aber mit nur einer Schnittwunde zurück, was T auch bewusst ist.
Nora Mommsen
14.9.2023, 15:02:20
Hallo tengil, ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter glaubt alles getan zu haben, was nach seiner Vorstellung für das Herbeiführen des Erfolgs erforderlich ist. Vorliegend hat er B nur eine Schnittwunde zugefügt. Dies reicht nach seiner Vorstellung nicht um den O "zu beseitigen". Daher handelt es sich um einen unbeendeten Versuch. Er muss sich nicht vorstellen, der Erfolg sei bereits eingetreten. Wohl aber er müsse nichts mehr dafür unternehmen, der Erfolg trete jetzt "von ganz alleine" ein. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
svenzpo
21.9.2023, 12:35:48
Finde die Formulierung in der SUBSUMTION bei der
Ermöglichungsabsichtetwas schwierig: Die BEABSICHTIGTE Tötung der B diente dem Zweck, die Tötung der O zu ermöglichen. T handelte also auch mit
Ermöglichungsabsicht.
Leo Lee
24.9.2023, 13:22:05
Hallo svenzpo, magst du uns kurz mitteilen, was du hieran genau schwierig findest :)? Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
kaan00
30.11.2023, 13:18:25
Hier wäre noch ein Hinweis zur restriktiven Auslegung der Heimtücke - damit nicht jede überraschende Tötung zum Heimtückemord wird - angebracht
Nora Mommsen
30.11.2023, 17:59:38
Hallo kaan00, danke für deine Anregung. Die Rechtsprechungsfälle sollen aber tatsächlich nicht dazu dienen die Grundlagen des materiellen Rechts zu vermitteln, sondern einen Einblick in aktuelle relevante Rechtsprechung vermitteln. Daher halten wir uns an dieser Stelle mit etwaigen weiterführenden Hinweisen in der Regel zurück, um die Fälle nicht zu überfrachten und es beim Kern der Rechtsprechung zu belassen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
leeoon
17.4.2024, 07:26:47
super fall! mich würde noch interessieren, welche Mordmerkmale für den späteren angriff auf O geprüft wurden. vermutlich niedrige Beweggründe?
Nedjem
20.4.2024, 14:12:49
Hey, nachdem O zu fliehen versucht, setzt T ihr nach und stach ihr in fortbestehender Tötungsabsicht etliche Male mit dem Messer wuchtig in den Hals, den Bauch und den Rücken. Als er davon ausging, ihr so schwere Verletzungen zugefügt zu haben, dass sie versterben werde, verließ er den Tatort (Urt., Rn. 9). T überlebt. O wurde dafür wegen versuchten Mordes aus sonstigen niedrigen Beweggründen (§§ 211, 22, 23 I StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 I, § 224 I Nr. 2 und 5 StGB) zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die unmittelbare Vollendungsnähe und die hohe Gefährlichkeit des Versuchs wurden als wesentliche schulderhöhende Umstände gewertet, sodaß eine Strafmilderung gem. § 23 II i.V.m. § 49 I StGB abgelehnt wurde (Rn. 12).
Nedjem
20.4.2024, 14:13:57
^T wurde verurteilt!
Findet Nemo Tenetur
24.8.2024, 18:26:41
Ich checke leider nicht, weswegen T hier sein außertatbestandliches Ziel: “Beseitigung” der B, erreicht haben soll? Das ist doch gerade nicht erfolgt?
Timurso
25.8.2024, 19:52:58
Mit Beseitigung ist hier nicht die Tötung gemeint, sondern nur, dass sie den T hier nicht mehr an der Tötung der O hindern können soll. Nachdem B ausweislich der Zeichnung von dem Tatgeschehen wegläuft, ist das der Fall.