+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B befahren nachts eine unbeleuchtete Straße auf Fahrrädern ohne Licht. A fährt vor, B schräg links hinter ihm. B stößt mit dem entgegenkommenden unbeleuchteten Rad des O zusammen. O stirbt.

Einordnung des Falls

Schutzzweck der Norm („Radleuchtenfall“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Tod des O ist dem B objektiv zuzurechnen.

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Genau, so ist das!

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn durch das Verhalten des Täters (1) eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen worden ist, die (2) sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert. Von einer rechtlich missbilligten Gefahr für diesen Fall ist nur dann auszugehen, wenn die verletzte Verhaltensnorm gerade dem Schutz des betreffenden Rechtsguts dient (Schutzzweck der Norm).Zu (1): Die Beleuchtungspflicht (§ 17 StVO) dient dazu, Unfälle zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass der Radfahrer andere Verkehrsteilnehmer nicht erkennt oder selbst nicht erkannt wird. Zu (2): Die von B geschaffene Gefahr hat sich im Unfalltod des O realisiert.

2. Der Tod des O ist auch dem A objektiv zuzurechnen, denn wenn er mit Beleuchtung gefahren wäre, hätte er den entgegenkommenden O ausgeleuchtet und B wäre mit ihm nicht zusammengestoßen.

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Nein, das trifft nicht zu!

Von einer rechtlich missbilligten Gefahr für diesen Fall ist nur dann auszugehen, wenn die verletzte Verhaltensnorm gerade dem Schutz des betreffenden Rechtsguts dient (Schutzzweck der Norm)Hätte A sein Rad vorschriftsgemäß beleuchtet, hätte zwar der schräg links hinter ihm fahrende B den O im Scheinwerferlichtkegel des A möglicherweise erkennen können. Es entspricht jedoch nicht dem Schutzzweck der Beleuchtungspflicht, entgegenkommenden Verkehr (hier den O) für andere Verkehrsteilnehmer (vorliegend für B) zu beleuchten. Der Erfolgseintritt liegt außerhalb des Schutzbereichs der übertretenen Sorgfaltsnorm.

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Elijah

Elijah

24.10.2019, 12:35:06

Hätte O nicht selbst dafür sorgen müssen, dass er mit Licht fährt?

JURA

Jurakater

11.12.2019, 23:14:54

Das denke ich auch. Dieser Aspekt wird hier leider ausgeblendet.

Eriiic1994

Eriiic1994

1.1.2020, 13:53:22

O hätte gemäß § 17 StVO natürlich selbst dafür sorgen müssen, dass er mit Licht fährt. Nach § 17 StVO sind während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es erfordern, die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen zu benutzen, was O nicht getan hat. Dem O kann hier nur nichts mehr vorgeworfen werden, weil er verstorben ist. Das ändert aber nichts daran, dass B seinerseits eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, indem er ohne Licht gefahren ist. Hätte sich ein Unfall ereignet, bei dem es sowohl bei O, als auch bei B zu Körperverletzungen gekommen wäre, wäre die objektive Zurechnung bezüglich der Verletzung sowohl bei B, als auch bei O zu bejahen.

Eichhörnchen

Eichhörnchen

10.11.2020, 11:06:56

Wie sieht das in diesem Fall mit der Fallgruppe der „eigenverantwortlichen Selbstgefährdung“ aus? Diese würde die Zurechnung unterbrechen. Schließlich hat O bewusst die Gefahren in Kauf genommen, die durch unbeleuchtetes Fahren verursacht werden. Gegebenenfalls könnte man das ja auch ablehnen, da O nicht alleinige Tatherrschaft hatte. Das Handeln des O aber ganz unerwähnt zu lassen (auch wenn er nun tot ist), empfinde ich auch als unvollständig.

Vulpes

Vulpes

10.3.2021, 15:51:24

Hallo zusammen 🙂 Ich würde Eriiic1994 zustimmen, was die Begründung der objektiven Zurechenbarkeit des B angeht. @Eichhörnchen Wie du richtig sagst, entfällt die Zurechenbarkeit nur, wenn die alleinige Tatherrschaft beim Opfer selbst liegt (eigenverantwortliche Selbstschädigung). Fehlt dir diese Feststellung im Hinweis?

Kephan Steck

Kephan Steck

7.3.2023, 20:59:32

Die Skizzen sind bei Jurafuchs Bestandteil des Sachverhalts. Die Fahrstreifen Benutzungspflicht wird mutmaßlich durch die Beteiligten Radfahrer nicht beachtet. Der hintere Radfahrer fährt bereits über der Fahrstreifenmarkierung und somit auf der Gegenspur. Der vorausfahrende fährt ebenfalls nicht am rechten Fahrbahnrand. Da es zum Zusammenstoß im Begegnungsverkehr gekommen ist, muss auch der entgegenkommende Radfahrer ursächlich gehandelt haben, und nicht am rechten Fahrbahnrand gefahren sein. Die Fahrbahn ist durch eine Markierung in zwei Fahrstreifen geteilt. Demnach ist auch eine Mindestbreite der Fahrbahn zwingend anzunehmen, da andernfalls keine zwei Fahrspuren verkehrsrechtlich angeordnet wären. Da dem SV keine Hinweise auf Ausfallerscheinungen oder sonstige Störungen der Fahreignung zu entnehmen sind, setzten sich die beteiligten durch das Radfahren, zunächst alle selbst der Gefahr aus, ohne Lichtquelle, bei Dunkelheit, durch andere Verkehrsteilnehmer nicht erkannt zu werden. Zusätzlich fahren sie alle nicht am rechten Fahrbahnrand. Allein hierdurch begründen sie ein Verhalten, welches eine Gefahr darstellt (die objektive Sorgfaltspflichtverletzung, liegt dann vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird). Daher wäre hierdurch doch eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen worden? Käme hierdurch ein anderes Ergebnis zum tragen?


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