Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Rechtsfolgen

Verhältnis objektives Interesse und wirklicher Wille des Geschäftsführers

Verhältnis objektives Interesse und wirklicher Wille des Geschäftsführers

22. Februar 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hobbygärtner H entscheidet aus einer Laune heraus, dass er seine Blumen nicht mehr gießen möchte, damit diese verrotten. Sein Nachbar N kann nicht nachvollziehen, warum H plötzlich seine schönen Blumen verkümmern lassen will und gießt sie daher für ihn. Dabei beschmutzt er seine Hose.

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Einordnung des Falls

Verhältnis objektives Interesse und wirklicher Wille des Geschäftsführers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.

Ja, in der Tat!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Das Blumengießen ist ein für N objektiv fremdes Geschäft. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. H hat N weder dazu beauftragt, noch war er N gegenüber H sonst dazu berechtigt.
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2. N verlang von H den Ersatz der Reinigungskosten für seine Hose nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB. Entsprach die Geschäftsübernahme Hs wirklichem Willen?

Nein!

Welche Ansprüche eine echte GoA auslöst, entscheidet sich danach, ob es eine berechtigte oder unberechtigte GoA ist. Dies musst Du also auf Rechtsfolgenseite prüfen. Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dabei kommt es vorrangig auf den wirklichen Wille des Geschäftsherrn an. Er muss diesen zum Zeitpunkt der Geschäftsführung tatsächlich oder konkludent aus den Umständen zum Ausdruck gebracht haben. Sofern dies geschehen ist, ist nur dieser geäußerte Wille für die Frage der Berechtigung nach § 683 S. 1 BGB entscheidend. Unerheblich ist dann, ob dieser Wille auch dem objektiven Interesse des Geschäftsherrn entspricht.Dadurch, dass H bewusst aufgehört hat, die Blumen zu gießen, hat er konkludent den Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Blumen nicht mehr gegossen werden sollen. Die Geschäftsübernahme widerspricht somit seinem wirklichen Willen.

3. Das Blumengießen ist jedoch bei objektiver Betrachtung nützlich und entspricht damit dem Interesse des H. Ändert dies etwas im Hinblick auf eine Berechtigung nach § 683 S. 1 BGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich muss nach § 683 S. 1 BGB die Geschäftsführung sowohl dem Interesse als auch dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen. Sofern die Geschäftsbesorgung jedoch dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn entspricht, ist nur dieser für die Frage der Berechtigung nach § 683 S. 1 BGB entscheidend. Es ist also ausnahmsweise unerheblich, wenn die Geschäftsführung dem objektiven Interesse widerspricht, solange sie dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Insoweit genießt der individuelle Wille den Vorrang vor bloß objektiven Interessen. Es ist unerheblich, dass das Blumengießen dem objektiven Interesse entspricht. Maßgeblich ist hier allein, dass es dem wirklichen Willen des H widerspricht. Eine Berechtigung i.S.d. § 683 S. 1 BGB liegt nicht vor. Lerne in Zusammenhängen: Wenn ein wirklicher Wille erkennbar nach außen getreten ist, kommt es auf objektive Kriterien nicht mehr an – egal, ob die Geschäftsübernahme dem wirklichen Willen entsprach und objektiv nicht nützlich ist (wie im vorherigen Fall) oder andersherum (wie hier).

4. N hat einen Anspruch gegen H auf Übernahme der Reinigungskosten für seine Hose aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat der Geschäftsführer einer berechtigten GoA einen Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Nach h.M. zählen auch sog. risikotypische Begleitschäden als Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB analog. Der Schaden an der Hose stellt zwar einen sog. risikotypischen Begleitschaden dar, jedoch liegt keine berechtigte GoA vor. In dieser Aufgabe ging es vor allem um das Verhältnis zwischen dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn und dem objektiven Interesse. Zum Thema der risikotypischen Begleitschäden kommen wir später noch genauer!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RECH

Rechtsausleger

10.1.2025, 11:34:46

hier wird gesagt, dass der

fremdgeschäftsführungswille

vermutet wird, allerdings steht im Sachverhalt, dass der geschäftsführer wusste, dass der geschäftsherr seine Blumen verrotten lassen wollte. kann da nicht schon sagen, dass es dem geschäftsführer eigentlich nur um sein eigenes Interesse an den Blumen ging?

LELEE

Leo Lee

12.1.2025, 19:41:48

Hallo Rechtsausleger, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man sich hier die Frage stellen, ob wirklich ein FGW vorliegt, wenn der Geschäftsführer um die Unwilligkeit des Geschäftsherrn wusste. Beachte allerdings, dass der tats. Wille des Geschäftsherrn nicht auf Ebene des FGW, sondern erst bei der Berechtigung wichtig wird (wird entsprechend bei der zweiten Frage der Aufagbe verneint). Der FGW beschäftigt sich erstmal nur mit der Frage, ob der Geschäftsführer mit dem Willen gehandelt hat, ein fremdes Geschäft (überhaupt) zu besorgen oder nicht. Und hier hat der Geschäftsführer ein auch-fremdes (ungeachtet des Willens des Geschäftsherrn) Geschäfts des Geschäftsherrn besorgt, weshalb wir zumindest eine

Vermutung

des FGW vorliegt (wenn nicht sogar ein "reines"

objektiv fremdes Geschäft

). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 53 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

OKA

okalinkk

27.1.2025, 20:24:24

wurde nicht bei den Fragen zu 684 und der Rechtsnatur erwähnt,

670 analog

würde auch im Rahmen von 684 1 BGB gelten?


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