Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 826 BGB

Verleitung zum Vertragsbruch durch Dritte

Verleitung zum Vertragsbruch durch Dritte

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V möchte sein Grundstück verkaufen und schließt daher mit K1 einen formwirksamen Kaufvertrag. K2 ist Konkurrentin der K1 und möchte unbedingt den Verkauf verhindern. K2 bietet daher V einen höheren Kaufpreis und die Freistellung von allen Regressansprüchen der K1. V willigt ein.

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Einordnung des Falls

Verleitung zum Vertragsbruch durch Dritte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat gegenüber K1 schuldhaft eine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt, wenn V das Grundstück an K2 übereignet (§ 280 Abs. 1 BGB).

Ja!

Mit Abschluss eines formwirksamen Kaufvertrags (§§ 433 Abs. 1, 311b Abs. 1 BGB) war V zur Übereignung des Grundstücks verpflichtet. Übereignet er das Grundstück stattdessen an K2 (§§ 873 Abs. 1, 925 BGB), so wird ihm die Leistung gegenüber K1 unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Folglich könnte V die geschuldete Leistung in Form der Grundstücksübereignung an K1 nicht erbringen und verletzt somit eine vertragliche Pflicht (§ 280 Abs. 1 BGB).
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2. K1 hat durch die Handlung der K2 eine Rechtsgutsverletzung erlitten (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein absolut geschütztes Recht eines anderen verletzt wurde. Absolute Rechte sind solche, die gegenüber jedermann gelten, also nicht nur relativ zwischen den Parteien (lat. inter partes). Sie haben in der Regel eine positive Nutzungsfunktion und eine negative Ausschlussfunktion (z.B. Eigentum (§ 903 BGB). K1 war im Zeitpunkt der Verletzungshandlung noch nicht Eigentümer des Grundstücks. Es bestand lediglich ein Kaufvertrag zwischen V und K1. Schuldverhältnisse wirken nur zwischen den Parteien und haben keine Wirkung gegenüber Dritten. Damit kann eine Forderung kein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sein. Es liegt keine Rechtsgutsverletzung vor.

3. K2 hat K1 vorsätzlich sittenwidrig geschädigt (§ 826 BGB).

Ja, in der Tat!

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet (§ 826 BGB). Eine (Schädigungs-)Handlung ist sittenwidrig, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Grundsätzlich können Dritte fremde Schuldverhältnisse in deliktsrechtlich relevanter Weise nicht verletzen. Um das Handeln Dritter als sittenwidrige Schädigung ansehen zu können, bedarf es deshalb qualifizierender Umstände. Diese können vorliegen, wenn der Dritte durch Freistellung des Schuldners von Ersatzansprüchen des Vertragsgläubigers am Vertragsbruch mitwirkt. K1 kann von V nicht mehr die Übereignung des Grundstücks fordern. Dies ist ein Schaden. K2 bietet V einen höheren Kaufpreis und die Freistellung von allen Regressansprüchen der K1. Damit liegen auch die erforderlichen qualifizierenden Umstände vor.

4. Der Vorsatz des Schädigers muss sich auf den Schaden des Betroffenen beziehen (§ 826 BGB).

Ja!

In § 823 Abs. 1 BGB bezieht sich das Verschulden nur auf die rechtswidrige Verletzung eines fremden Rechtsguts. Den Schaden muss der Handelnde dabei nicht zu verschulden haben. Im Gegensatz hierzu muss im Rahmen des § 826 BGB der Vorsatz die Schadenszufügung umfassen ("vorsätzliche … Schädigung"). Dabei reicht es allerdings aus, wenn der Handelnde die Möglichkeit des Schadenseintritts erkannt hat und trotzdem handelt (dolus eventualis). Ebenfalls muss nur ein Bewusstsein der Umstände bestehen, die zum Sittenverstoß führen. Die Sittenwidrigkeit selbst muss nicht erkannt werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RAP

Raphaeljura

3.10.2023, 02:36:15

Nur um sicher zu sein: Es reicht aus, dass K2 weiß, dass bereits ein Kaufvertrag mit K1 geschlossen wurde? Oder würde es auch ausreichen, dass K2 es annimmt aber nicht sicher ist ? Und wie wäre es, wenn K2 es nur irrtümlich annimmt?

LELEE

Leo Lee

7.10.2023, 16:50:30

Hallo Raphaeljura, genauso ist es! §

826 BGB

verlangt nicht, dass der Schädiger absichtlich i.S.d. Dolus directus ersten und zweiten Grades handelt. Es reicht vielmehr aus, wenn in Kenntnis der Umstände der Schädiger den Eintritt des Schadens für möglich hält. Wenn K2 dies annimmt, sich nicht aber „sicher“ ist, liegt zwar kein Dolus II, jedoch dürfte Dolus eventualis vorliegen. Wenn K2 dies nur irrtümlich annimmt (also wenn kein Kaufvertrag existiert, der gebrochen werden kann), würde mangels eines Schadens kein §

826 BGB

vorliegen. Beachte zudem, dass – anders als im Strafrecht – es im Zivilrecht keine „Versuchstatbestände“ gibt. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 8. Auflage, Wagner §

826

Rn. 27 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

RAP

Raphaeljura

7.10.2023, 16:55:42

Danke!

EFECÖ

Efecan Ö.

19.11.2023, 15:20:18

Wie immer sehr gut erklärt von Leo!

LELEE

Leo Lee

19.11.2023, 15:29:03

@[Raphaeljura](207944) Sehr gerne :) @[Efecan](197365) Danke dir!

Natze

Natze

26.1.2024, 18:31:24

Man benötigt also keine Rechtsgutverletzung für den

826

?

LELEE

Leo Lee

27.1.2024, 10:48:17

Hallo Natze, vielen Dank für die sehr gute Frage! Das ist völlig richtig. Während § 823 I BGB eben bestimmte

Rechtsgüter

schützt (weshalb auch eine Rechtsgutverletzung erforderlich ist), schützt §

826 BGB

allen voran das VERMÖGEN des Geschädigten, weshalb keine „Rechtsgutverletzung“ erforderlich ist. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Wagner §

826

Rn. 4 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Natze

Natze

27.1.2024, 23:00:24

Vielen Dank, Leo :)

paulmachtexamen

paulmachtexamen

21.7.2024, 18:32:06

Liebe Jurafüchse, ihr schreibt, dass K1 hier einen vertraglichen SE nach 280 I geltend machen kann. Jetzt liegt hier aber ein Fall der nachträglichen Unmöglichkeit (275) vor, so dass hier mE 280 I, III, 283 die richtige AGL ist. Sehe ich das richtig?

AS

as.mzkw

19.9.2024, 19:24:15

Sehe ich auch so. Ich glaube, dass hier nur der § 280 I BGB zitiert wurde, da ja nur nach dem Vorliegen (irgend-)einer Pflichtverletzung gefragt wurde und deren Erfordernis ergibt sich eben aus der „Grundnorm“ § 280 I BGB.


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