Zivilrecht

Deliktsrecht

§§ 830, 840 BGB

Kneipenschlägerei (Haftung Beteiligter)

Kneipenschlägerei (Haftung Beteiligter)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A geht in eine Kneipe. Kurz darauf bricht unvermittelt eine chaotische Kneipenschlägerei aus, in deren Verlauf B und C unabhängig voneinander der A mehrmals ins Gesicht schlagen. Am Ende der Schlägerei stellt A fest, dass ihre Nase gebrochen ist.

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Einordnung des Falls

Kneipenschlägerei (Haftung Beteiligter)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat eine Rechtsgutsverletzung erlitten (§ 823 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Das Rechtsgut Körper umfasst (1) den Körper und (2) die Gesundheit. Körperverletzung bedeutet Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder Befindlichkeit. Eine Gesundheitsschädigung liegt bei einer Störung der inneren Lebensvorgänge vor. Die Verletzung kann physisch erfolgen (z.B. Schlagen oder Vergiften) oder (unter weiteren Voraussetzungen) psychisch. Durch den Bruch der Nase wurde A sowohl in ihrer körperlichen Integrität beeinträchtigt als auch ihre inneren Lebensvorgänge gestört.
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2. B und C haben jeweils eine kausale Verletzungshandlung begangen (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der Äquivalenztheorie ist jede Tatsache ursächlich für einen Schadenseintritt, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Rechtsgutsverletzung in ihrer konkreten Gestalt entfiele. Würde man jeweils einzeln das Verhalten von B und C hinwegdenken, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsgutsverletzung trotzdem (durch den Schlag der anderen) eingetreten wäre. Die Beweislast liegt hier bei der Geschädigten. Diese kann nicht beweisen, welcher Schlag kausal für die Rechtsgutsverletzung war. Damit kann den Handlungen von B und C einzeln keine Kausalität nachgewiesen werden.

3. B und C haften als Mittäter (§§ 830 Abs. 1 S. 1, 840 BGB).

Nein!

Um die Art der Beteiligung zu bewerten, ist der Rückgriff auf die strafrechtlichen Grundsätze möglich. Die Teilnahme verlangt demgemäß neben der Kenntnis der Tatumstände (Vorsatz) den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern (gemeinsamer Tatplan). Objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die deren Begehung fördert und für diese relevant ist (gemeinsame Tatausführung). B und C haben zwar beide am Tatgeschehen mitgewirkt, waren jedoch nur spontane Teilnehmer und damit nicht durch einen gemeinsamen Tatplan verbunden.

4. B und C haften als Beteiligte (§§ 830 Abs. 1 S. 2, 840 BGB).

Genau, so ist das!

Für die gemeinschaftliche Haftung als Beteiligte ist es erforderlich, dass (1) jeweils eine unerlaubte Handlung jedes Beteiligten (ohne Kausalität) vorliegt, (2) Gewissheit über die Schadensverursachung durch einen der Beteiligten herrscht, dennoch aber (3) Anteilszweifel bestehen, und (4) ein Schaden beim Betroffenen entstanden ist. Hier haben sowohl B als auch C auf A eingeschlagen und damit eine unerlaubte Handlung begangen, die isoliert betrachtet zur Rechtsgutsverletzung geeignet wäre. Ebenfalls besteht Gewissheit, dass einer der Schläge den Nasenbruch verursacht hat. Unklar ist jedoch, welcher Schlag es war.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

11.9.2023, 19:27:19

Folglich würde

Nebentäterschaft

als "Beteiligungsform" ausreichen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.9.2023, 18:17:25

Hallo evanici, grundsätzlich ja, allerdings bedarf es hier eben des qualifizierenden Elements der "Beteiligung". Der Begriff der Beteiligung ist hierbei anders zu verstehen, als im Strafrecht. Der BGH verlangt hier im Minimum eine Haftungsgemeinschaft auf Grund der gemeinsamen Gefährdung, Mittäterschaft, Anstiftung, Beihilfe sind also für einen Anspruch aus § 830 Abs. 1 S. 2 BGB gerade nicht notwendig. Mehr dazu findest Du auch hier: Jauernig/Kern, 19. Aufl. 2023, BGB § 830 Rn. 10 Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

<I

<isa_hh>

16.10.2023, 15:45:28

Wie kann denn Gewissheit über die Schadensverursachung durch einen der Beteiligten vorherrschen, wenn bei beiden unerlaubten Handlungen keine Kausalität nachgewiesen werden kann?

<I

<isa_hh>

16.10.2023, 15:58:53

Ich kann es mir durch einen nachfolgenden Fall hoffentlich bereits selbst erklären. Es ist zu unterscheiden zwischen Urheberzweifeln und Anteilszweifeln, heißt hinsichtlich der Urheberzweifel, dass klar ist, dass es einer der Beteiligten war, nur nicht wer und dies auch nicht durch Kausalität geklärt werden kann - aber es kann niemand anderes gewesen sein. Wie hier im Fall kann es niemand außer B und C gewesen sein.


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