Abgrenzung Erfüllbarkeit und Fälligkeit I

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Pechmarie P braucht dringend Geld für ihre Ausbildung. Auf Ps drängende Bitte gewährt die gütige Frau Holle (H) P ein zinsfreies Darlehen (§ 488 Abs. 1 BGB) über € 8.000. Sie vereinbaren, dass P das Darlehen ein Jahr später zurückzahlen soll.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung Erfüllbarkeit und Fälligkeit I

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P ist verpflichtet, das Geld zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 S.2 BGB).

Ja, in der Tat!

Bei einem Darlehensvertrag ist der Darlehensgeber verpflichtet, den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen (§ 488 Abs. 1 S.1 BGB). Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, das Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen und - sofern vereinbart - Zinsen zu zahlen (§ 488 Abs. 1 S.2 BGB). Zwischen P und H besteht ein Darlehensvertrag. Somit ist P verpflichtet, das Darlehen bei Fälligkeit zurückzahlen.
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2. H kann von P sofort die Rückzahlung des Darlehens verlangen (§ 271 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Nein!

Die Pflicht das Geld zurückzuzahlen, besteht erst bei Fälligkeit des Darlehens. Fällig ist eine Forderung, wenn der Gläubiger die geschuldete Leistung verlangen kann. Die Fälligkeit ergibt sich aus der Parteivereinbarung oder den Umständen. Kann danach eine Leistungszeit nicht bestimmt werden und finden auch keine gesetzlichen Fälligkeitsregelungen (zB § 475 Abs. 1 BGB; 556b Abs. 1 BGB; § 614 BGB) Anwendung, so ist die Leistung sofort fällig (§ 271 Abs. 1 Alt. 1 BGB). H und P haben vereinbart, dass erst P das Geld erst nach einem Jahr zurückzahlen muss. Somit kann H erst zu diesem Zeitpunkt die Rückzahlung verlangen.

3. Die Fälligkeit einer Forderung ist zu unterscheiden von der Erfüllbarkeit der Forderung.

Genau, so ist das!

Zwar beschreiben beide Begriffe die Zeit für eine Leistungshandlung, allerdings aus verschiedenen Perspektiven. Fälligkeit beschreibt aus Sicht des Gläubigers, wann er die Leistung vom Schuldner fordern darf (spätester Leistungszeitpunkt). Dagegen beschreibt der Begriff der „Erfüllbarkeit“ aus Sicht des Schuldners, ab wann er berechtigt ist, die Leistung zu erbringen (frühester Leistungszeitpunkt). Die Zeitpunkte können identisch sein, müssen es aber nicht.

4. P kann das Darlehen sofort zurückzahlen (§ 271 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Erfüllbarkeit richtet sich nach der Parteivereinbarung oder den Umständen. Kann danach eine Leistungszeit nicht bestimmt werden, so kann der Schuldner die Leistung sofort bewirken (§ 271 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Auch bei vereinbarter Leistungszeit gilt im Zweifel, dass der Schuldner die Leistung sofort bewirken kann (§ 271 Abs. 2 BGB). H und P haben hinsichtlich der Erfüllbarkeit keine ausdrückliche Regelung getroffen. Da für das Darlehen aber keine Zinsen vereinbart haben, ist auch nicht ersichtlich, dass H das Geld erst ein Jahr später zurück möchte. P kann das Darlehen somit jederzeit zurückzahlen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

18.6.2022, 11:35:01

Wie genau ist das Interesse des Darlehensgebers bei verzinsten Darlehen zu verstehen? Der Darlehensgeber hat aufgrund der laufenden Zinszahlungen ein Interesse an der Einhaltung der Vereinbarung, damit ihm kein Zinsschaden entsteht? Dann müsste es anders sein, wenn es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt, da dort § 502 eingreifen würde, welcher eine vorzeitige Rückzahlung (Erfüllbarkeit) speziell regelt. Korrekt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.6.2022, 12:38:22

Hallo Rick-dich, so ist es. Bei Verbraucherdarlehensverträgen regelt § 500 Abs. 2 S. 1 BGB, dass - abweichend von § 271 Abs. 2 BGB - eine verzinsliche Forderung bereits vor deren Fälligkeit erfüllt werden kann (=Erfüllbarkeit). Als Kompensation hierfür steht dem Darlehensgeber dann aber eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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