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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V beauftragt Gutachterin D damit, den Wert seines Hausgrundstücks festzustellen. Das Ergebnis will V Kaufinteressenten vorlegen. D übersieht fahrlässig Schäden im Dachboden und bescheinigt einen zu hohen Grundstückswert. K kauft auf dieser Grundlage von V das Grundstück zu einem überhöhten Preis ab.

Einordnung des Falls

Schutzbedürftigkeit – Gutachterfälle

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K könnte gegen D ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.

Ja, in der Tat!

Zunächst muss ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen. Die Einbeziehung nach dem VSD setzt sodann (1) Leistungsnähe des Dritten, (2) Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, (3) Erkennbarkeit für den Schuldner und (4) Schutzbedürftigkeit des Dritten voraus. LeGES: Leistungsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit, Schutzbedürftigkeit. Für Lateinliebhaber: Leges ist der Plural von "lex" und bedeutet übersetzt „Gesetze“.

2. Folgt man der Rechtsprechung, liegen Leistungsnähe der K und Einbeziehungsinteresse der V vor. Ist dies für D auch erkennbar?

Ja!

Erkennbarkeit liegt vor, wenn der Kreis der geschützten Dritten so überschaubar und abgegrenzt ist, dass der Schuldner das Risiko abschätzen kann. Zahl und Namen der Dritten muss der Schuldner aber nicht kennen. Die Erkennbarkeit bezieht sich sowohl auf die Leistungsnähe als auch auf das Einbeziehungsinteresse.D ist bekannt, dass sein Wertgutachten für einen (potentiellen) Käufer bestimmt ist. Damit ist zugleich für ihn erkennbar, dass dieser darauf vertrauen werde. Gleichzeitig ist der Kreis der Dritten nach der Rechtsprechung noch hinreichend begrenzt. Dabei sei es unschädlich, dass nicht von vorneherein feststehe, wie viele Kaufinteressenten es geben wird.

3. K müsste auch schutzbedürftig sein.

Genau, so ist das!

Durch den Vertrag mit Schutzwirkung Dritter sollen Haftungslücken geschlossen werden. Dies setzt voraus, dass der Dritte schutzbedürftig ist. Daran fehlt es, wenn der Dritte eigene vergleichbare Ansprüche gegen den Gläubiger oder Dritte hat.Vorsicht! Lediglich gleichwertige Ansprüche führen dazu, dass der Dritte aufgrund der fehlenden Schutzbedürftigkeit nicht einbezogen wird. Deliktische Ansprüche führen also nicht zu einem Wegfall der Schutzbedürftigkeit.

4. K stehen gegen V Kaufmängelgewährleistungsrechte zu.

Ja, in der Tat!

Dem Käufer stehen Gewährleistungsansprüche nach § 437 BGB zu, wenn die Kaufsache bei Gefahrübergang einen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB) aufweist.Das Hausgrundstück entspricht aufgrund der Feuchtigkeitsschäden nicht der üblichen Beschaffenheit, die ein Käufer objektiv erwarten kann (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB). Es genügt damit nicht den objektiven Anforderungen. Da keine hiervon abweichende Parteivereinbarung vorliegt, ist das Grundstück mangelhaft (§ 434 Abs. 1 BGB). Der Anwendungsbereich der Kaufmängelgewährleistungsrechte ist eröffnet.

5. Ist K schutzbedürftig?

Nein!

Der Dritte ist nicht schutzbedürftig, wenn er eigene vergleichbare Ansprüche gegen den Gläubiger oder Dritte hat.Da K gegen V einen Anspruch auf Nacherfüllung (§ 439 BGB) bzw. bei Verweigerung einen Anspruch auf Ersatz der Sanierungskosten (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB) hat, stehen ihm vergleichbare vertragliche Ansprüche zu. Er ist somit nicht schutzbedürftig.Im Originalfall hatte der Verkäufer wirksam die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen, weshalb der BGH die Schutzbedürftigkeit bejahte.

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FAP

falsus procurator

28.2.2023, 18:15:08

Schließt auch der Anspruch gegen die Gutachterin nach §§ 280 I i.V.m. 311 III die Schutzbedürftigkeit aus?

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

28.8.2023, 13:28:49

Nach der Rspr. ist dieser in dieser Konstellation ja nicht einschlägig, sondern nur der VSD. Folgt man der Literatur, welche in diesem Fall den Anspruch aus §§ 280 I iVm 311 III bejaht, wäre der VSD subsidiär. Grundsätzlich ist aber zu beachten, dass ja beide Ansprüche ein gesetzliches Schuldverhältnis zugrundeliegen haben. Dementsprechend wäre fraglich, ob die Ansprüche nicht gleichwertig sind und die Schutzbedürftigkeit (= Anspruchsteller hat keine gleichwertigen Ansprüche) deshalb (also aufgrund der Gleichwertigkeit der Ansprüche) zu verneinen wäre. Ich würde das also über die Schutzbedürftigkeit lösen und nicht über die eventuelle Subsidiarität des VSD, da diese ja nur von der Literatur befürwortet wird.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

28.8.2023, 13:33:11

Hat der V den Sachmangel zu vertreten? Er wusste ja nichts von der fehlerhaften Begutachtung und hat die PV (= Sachmangel) nicht selbst zu vertreten. Den D könnte man als Erfüllungsgehilfen betrachten und sein fahrlässiges Verhalten dem V gem. § 278 S. 1 BGB zurechnen. Erst dann hätte V die PV zu vertreten, finde ich. Das könnte man noch ergänzen.

CR7

CR7

11.10.2023, 19:27:05

Genau.

Kai

Kai

9.1.2024, 22:20:26

Wie steht es um den Anspruch der K über den VSD, wenn V (fast) zahlungsunfähig ist (angenommen, der Kaufpreis für das Haus wäre schon wieder ausgegeben, wenn K ihre Rechte geltend macht). Dann wäre K laut der Argumentation im Fall ja nicht schutzwürdig, da sie einen Anspruch gegen die V hat. Aus diesem Anspruch wird sie ihre Forderungen aber kaum befriedigen können. Bleibt dann die Möglichkeit, gegen D vorzugehen?

LS2024

LS2024

6.6.2024, 10:49:32

Sehr gute Frage! Es kommt nicht darauf an, wie werthaltig oder realisierbar der Anspruch gegen den Dritten ist [BeckOGK/Mäsch BGB § 328 Rn. 187].

Steinfan

Steinfan

1.5.2024, 13:20:58

Mir ist aufgefallen, dass als Anspruchsgrundlage in den Fällen zum VSD stets §§ 280 I, 241 II BGB iVm VSD gewählt wird. Das ist selbstverständlich dogmatisch vertretbar, allerdings ist meine Klausurerfahrung, dass in den Erwartungshorizonten der Prüfungsämter die AGL aus dem SchuldR BT iVm VSD gewählt wird. In den Gutachter-Fällen wäre das dann bspw. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB iVm VSD. In der Prüfung macht das den kleinen Unterschied, dass in der Pflichtverletzung dann die Mangelhaftigkeit geprüft wird. Im MietR kann es einen noch größeren Unterschied machen: § 536a I Var. 1 BGB erfordert kein Vertretenmüssen. Unaufmerksame Korrektoren streichen daher nach meiner Erfahrung regelmäßig §§ 280 I, 241 II BGB iVm VSD an. Vielleicht könnte man auf diese unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen hinweisen. LG


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