Schutzbedürftigkeit – Gutachterfälle
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V beauftragt Gutachterin D damit, den Wert seines Hausgrundstücks festzustellen. Das Ergebnis will V Kaufinteressenten vorlegen. D übersieht fahrlässig Schäden im Dachboden und bescheinigt einen zu hohen Grundstückswert. K kauft auf dieser Grundlage von V das Grundstück zu einem überhöhten Preis ab.
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Einordnung des Falls
Schutzbedürftigkeit – Gutachterfälle
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnte gegen D ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Folgt man der Rechtsprechung, liegen Leistungsnähe der K und Einbeziehungsinteresse der V vor. Ist dies für D auch erkennbar?
Ja!
3. K müsste auch schutzbedürftig sein.
Genau, so ist das!
4. K stehen gegen V Kaufmängelgewährleistungsrechte zu.
Ja, in der Tat!
5. Ist K schutzbedürftig?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
falsus procurator
28.2.2023, 18:15:08
Schließt auch der Anspruch gegen die Gutachterin nach §§ 280 I i.V.m.
311 IIIdie Schutzbedürftigkeit aus?
ehemalige:r Nutzer:in
28.8.2023, 13:28:49
Nach der Rspr. ist dieser in dieser Konstellation ja nicht einschlägig, sondern nur der VSD. Folgt man der Literatur, welche in diesem Fall den Anspruch aus §§ 280 I iVm
311 IIIbejaht, wäre der VSD subsidiär. Grundsätzlich ist aber zu beachten, dass ja beide Ansprüche ein gesetzliches Schuldverhältnis zugrundeliegen haben. Dementsprechend wäre fraglich, ob die Ansprüche nicht gleichwertig sind und die Schutzbedürftigkeit (= Anspruchsteller hat keine gleichwertigen Ansprüche) deshalb (also aufgrund der Gleichwertigkeit der Ansprüche) zu verneinen wäre. Ich würde das also über die Schutzbedürftigkeit lösen und nicht über die eventuelle Subsidiarität des VSD, da diese ja nur von der Literatur befürwortet wird.
ehemalige:r Nutzer:in
28.8.2023, 13:33:11
Hat der V den Sachmangel zu vertreten? Er wusste ja nichts von der fehlerhaften Begutachtung und hat die PV (= Sachmangel) nicht selbst zu vertreten. Den D könnte man als Erfüllungsgehilfen betrachten und sein fahrlässiges Verhalten dem V gem. § 278 S. 1 BGB zurechnen. Erst dann hätte V die PV zu vertreten, finde ich. Das könnte man noch ergänzen.
CR7
11.10.2023, 19:27:05
Genau.
Kai
9.1.2024, 22:20:26
Wie steht es um den Anspruch der K über den VSD, wenn V (fast) zahlungsunfähig ist (angenommen, der Kaufpreis für das Haus wäre schon wieder ausgegeben, wenn K ihre Rechte geltend macht). Dann wäre K laut der Argumentation im Fall ja nicht schutzwürdig, da sie einen Anspruch gegen die V hat. Aus diesem Anspruch wird sie ihre Forderungen aber kaum befriedigen können. Bleibt dann die Möglichkeit, gegen D vorzugehen?
LS2024
6.6.2024, 10:49:32
Sehr gute Frage! Es kommt nicht darauf an, wie werthaltig oder realisierbar der Anspruch gegen den Dritten ist [BeckOGK/Mäsch BGB § 328 Rn. 187].
Steinfan
1.5.2024, 13:20:58
Mir ist aufgefallen, dass als Anspruchsgrundlage in den Fällen zum VSD stets §§ 280 I, 241 II BGB iVm VSD gewählt wird. Das ist selbstverständlich dogmatisch vertretbar, allerdings ist meine Klausurerfahrung, dass in den Erwartungshorizonten der Prüfungsämter die AGL aus dem SchuldR BT iVm VSD gewählt wird. In den Gutachter-Fällen wäre das dann bspw. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB iVm VSD. In der Prüfung macht das den kleinen Unterschied, dass in der Pflichtverletzung dann die Mangelhaftigkeit geprüft wird. Im MietR kann es einen noch größeren Unterschied machen: § 536a I Var. 1 BGB erfordert kein Vertretenmüssen. Unaufmerksame Korrektoren streichen daher nach meiner Erfahrung regelmäßig §§ 280 I, 241 II BGB iVm VSD an. Vielleicht könnte man auf diese unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen hinweisen. LG