Gefahrübergang durch Annahmeverzug (§ 446 S. 3 BGB)


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Neues Kaufrecht 2022

K bestellt beim Media Markt (M) zur Abholung am Montag um 15 Uhr eine Xbox. Zwar wird die Xbox zu dieser Uhrzeit zur Abholung bereitgestellt, K verpennt jedoch den Termin. Als er am nächsten Tag kommt, wird ihm mitgeteilt, die Xbox sei durch einen Blitzeinschlag zerstört worden. K will eine neue, funktionierende Xbox.

Einordnung des Falls

Gefahrübergang durch Annahmeverzug (§ 446 S. 3 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche setzen neben dem Kaufvertrag einen Mangel bei Gefahrübergang voraus (§ 437 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Rechte des Käufers bei Mängeln ergeben sich aus § 437 BGB. Dieser knüpft an den Mangel an, für den beim Sachmangel nach § 434 Abs. 1 BGB der Mangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs entscheidend ist. Bei dem Gefahrübergang geht es um den Übergang der Gegenleistungs- oder Preisgefahr, also um die Gefahr, dass der Käufer den Kaufpreis vollständig zahlen muss, auch wenn die Sache nach Vertragsschluss durch Zufall beschädigt wird oder untergeht. Den Zeitpunkt des Gefahrübergangs regeln die §§ 446, 447 BGB.

2. Sofern nichts anderes vereinbart ist, geht die Gefahr mit der Übergabe der Sache über (§ 446 S. 1 BGB).

Ja!

Mit der Übergabe der verkauften Sache geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über (§ 446 S. 1 BGB). Übergabe meint die Übertragung des unmittelbaren Besitzes (§ 854 BGB). Es soll derjenige die Gefahr tragen, der die Sache in seinem Machtbereich hat. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es daher nicht an. § 446 S. 1 gilt sowohl für Hol- als auch Bringschulden (vgl. § 269 BGB). Nur wenn eine Schickschuld vereinbart wird, ist § 447 BGB einschlägig.

3. Der Mangel der Xbox lag hier bei Gefahrübergang vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Mit der Übergabe der verkauften Sache geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über (§ 446 S. 1 BGB). Der Übergabe steht es gleich, wenn der Käufer im Verzug der Annahme ist (§ 446 S. 3 BGB). Der Gläubiger einer Leistung kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Ein Angebot ist entbehrlich, wenn – wie hier – für die Abholung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war und der Käufer nicht tätig wird (§ 296 BGB). Mit der Nichtabholung durch K ist Annahmeverzug eingetreten und gem. § 446 S. 3 auch die Gefahr auf ihn übergegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Xbox noch funktionstüchtig, sodass bei Gefahrübergang (§ 434 Abs. 1 BGB) kein Mangel vorlag.

4. M kann weiterhin Kaufpreiszahlung verlangen.

Ja, in der Tat!

Wenn dem Verkäufer seine Leistung unmöglich ist, entfällt grundsätzlich sein Anspruch auf die Gegenleistung, d. h. auf Zahlung des Kaufpreises (§ 326 Abs. 1 BGB). Der Verkäufer kann jedoch weiterhin Zahlung verlangen, auch wenn er seine Leistungspflicht nicht mehr erfüllen kann, weil die Sache nach Gefahrübergang zufällig, also ohne eigenes Verschulden, untergegangen ist oder sich verschlechtert hat (§§ 446f. BGB). Da die Verschlechterung der Xbox erst nach Gefahrübergang (§ 446 S. 3 BGB) eingetreten ist, kann M weiterhin Kaufpreiszahlung verlangen.

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IUS

iustus

14.1.2021, 22:30:36

Ich finde es gut, dass ihr hier mehr Fälle habt, das macht mir das Wiederholen leichter!

YVA

Yva

20.8.2021, 18:12:51

Hi Was wäre, wenn k die xbox zwei jahre nicht abholt und m die xbox (ohne Vorherige Mitteilung an K) verkauft?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.11.2021, 13:01:35

Hallo Yva, da in deinem Beispiel noch kein Eigentumsübergang stattgefunden hat (§ 929 S. 1 BGB) ist M weiterhin Eigentümer und kann somit die Xbox weiterverkaufen. Sofern er allerdings vorher nicht von dem Vertrag mit K zurückgetreten ist, ist er weiterhin verpflichtet an K zu liefern. Er kann sich auch nicht auf Verjährung berufen, da der Anspruch auf Übergabe und

Übereignung

nach § 433 Abs. 1 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren unterliegt (§ 195 BGB). Kann er dem Anspruch nicht mehr nachkommen, da es seine letzte Xbox war und er sich auch sonst keine mehr beschaffen kann, so kommt ein Anspruch des K auf Schadensersatz in Betracht (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB). Dabei ist irrelevant, dass K die Xbox zu spät abgeholt hat. Denn die Unmöglichkeit ist in diesem Fall nicht zufällig eingetreten, sondern durch schuldhaftes handeln des M. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MenschlicherBriefkasten

MenschlicherBriefkasten

30.5.2024, 14:32:49

Ist das nicht dann ein Fall der beiderseits zu vertretenden Unmöglichkeit? Denn hätte K die Xbox abgeholt, wäre die Unmöglichkeit nie eingetreten, also hat er sie mitverursacht.

MIC

micha.from.le

28.9.2021, 13:44:23

Aufgrund der Unmöglichkeit der Leistung sollte hier neben 446 S. 3 auch noch 326 Abs. 2 Alt. 3 genannt werden, da 446 S. 3 insoweit nur deklaratorisch ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.10.2021, 10:33:53

Vielen Dank für Deinen Hinweis, micha. Weißt Du zufällig noch, woher Du die Information hast, dass § 446 S. 3 BGB rein deklaratorisch ist? Nach meinem Kenntnisstand und den von uns verwendeten Kommentaren handelt es sich sich bei § 446 S. 3 BGB um eine vorrangige Regelung, die im Bereich des Kaufrechts die Regelung des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 3 BGB verdrängt (vgl. Herrestahl, in: BeckOGK-BGB, 1.6.2019, § 326 RdNr. 166). Wird das bei euch abweichend gelehrt? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

15.7.2023, 21:28:42

@[Lukas Mengestu](136780) Alpmann erwähnt nur kurz, dass das strittig ist, aber im Ergebnis ohne Auswirkungen. AS Skript Schuldrecht BT 1, Aufl. 2022, Rn. 201.

DO

Dominic

11.8.2023, 18:19:54

Mich hat es auch sehr verwundert, dass hier nicht § 326 II 1 zitiert wird. Ich habe es auch so gelernt, dass § 446 S. 3 nur deklaratorischer Natur ist.

EVA

evanici

29.8.2023, 09:50:38

Verstehe ich es richtig, dass in derartigen Holschuld-Situationen auch eine einseitige Bereitstellungsinformation durch den Schuldner geeignet ist, derartig scharfe Haftungskonsequenzen wegen Zufalls für den Gläubiger auszulösen? Im Umkehrschluss ist der Schuldner also berechtigt bei einem langen möglichen Bereitstellungszeitraum (sagen wir "5-8 Wochen" wurde vereinbart) die letzten drei Wochen den Gläubiger jederzeit in Annahmeverzug zu setzem? Da muss es doch irgendwie Schutzmöglichkeiten v.a. für Verbraucher geben...


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