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O bittet T ernstlich und ausdrücklich darum, ihn umzubringen. T möchte die Tat jedoch nicht selbst begehen und bietet dem Pfleger D €20.000 für die Tötung. D willigt ein. Noch bevor D unmittelbar ansetzen kann, stirbt O.

Einordnung des Falls

Bei versuchter Anstiftung 8

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die versuchte Anstiftung ist strafbar, wenn die Haupttat ein Verbrechen sein soll.

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Ja, in der Tat!

Die versuchte Anstiftung ist nur strafbar, wenn versucht wird, zu einem Verbrechen anzustiften (§ 30 Abs. 1 S. 1 StGB). Dabei ist es unstreitig erforderlich, dass die Haupttat, also die geplante Tat durch den Angestifteten, ein Verbrechen sein muss. Stellt diese für diesen nur ein Vergehen dar, scheidet eine Strafbarkeit des Anstifters aus, auch wenn die Tat für diesen ein Verbrechen darstellt, insbesondere aufgrund des § 28 StGB. Mord ist ein Verbrechen und daher ist die Anstiftung bereits im Versuch strafbar (§§ 211, 12 Abs. 1 StGB). Für D wäre die Tat ein Verbrechen.

2. Die Tat müsste nach der Rechtsprechung auch für T ein Verbrechen darstellen.

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Nein!

Nach der Rechtsprechung ist es ausreichend, dass die Tat für den Haupttäter ein Verbrechen darstellt. Dies ist insbesondere dann widersprüchlich, wenn es sich um Merkmale im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB handelt. Denn dann wird die versuchte Anstiftung akzessorisch behandelt, wohingegen die vollendete Anstiftung wegen § 28 Abs. 2 StGB unabhängig von der Haupttat bewertet wird. Daher verlangt ein Teil der Literatur, dass die Tat auch für den Anstifter selbst ein Verbrechen darstellen muss. Daneben gibt es weitere differenzierende Lösungen, die je nach Straftat unterscheiden. Nach der Rechtsprechungslösung würde die Tat für T auch ein Verbrechen darstellen, da § 211 StGB einen eigenen Tatbestand darstelle.

3. T hatte „Tatentschluss“, eine Anstiftung zum Mord zu begehen.

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Genau, so ist das!

Es gelten die Maßstäbe, die auch sonst für den Versuch gelten. T war entschlossen, den D zum Mord anzustiften. Er hatte Vorsatz in Bezug darauf, dass D den Mord begeht. Er wollte, dass D den O aus Habgier tötet. Er hatte auch Vorsatz in Bezug darauf, dass er selbst den entscheidenden Impuls setzt, ihn also anstiftet. Der doppelte Anstiftervorsatz lag daher vor.

4. T hat zur Anstiftung „unmittelbar angesetzt“.

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Ja, in der Tat!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. T hat alles zur Anstiftung Erforderliche getan. Der Versuch ist lediglich fehlgeschlagen.

5. Die Rechtsprechung sieht als Rechtsfolge eine doppelte Strafrahmenreduzierung.

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Ja!

Es tritt im Ergebnis eine doppelte Milderung des Strafrahmens ein, einmal über § 30 Abs. 1 S. 2 StGB und danach aufgrund eines fehlenden strafbarkeitsbegründenden Merkmals (§ 28 Abs. 1 StGB), da T selbst keines der Mordmerkmale erfüllt. Dies liegt daran, dass die Rechtsprechung den Mord nicht als Qualifikation des § 212 StGB begreift, sondern als eigenen Tatbestand und die persönlichen Mordmerkmale daher strafbarkeitsbegründend (§ 28 Abs. 1 StGB) sind. Dies führt zunächst dazu, dass T eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten erwartet (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB).

6. Dadurch entsteht ein Wertungswiderspruch.

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Genau, so ist das!

Es stellt einen offensichtlichen Wertungswiderspruch dar, wenn die versuchte Anstiftung zum Mord milder bestraft wird als die versuchte Anstiftung zum Totschlag, insbesondere da der Totschlag, auch nach der Rechtsprechung, im Mord enthalten ist. Daher hat der vierte Strafsenat des BGH entschieden, dass die versuchte Anstiftung zum Mord trotz einer Strafmilderung (§ 28 Abs. 1 StGB) mit mindestens 2 Jahren zu bestrafen ist.

7. Vorliegend ist der Strafrahmen jedoch nach § 216 StGB i.V.m. § 30 Abs. 1 S. 2 StGB zu bestimmen.

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Ja, in der Tat!

Vorliegend ist die Situation noch einmal eine andere, da nach der Rechtsprechung der Tatbestand der Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) zwar keinen Privilegierungstatbestand für den Totschlag darstellt, sondern einen eigenen Tatbestand, sodass nicht § 28 Abs. 2 StGB zur Anwendung kommt, sondern § 28 Abs. 1 StGB. Dennoch sperrt nach der Rechtsprechung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 216 StGB die Anwendung eines anderen Strafrahmens. Derjenige, der ernstlich und ausdrücklich gebeten wird, den Bittenden zu töten, kann nicht schlechter gestellt werden, nur weil er die Tat nicht selbst ausführt. Vielmehr wird dadurch weniger Unrecht verwirklicht. Daher ist der Strafrahmen des § 216 StGB anzuwenden und nach § 30 Abs. 1 S. 2 StGB zu reduzieren.

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