Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Sonderfälle

Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft - Selbsthilfeaufwendung I

Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft - Selbsthilfeaufwendung I

31. Mai 2025

20 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A stellt sein Fahrzeug unbefugt auf den Privatparkplatz des S. Damit versperrt er die Einfahrt zum Grundstück des S. S lässt das Fahrzeug kostenpflichtig abschleppen. Die Abschleppkosten sind ortsüblich.

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Einordnung des Falls

Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft - Selbsthilfeaufwendung I

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S kann von A Ersatz für die Abschleppkosten verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.

Ja, in der Tat!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass S (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.
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2. Indem S das Fahrzeug abschleppen ließ, hat er „ein Geschäft besorgt“ (§ 677 BGB).

Ja!

Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Die Beauftragung eines Abschleppunternehmens ein Fahrzeug abschleppen zu lassen, ist eine tatsächliche Tätigkeit. S hat ein Geschäft besorgt.

3. Hat S, indem er das Fahrzeug des A abschleppen ließ, ein objektiv fremdes Geschäft besorgt, sodass der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird?

Nein, das ist nicht der Fall!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen.. Hier lag das Abschleppen des Fahrzeugs auch im Interesse des S, da er nur so auf sein Grundstück gelangen konnte.

4. Hat S, als er das Auto des A abschleppen ließ, ein auch- fremdes Geschäft besorgt, sodass der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird (BGH)?

Ja, in der Tat!

Unter auch-fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die ihrer äußeren Erscheinung nach nicht nur in den Interessenkreis des Geschäftsführers fallen, sondern auch einem Dritten zugute kommen (Handeln im Doppelinteresse). BGH: das Abschleppenlassen ist auch im Interesse des Falschparkers, da er von seiner Pflicht zur Entfernung des Autos nach § 862 Abs. 1 BGB befreit wird. Durch das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Privatgrundstück, begeht A nämlich verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB). S hat somit ein auch-fremdes Geschäft besorgt, sodass der Fremdgeschäftsführungswille nach Ansicht des BGH vermutet wird.

5. Das Abschleppen des Fahrzeugs entsprach dem Interesse und dem wirklichen Willen des A (§ 683 S. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Das Abschleppen entsprach dem Interesse des A. Sein wirklicher Wille ist jedoch nicht feststellbar. Die Übernahme einer Geschäftsführung liegt im Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie ihm objektiv vorteilhaft und nützlich ist. BGH: Durch das Abschleppenlassen des Fahrzeug werde der Falschparkers von seiner Beseitigungspflicht nach § 862 BGB befreit. Dies sei für ihn grundsätzlich vorteilhaft und damit in seinem Interesse. Da der Grundstücksbesitzer von dem Falschparker die sofortige Beseitigung der Störung verlangen und den Anspruch auch im Wege der Selbsthilfe durchsetzen kann, konnte S das Fahrzeug abschleppen lassen, ohne abzuwarten, dass A das Fahrzeug selbst entfernt. Der wirkliche Wille des A lässt sich hier nicht feststellen. A hat ihn weder ausdrücklich, noch konkludent geäußert.

6. Das Abschleppen des Fahrzeugs entsprach aber dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des A (§ 683 S. 1 BGB).

Ja!

Da der wirkliche Wille des A nicht festzustellen ist, kommt es entscheidend auf seinen mutmaßlichen Willen an. Das ist derjenige Wille, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme geäußert haben würde. Oft wird der mutmaßlicher Wille durch das objektive Interesse des Geschäftsherrn indiziert. Doch sind die Gewohnheiten des Geschäftsherrn auch dann zu berücksichtigen, wenn sie interessewidrig sind. BGH: Da die Entfernung des Fahrzeuges im objektiven Interesse der Beklagten lag, entspreche dies auch dem mutmaßlichem Willen des A.
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Eine Besprechung von:
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