"Täter hinter dem Täter" 1 – Vermeidbarer Verbotsirrtum beim Werkzeug
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
H bringt den leichtgläubigen Polizeibeamten T dazu, an die Existenz des „Katzenkönigs“ zu glauben. Dieser würde Millionen von Menschen vernichten, wenn ihm nicht ein Menschenopfer dargeboten werde. Daher verübt T – wie von H geplant - ein Messerattentat auf die O und tötet sie.
Einordnung des Falls
"Täter hinter dem Täter" 1 – Vermeidbarer Verbotsirrtum beim Werkzeug
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch das Messerattentat auf O handelte T sowohl tatbestandsmäßig als auch rechtswidrig bezüglich eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).
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Ja!
2. T handelte bezüglich des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) ohne Schuld.
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Nein, das ist nicht der Fall!
3. Obwohl T volldeliktisch handelte, ist H nach der Rspr. mittelbarer Täter (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB).
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Ja, in der Tat!
4. Indem die H bei T die Vorstellung vom „Katzenkönig“ erzeugte, hat sie sich nach Ansicht des BGH und der h.M. wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.
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Vulpes
8.1.2021, 10:44:28
Bester Fall 👍 Kann sich echt keiner ausdenken sowas 🦄

Eigentum verpflichtet 🏔️
8.1.2021, 11:07:41
😉

Der BGBoss
8.1.2021, 11:42:45
Hier ist auch die Ermittlungshistorie sehr interessant, kann ich bei Interesse nur empfehlen. 👍🏼
Waltrop
22.2.2021, 20:49:34
Warum ist das Verhalten des T kein ETBI ?

Speetzchen
22.2.2021, 21:31:00
Beim ETBI muss sich der T einen SV vorstellen, den der Rechtanwender (nicht der T) unter den obj. TB eines Rechtfertigungsgrundes subsumieren kann. Kein Rechtsanwender würde den Katzenkönig unter Gefahr i.S.d. § 34 StGB subsumieren. Zudem ist § 34 schon nicht gegeben, da es keine Abwägung Leben gegen Leben gibt lg 😹
Machegenga
5.3.2021, 22:37:49
@Speetzchen: Dass auch nach der irrigen Vorstellung des T die Anwendung des § 34 wegen nichtakzeptabler Abwägung Leben gegen Leben ausfällt, verstehe ich 👍🏻 Darüber hinaus verstehe ich dich so, dass der ETI schon ausfalle, weil die von T imaginierten Umstände bereits keine Notstandslage i.S.d. § 34 StGB darstellen. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen: T glaubt, der „Katzenkönig“ bedrohe die Leben von „Millionen von Menschen“. Ist damit nicht nach T‘s Vorstellung eine gegenwärtige Gefahr i.S.d. §34 gegeben? Die Abwegigkeit dieser angenommenen Gefahr sollte ja für den ETI zunächst keine Rolle spielen?

Speetzchen
5.3.2021, 23:51:20
@Machegenga, Hey ! Bei dem ETBI muss ein objektiver Dritter (der objektive Rechtsanwender), die Situation als Gefahr einschätzen. Dieser würde ja schon gar nicht an die Existenz eines Katzenkönigs glauben, sodass auch keine Gefahr vorliegen kann. Zwar sind irrige Umstände im Rahmen des ETBI zunächst unerheblich, die können aber nicht gänzlich lebensfremd sein. Ich hoffe das ist verständlich! Lg
Waltrop
6.3.2021, 00:17:21
Wäre das dann anders, wenn dieser Befehl aus seiner Sicht von Gott ausgegangen wäre?

Speetzchen
8.3.2021, 22:28:30
@Waltrop i.E. wäre es bestimmt nicht verkehrt den ETBI in einem solchen Fall anzuprüfen, jedoch ändert das an der Strafbarkeit nicht, da in einem solchen Fall der § 34 StGB nicht gegeben ist. 🙋
QuiGonTim
18.4.2022, 19:43:53
Müsste man, wenn man in der Klausur auf einen „Täter hinter dem Täter“-Fall stößt, die Anwendbarkeit dieser Rechtsfigur diskutieren? Welche Argumente müssten ggf. angeführt werden?

Lukas_Mengestu
21.4.2022, 18:37:42
Hallo QuiGonTim, die Existenz der Figur des Täters hinter dem Täter ist heutzutage in eng umgrenzten Fällen anerkannt. Nichtsdestotrotz ist hierzu in der Klausur auf jeden Fall kurz Stellung zu nehmen. Denn diese Figur weicht von dem grundsätzlich geltenden Verantwortungsprinzip ab. Dieses besagt, dass die Täterschaft des Hintermannes endet, wo die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Tatmittlers beginnt. Diejenigen, die den Täter hinter dem Täter unter Verweis auf dieses Prinzip ablehnen, wollen diese Fälle stattdessen über die Mittäterschaft oder Anstiftung lösen (Nachweise bei Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, 50.A. 2020, RdNr. 852). Die herrschende Meinung begründet die Annahme der mittelbaren Täterschaft damit, dass in eng umgrenzten Fällen die Werkzeugsqualität des Vordermanns aus seiner Austauschbarkeit resultiert. Die wesentliche Steuerung der konkreten Tat erfolgt dagegen durch den Befehlsgeber kraft seiner Organisationsherrschaft (zB NS-Regime, DDR). Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB steht dem auch nicht entgegen, da dieser lediglich eine Begehung "durch einen anderen" verlangt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Blotgrim
24.6.2023, 18:53:12
Bei diesen Konstellation der Organisationsherrschaft geht es ja um die Austauschbarkeit des Werkzeuges. Liegt die hier vor? Ich kann mir ehrlich gesagt schwer vorstellen, dass man einfach so wen findet der die Story glaubt 😅. Ich habe ehrlich gesagt so meine Bauchschmerzen mit dem Ergebnis, aber vielleicht verstehe ich die Argumentation noch nicht so ganz

lennart20
25.6.2023, 21:19:18
Hallo Blotgrim, bei der der Frage, ob ein ein Hintermann bei einem volldelitkisch handelnder Täter die mittelbare Täterschaft nach § 25 I Var. 2 StGB greift ist umstritten. Teilweise wird in der Literatur das Verantwortungsprinzip vertreten, wodurch eine solche mittelbare Täterschaft ausscheiden müsste. Indes wird häufig die Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“ vertreten, wodurch es grundsätzlich möglich ist, dass sich ein solcher Hintermann nichtsdestoweniger strafbar machen kann. Vorliegend handelt es um die Fallgruppe des vermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB), präziser gesagt erliegt T einem sogenannten „Doppelirrtum“, welcher gemäß dem Tatbestand des § 17 StGB behandelt wird. Die Fallgruppe der Organisationsherrschaft ist bei einer solchen Konstellation nicht einschlägig, sondern nur, wenn es um die Strafbarkeit um „Schreibtischtäter“ in einem Unrechtsstaat geht (NS, DDR, Mafia). Hier kommt es nach der Literatur entscheidend darauf an, dass der Vordermann beliebig austauschbar war (man spricht auch von der Fungibilität). Dies ist indes kein Kriterium der Fallgruppe des vermeidbaren Verbotsirrtums.