"Täter hinter dem Täter" 2 – Ausübung von Zwang unterhalb der Schwelle des § 35 StGB


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H droht seiner Geliebten T mit Trennung, falls diese nicht ihren Ehemann E töte. T gibt dem Verlangen des H nach.

Einordnung des Falls

"Täter hinter dem Täter" 2 – Ausübung von Zwang unterhalb der Schwelle des § 35 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T befindet sich in einem entschuldigenden Notstand nach § 35 Abs. 1 StGB. Sie ist daher nicht Täterin eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Indem T den E tötete, hat sie den Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB vorsätzlich und rechtswidrig verwirklicht. Sie könnte jedoch durch den von H ausgeübten Druck gem. § 35 Abs. 1 StGB entschuldigt sein. Der von H ausgeübte Druck erreicht jedoch nicht die von § 35 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Intensität. Daher handelte die T auch schuldhaft und hat sich wegen Totschlags gem. § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

2. T handelte volldeliktisch. Daher scheidet nach hM in jedem Fall eine mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) des H aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) setzt nach der Rspr und hL (1) in der Regel voraus, dass (a) der Tatmittler ein "Defizit" hat, d.h. bei diesem auf der Tatbestands-, Rechtswidrigkeits- oder Schuldebene ein Strafbarkeitsmangel vorliegt und (b) der Hintermann Tatherrschaft bzw. Täterwillen hat. (2) Alternativ liege mittelbare Täterschaft auch ohne Defizit des Tatmittlers in den Konstellationen des „Täters hinter dem Täter“ vor, d.h. bei (a) der Ausnutzung von Irrtümern über den Handlungssinn, die sich nicht auf die Strafbarkeit des Tatmittlers auswirken, und (b) der Organisationsherrschaft. Nur eine Mindermeinung schließt es generell aus, einen vollverantwortlichen Täter zugleich als Werkzeug eines anderen zu sehen (Verantwortungsprinzip).

3. Durch die Drohung und Ausübung von Zwang gegenüber T hat H Nötigungsherrschaft und sich daher nach überwiegender Auffassung wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das trifft nicht zu!

Nötigungsherrschaft entsteht, wenn der Hintermann den Tatmittler zur Tatbegehung zwingt, ihm gewissermaßen „seinen Willen aufdrückt”: (1) Befindet sich der Tatmittler in einem entschuldigenden Notstand nach § 35 Abs. 1 StGB, fungiert er angesichts des ihm auferlegten massiven Zwangs als bloßes „Werkzeug“ des Hintermannes. (2) Nach hM hat der Gesetzgeber in § 35 StGB jedoch die Grenze gezogen, ab der der Tatmittler aufgrund von Zwang als unfreies Werkzeug erscheint. Unterhalb der dort genannten Grenze werde der Vordermann nicht in seinem Willen beherrscht. Die Auslegung des § 35 StGB ergebe, dass der Betroffene einem solchen Zwang standhalten muss. Die Tatveranlassung durch bloßen, keinen Nötigungsnotstand begründenden rechtswidrigen Zwang führe somit nicht zu mittelbarer Täterschaft. Nur vereinzelt wird auch im Grenzbereich der Entschuldigungsgründe bzw. bei jedwedem rechtswidrigen Zwang i.S.e. Nötigung (§ 240 StGB) eine mittelbarere Täterschaft angenommen.T hätte dem Druck vorliegend standhalten müssen.

4. Nach hM hat sich H wegen Anstiftung zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

Ja!

Eine vorsätzliche rechtswidrige Tat liegt mit dem Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB) an E durch T vor. Auch hat H in T den Tatenentschluss zur Begehung hervorgerufen und sie somit zu dieser Tat bestimmt. Da er dabei vorsätzlich sowohl bezüglich der Tat als auch des Bestimmens (sog. doppelter Anstiftervorsatz) und im Übrigen rechtswidrig und schuldhaft handelte, hat er sich wegen Anstiftung zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

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