Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Misshandlung von Schutzbefohlenen, § 225 StGB

Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 1 Var. 2 StGB: Rohe Misshandlung

Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 1 Var. 2 StGB: Rohe Misshandlung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist auf seine achtjährige Tochter O eifersüchtig, die ihm seiner Meinung nach seine Frau wegnimmt. Er hat Freude daran, O zu schlagen, ihr an den Haaren zu reißen und mit trockenem Brot den Mund vollzustopfen. Länger andauernde Schmerzen oder Leiden hat O nicht.

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Einordnung des Falls

Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 1 Var. 2 StGB: Rohe Misshandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat O "gequält" (§ 225 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Quälen ist das Zufügen von Leid oder länger andauernden oder sich wiederholenden Schmerzen körperlicher oder seelischer Art. BGH: Länger andauernde Schmerzen oder Leiden, die über die typischen Auswirkungen einer Körperverletzungen durch Schläge hinausgingen, seien hier nicht ersichtlich (RdNr. 5).
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2. Eine rohe Misshandlung (§ 225 Abs. 1 Var. 2 StGB) liegt vor, wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert.

Ja, in der Tat!

Der Begriff der Misshandlung in § 225 Abs. 1 StGB entspricht demjenigen in § 223 Abs. 1 StGB. Roh wird die Misshandlung erst dadurch, dass sie erheblich ist sowie aus einer gegen die Leiden gleichgültigen Gesinnung heraus erfolgt (als besonderes subjektives Element im subjektiven Tatbestand zu prüfen). Eine gefühllose Gesinnung liegt vor, wenn der Täter bei der Misshandlung das - notwendig als Hemmung wirkende - Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und verständlich Denkenden eingestellt haben würde. Das ist weniger als Grausamkeit. Die Gefühllosigkeit muss keine dauerhafte Charaktereigenschaft sein, sondern nur während der Tathandlung vorliegen. Große Erregung spricht tendenziell gegen Gefühllosigkeit. Es kann aber auch beides miteinander einhergehen.

3. T hat O "roh misshandelt" (§ 225 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Ja!

Indem T die O geschlagen, ihr an den Haaren gerissen und ihren Mund mit trockenem Brot vollgestopft hat, hat er sie so übel und unangemessen behandelt, dass ihr körperliches Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt worden ist. Dies erfolgte auch durch ein mitleidloses und gefühlloses Verhalten des T.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CLA

clarasbr

21.4.2022, 10:39:48

Wieso wurde das Quälen abgelehnt? Könnte man es hier nicht unter Leiden körperlicher oder seelischer Art subsumieren oder muss dieses Leiden auch länger dauernd sein?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.4.2022, 18:58:06

Hallo clarasbr, bei mehreren sich wiederholenden Körperverletzungshandlungen vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass hier über die einzelnen Verletzungshandlungen ein gesteigerter Unrechtsgehalt erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 2016, 472). Dieser muss sich gerade aus der Wiederholung der Handlung ergeben. Der BGH nimmt hier eine Gesamtbetrachtung vor. Das hier beschriebene Verhalten wäre grundsätzlich bei entsprechender Wiederholung wohl durchaus geeignet diesen gesteigerten Unrechtsgehalt aufzuweisen. Im konkreten Originalfall hatte der BGH diesen Unrechtsgehalt ausweislich der Feststellungen der Ausgangsinstanz für (noch) nicht gegeben erachtet. In unserem Fall ergibt sich dies aus dem letzten Teil des Sachverhaltes. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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