Allgemeinbildung Recht

Strafrecht

Mord und Totschlag

Strafrecht AT | Vorsatz | Koinzidenz- / Simultanitätsprinzip (dolus subsequens bei Schießübung)

Strafrecht AT | Vorsatz | Koinzidenz- / Simultanitätsprinzip (dolus subsequens bei Schießübung)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A schießt im Wald auf Bäume, um für die anstehende Schützenmeisterschaft zu trainieren. Er weiß nicht, dass seine Frau E dort gerade Pilze sucht. Als A sie durch ein Versehen tödlich trifft, ist er hocherfreut, da er sie schon länger für ein lästiges Übel hielt.

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Einordnung des Falls

Strafrecht AT | Vorsatz | Koinzidenz- / Simultanitätsprinzip (dolus subsequens bei Schießübung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A kann nur wegen Totschlags (§ 212 StGB) an E bestraft werden, wenn er die E vorsätzlich getötet hat.

Ja!

Richtig! "Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht" (§ 15 StGB). Vorsätzliche Tötungen werden nach § 212 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft. Wer "nur" fahrlässig tötet, d.h. ohne Vorsatz, wird nach § 222 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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2. A ist über den Tod der E hocherfreut. Er hat sie demnach vorsätzlich getötet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB muss der Vorsatz "bei Begehung der Tat“ vorliegen. Tathandlung und Vorsatz müssen also gleichzeitig vorliegen. A hatte beim Schießen nicht den Willen und das Wissen, die E zu töten. Dass er sich nach der Tathandlung über ihren Tod freut, spielt für den Vorsatz bei Begehung der Tat keine Rolle. In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB). Dazu muss ein Gericht den Sachverhalt weiter ermitteln, insbesondere ob es vorhersehbar war, dass A die E treffen könnte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Alex

20.7.2020, 08:26:52

Ich vermisse das eigentlich relevante Koinzidenzprinzip aus § 8 S. 1 StGB des Falls und die Begriffe

dolus subsequens

dolus antecedens

bei der letzten Antwort.

Marilena

Marilena

23.7.2020, 10:09:35

Hi Alex, danke für Deinen Hinweis! Wir stimmen Dir zu, dass man die Begriffe hier gut anführen kann. Wir beabsichtigen allerdings, bei den Fällen zur Allgemeinbildung Recht möglichst allgemeinverständliche Hinweistexte zu veröffentlichen, die eben nicht möglichst viele Fachtermini enthalten, die der juristische Laie sich eh nicht merken wird/möchte.

Pilea

Pilea

4.1.2023, 12:45:31

Schlägt sich das nachträgliche Freuen irgendwie nieder, zB in der Strafzumessung?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.1.2023, 15:19:26

Hallo Pilea, die Grundsätze der Strafzumessung ergeben sich aus § 46 StGB. Hierzu gehört auch explizit das Nachtatverhalten des Täters (§ 46 Abs. 2 Var. 6 StGB), sodass die rechtsfeindliche Gesinnung die sich durch das "Freuen" zeigt, durchaus strafschärfend berücksichtigt werden kann. Wichtig ist aber, dass die äußerste Grenze der Strafzumessung aber die Schuld des Täters bleibt (§ 46 Abs. 1 StGB), d.h. im Hinblick auf den Strafrahmen der Fahrlässigkeitstat ändert sich nichts. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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