Aufrechnungslage: fehlende Fälligkeit

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A hat genug vom Sommer und kauft sich bei B ein neues Snowboard für € 500. Da A gerade dabei ist, Bs Garten zu bepflanzen (Wert €500), will sie aufrechnen.

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Einordnung des Falls

Aufrechnungslage: fehlende Fälligkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass A ihr den vereinbarten Kaufpreis zahlt (§ 433 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Mit Abschluss eines Kaufvertrages ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen (§ 433 Abs. 2 BGB). A und B haben einen Kaufvertrag über das Snowboard abgeschlossen. B war somit verpflichtet, den Kaufpreis an A zu zahlen.
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2. Bs Anspruch könnte durch Aufrechnung der A mit ihrer Werklohnforderung (§ 631 Abs. 1 BGB) erloschen sein (§ 389 BGB).

Ja!

Die Aufrechnung setzt eine Aufrechnungslage (§§ 387, 390 BGB) und eine Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) voraus. Zudem darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein (§§ 392-394 BGB).

3. Die Forderungen von A und B sind gegenseitig und gleichartig.

Genau, so ist das!

Die Forderungen sind gegenseitig, wenn jede Partei zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen ist. Gleichartig sind sie, wenn sie der gleichen Gattung angehören. A und B schulden sich gegenseitig Geld aus einem Werkvertrag (§ 631 Abs. 1 BGB) bzw. Kaufvertrag (§ 433 Abs. 2 BGB), also gleichartige Forderungen.

4. As Werklohnforderung ist fällig (§ 641 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Bei Abschluss eines Werkvertrages ist der Werklohn nicht bereits mit Vertragsabschluss fällig. Die Vergütung ist vielmehr erst bei der Abnahme des Werkes zu entrichten (§ 641 Abs. 1 S. 1 BGB).A hat das vereinbarte Werk (Bepflanzung des Gartens) noch nicht fertiggestellt. B hat die Arbeiten deshalb noch nicht abgenommen (§ 640 Abs. 1 BGB). Damit ist der Werklohn noch nicht fällig (§ 641 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tobias Rexler

Tobias Rexler

26.6.2022, 16:14:17

Wenn nun A die Zahlung verweigert (und ggf. in Verzug gerät) und die Gartenarbeiten fertigstellt, kann Sie dann aufrechnen? Oder müssen die gegenseiten Forderungen hierfür (stets) bereits im gleichen Zeitmoment fällig sein? Falls Sie aufrechnen könnte, ist hier an eine Korrektur isv 242 zu denken, um die Motivation eines absichtlichen Verzugs um eine Aufrechnungslage herbeizuführen, zu verhindern?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.6.2022, 17:53:24

Hallo Tobias, sobald A die Gartenarbeiten fertiggestellt hat und dies abgenommen wurden, liegt eine Aufrechnungslage vor. In der Tat könnte sie ab diesem Moment aufrechnen. Wichtig: Es müssen nicht beide Forderungen fällig sein! Für die Aufrechnung genügt es, wenn die Gegenforderung des Aufrechnenden (hier: Werklohnforderung der A) fällig ist. Die Hauptforderung (Kaufpreisforderung der B) muss lediglich erfüllbar sein. Wenn also vereinbart gewesen wäre, dass A erst im Winter zahlt und ihre Gartenarbeiten bereits im August abgenommen wurden, hätte sie schon im August die Aufrechnung erklären können, obwohl die gegen sie gerichtete Forderung erst im Winter fällig wäre. Im Hinblick auf das "absichtliche Verzögern" der Zahlung ist der Gläubiger bereits durch die Regelungen des Verzugs (§§ 280 I, II, 286, 288 BGB) hinreichend geschützt. Insbesondere müsste A hier bei Eintritt des Verzuges für die verspätete Zahlung Zinsen zahlen (§ 288 I BGB). Wenn sie dies in Kauf nimmt, kann sie natürlich den Eintritt der Aufrechnungslage durch eine Zahlungsverzögerung absichtlich herbeiführen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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