Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2019
Veröffentlichung von Versammlungsfotos auf Social Media durch Polizei
Veröffentlichung von Versammlungsfotos auf Social Media durch Polizei
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Polizistin P fertigt Fotos von einer Versammlung an und veröffentlicht sie anschließend auf dem Twitter-Account der Polizei. Auf den Fotos ist auch T zu sehen. T ist empört. Obwohl P die Fotos zwischenzeitlich gelöscht hat, will T gerichtlich feststellen lassen, dass das Handeln der P rechtswidrig war.
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Einordnung des Falls
Veröffentlichung von Versammlungsfotos auf Social Media durch Polizei
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Statthafte Klageart ist hier die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Für das Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 Hs. 2 VwGO) bei einem vergangenen Rechtsverhältnis ist jedes schutzwürdige Interesse der Klägerin ausreichend.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die Feststellungsklage (§ 43 VwGO) der T ist begründet, wenn das Anfertigen der Fotos und deren Veröffentlichung rechtswidrig war.
Ja, in der Tat!
4. Das bloße Fotografieren einer Versammlung ist noch kein Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG).
Nein!
5. Das Anfertigen der Fotos durch P, um sie anschließend auf dem Twitter-Account der Polizei zu publizieren, ist ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG).
Genau, so ist das!
6. Die Versammlungsfreiheit kann für Versammlungen unter freiem Himmel nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden (Art. 8 Abs. 2 GG).
Ja, in der Tat!
7. Grundsätzlich gilt die „Polizeifestigkeit“ von Versammlungen, d.h. behördliche Maßnahmen gegen Versammlungen richten sich in erster Linie nach dem einschlägigen Versammlungsgesetz.
Ja!
8. Das VersG trifft keine Regelung zur Anfertigung von Bildaufnahmen von Versammlungen, sodass sich die Ermächtigungsgrundlage hier aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht ergeben kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Die Maßnahmen der P können auf §§ 19a, 12a Abs. 1 VersG gestützt werden und sind damit rechtmäßig.
Nein, das trifft nicht zu!
10. Die Maßnahme kann aber auf die grundsätzliche Zulässigkeit staatlichen Informationshandelns gestützt werden und ist deshalb rechtmäßig.
Nein!
11. Die Feststellungsklage der T (§ 43 VwGO) ist begründet und hat Erfolg.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
medoLaw
28.1.2022, 08:12:39
Die
Feststellungsklageist doch subsidiär zur Leistungsklage gem § 43 VwGO. In eurem (vereinfachten) Sachverhalt steht aber nichts davon, dass die Bilder schon gelöscht worden sind. Solange das nicht geschehen ist, würde T doch diese Bilder löschen lassen wollen, so dass eine allgemeine Leistungsklage statthaft wäre? Oder übersehe ich etwas?
Lukas_Mengestu
28.1.2022, 18:56:17
Vielen Dank für den Hinweis, medoLaw. Wir haben nun im Sachverhalt klargestellt, dass - wie im Originalfall - die Bilder gelöscht wurden. Wären diese noch online, so wäre in der Tat die Leistungsklage in Form einer Unterlassungsklage vorrangig. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
27.5.2022, 00:02:45
Ihr fragt zuerst, ob das Fotografieren an und für sich einen Eingriff darstellt und bejaht's und dann, ob das Fotografieren und Hochladen einen Eingriff darstellt.
Lukas_Mengestu
31.5.2022, 18:43:53
Hallo Philipp, vielen Dank für den Hinweis. In der Tat liegt hierin eine gewisse Doppelung. Der Unterschied liegt hier darin, dass zunächst abstrakt danach gefragt wird, ob allein Fotografieren schon Eingriffscharakter hat. Dies ist der Fall. Abgegrenzt wird insoweit von Überwachungsmaßnahmen (ohne Aufzeichnung). In der darauffolgenden Frage wird dann unter die konkrete Handlung im vorliegenden Fall subsumiert. Bereits das Fotografieren hätte (wie davor gezeigt) für einen Eingriff genügt. Der Eingriff wurde durch das Hochladen dann aber noch einmal verstärkt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
An
11.12.2023, 00:49:20
Moin @[Lukas_Mengestu](136780) ich fand die Formulierung nicht mehr so klar. Für mich hat der link zu staatlichem Handeln bei der Frage gefehlt, es macht ja schon einen unterschied, wer fotografiert. In den Fällen werden ja immer wieder auch abstrakte Fragen gestellt, mit so einer habe ich diese hier verwechselt. Ggf. könnt ihr nochmals präzisieren?
Isa20
22.9.2024, 20:39:57
Linne_Karlotta_
23.9.2024, 08:14:20
Hallo @[Isa20](204020), danke für Deine Frage. In der Tat wäre bei einer unzulässigen Bildaufnahme auch an das
APRin seiner Ausprägung des „Rechts am eigenen Bild“ zu denken. Der Schwerpunkt des Falles lag aber bei der Frage, ob §§ 19a, 12a Abs. 1 VersG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den vorgenommenen Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist. Weil dies nicht der Fall ist, ist die Maßnahme schon deswegen rechtswidrig. Es kommt also nicht mehr darauf an, ob das polizeiliche Handeln auch unrechtmäßigerweise das
APRder betroffenen Person eingeschränkt hat. Man hätte das
APRaber dennoch i.R.d.
Klagebefugnisals möglicherweise betroffenes Grundrecht neben Art. 8 Abs. 1 GG nennen können. Weil die Maßnahme aber bereits mangels einschlägiger Rechtsgrundlage rechtswidrig ist, würde man in der Begründetheit gar nicht mehr auf das
APRzu sprechen kommen. Wenn es eine Rechtsgrundlage gegeben hätte, wäre das
APRneben der Versammlungsfreiheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (bei der Angemessenheit) zu berücksichtigen und gegen das Interesse der Öffentlichkeit an der Bildaufnahme abzuwägen gewesen. Je nachdem, welcher Zweck mit den Bildern verfolgt wird, wäre die Maßnahme unverhältnismäßig und aus diesem Grund rechtswidrig. Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team