Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Erlöschen des Schuldverhältnisses
Aufrechnungslage: Fehlende Durchsetzbarkeit (Spiel, Wette)
Aufrechnungslage: Fehlende Durchsetzbarkeit (Spiel, Wette)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von ihrer Freundin F eine Yucca-Palme im Wert von €50. Bezahlen will sie später. Abends treffen sie sich zu einer Pokerrunde, an deren Ende F der K €50 schuldet. K möchte aufrechnen.
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Einordnung des Falls
Aufrechnungslage: Fehlende Durchsetzbarkeit (Spiel, Wette)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. F hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass K ihr den vereinbarten Kaufpreis zahlt (§ 433 Abs. 2 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Fs Anspruch könnte durch Aufrechnung der K in Höhe von €50 erloschen sein (§ 389 BGB).
Genau, so ist das!
3. Aufgrund der Spielschulden steht K gegen F eine durchsetzbare Forderung zu.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jonas Neubert
17.6.2022, 07:37:51
Ist es nicht so, dass private Echtgeld Glücksspiele sowieso verboten sind?
Lukas_Mengestu
17.6.2022, 18:15:12
Hallo Jura Aktuell, in der Tat stellt § 284 StGB das öffentliche Glücksspiel unter Strafe. Dazu zählt nach § 284 Abs. 2 StGB auch das regelmäßige Glückspiel in geschlossenen Gesellschaften, wenn die Zusammenkunft regelmäßig und ohne besonderen Anlass oder individuelle Initiative stattdindet (BeckOK StGB/Hollering, 53. Ed. 1.5.2022, StGB § 284 Rn. 22). Wir haben insoweit den Hinweis entfernt, dass es sich hier um eine wöchentliche Pokerrunde handelt. Gelegentliche Zusammenkünfte im Freundeskreis, die nicht regelmäßig stattfinden, fallen nicht unter § 284 Abs. 2 StGB. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
DGR
22.6.2022, 18:45:02
Ich hätte eine Frage zum Vertiefungshinweis: Ist eine Aufrechnung hier überhaupt möglich, selbst wenn F die Schulden als „
Ehrenfrau“ begleichen möchte, denn eine Aufrechnungslage ist ja eigentlich nicht gegeben, da rechtlich betrachtet die F der K ja eigentlich nichts schuldet?
Lukas_Mengestu
23.6.2022, 15:52:52
Hallo Senpal, richtig ist, dass eine Wettschuld kein Forderungsrecht des Gläubigers begründet. Die Hauptforderung gegen die aufgerechnet wird, muss indes lediglich erfüllbar sein. Es ist nicht erforderlich, dass sie vollwirksam und fällig ist. Aus diesem Grund ist unstreitig, dass gegen
unvollkommene Verbindlichkeiten (=können erfüllt, aber nicht eingeklagt werden, auch "Naturalobligation" genannt) eine Aufrechnung möglich ist (BeckOGK/Skamel, 1.4.2022, BGB § 387 Rn. 131; Grüneberg/Grüneberg, 81.A. 2022, BGB, § 387 RdNr. 12). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Daniel
1.12.2022, 12:42:02
Verständnisfrage (Abwandlung): Wenn die andere Seite aufrechnen wollen würde, wäre das nicht möglich, richtig? Aber könnte das Ergebnis (Erlöschen des Kaufpreiszahlungsanspruchs und begleichen der "
Ehrenschulden") durch Annahme an Erfüllungs statt oder ähnliches erreicht werden? Wenn ja, dürfte das auch
konkludentmöglich sein, wenn sich unter juristischen Laien auf eine rechtlich unmögliche "Aufrechnung" eingelassen wird, oder?
Nora Mommsen
1.12.2022, 13:03:46
Hallo Daniel, wenn K aufrechnen will geht das nicht. Würde F aufrechnen wollen ginge das durchaus, denn eine Kaufpreisforderung ist eine durchsetzbare - also erzwingbare Forderung. Eine zweiseitige Einigung über das Erlöschen ist durchaus möglich, nur das einseitige Gestaltungsrecht der Aufrechnung erfordert auch eine durchsetzbare Forderung. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
lennart20
7.7.2023, 12:23:11
Stichwort:
unvollkommene Verbindlichkeiten bzw. Naturalobligationen. Die Schuld besteht ohne Haftung.
Jenny
12.10.2023, 15:20:23
Daher heißt es auch Spielschulden sind
Ehrenschulden, weil kein Anspruch auf Zahlung der Schulden besteht? Wenn man aber ein Glücksspiel spielt, Casino, hat der Spielbetreiber dann auch kein Forderungsrecht auf die verlorene Summe?
Jenny
12.10.2023, 17:27:27
Sind Spiel und Wettschulden das gleiche?
Lukas_Mengestu
13.10.2023, 17:59:30
Hallo Jenny, die beiden Begriffe unterscheiden sich entsprechend des Vertragszwecks. Zweck des Spiels ist die Erzielung eines Vermögensvorteils zu Lasten anderer Beteiligter. Die Vertragspartner gestehen sich alternativ einen Gewinn zu, der, wie im Fall des Glücksspiels, an den Eintritt eines zufälligen Ereignisses geknüpft wird oder, wie beim Geschicklichkeitsspiel , von zielgerichteter Tätigkeit eines Mitspielers oder von beidem abhängt. Die Wette dient dagegen der Bekräftigung eines ernst gemeinten Meinungsstreits; wer Unrecht hat, soll durch einen Nachteil bestraft, wer Recht hat, durch einen Vorteil belohnt werden. (MüKoBGB/Habersack, 8. Aufl. 2020, BGB § 762 Rn. 7) Die Unterscheidung hat auch praktische Relevanz. Während bestimmte Spielformen durchaus verbindlich sind (vgl. Lotterie- und Ausspielvertrag, § 763 BGB), so sind Wettschulden nie einklagbar. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lukas_Mengestu
13.10.2023, 18:04:13
P.S.: Irreführend ist in dem Kontext u.a. die Sport"Wette". Bei Behauptungen, die der Zukunft angehören, handelt es sich idR um Spiel, da der vorwiegende Zweck nicht in der Bekräftigung einer Behauptung besteht, sondern in der Unterhaltung oder der Erzielung eines Gewinns. Renn-, Sport- und Spielwetten sind daher unabhängig von der von den Parteien gewählten Bezeichnung Spiel. (BeckOK BGB/Janoschek, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 762 Rn. 4)