Bezahlung fremder Schuld - Bürgenregress
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M hat von V eine Wohnung gemietet. Vor Abschluss des Mietvertrags hat sich Ms reiche Freundin F für Ms Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis verbürgt. Als M eines Tages die fällige Miete nicht aufbringen kann, zahlt F diese und verlangt wenig später den Betrag von M zurück.
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Einordnung des Falls
Bezahlung fremder Schuld - Bürgenregress
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Sowohl M als auch F waren zur Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis beziehungsweise zur Zahlung der Miete verpflichtet.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem F die Miete für M bezahlte, ist der Mietzinsanspruch des V gegen M (§ 535 Abs. 2 BGB) in gleicher Höhe auf F übergegangen.
Ja, in der Tat!
3. Indem F die Miete für M bezahlte, hat sie ein Geschäft des M geführt.
Nein!
4. Indem sich F gegenüber V für die Verbindlichkeiten des M aus dem Mietverhältnis verbürgte, hat sie ein Geschäft des M geführt.
Genau, so ist das!
5. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.
Ja, in der Tat!
6. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.
Ja!
7. Die Übernahme der Bürgschaft stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Genau, so ist das!
8. F hat einen Aufwendungsersatzanspruch gegen M aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Edward Hopper
27.7.2022, 21:14:33
Ist bei der zweiten Frage nicht ein Fehler? Da wird gesagt die F habe ein eigenes Geschäft besorgt, da es zu einer Legalzession kam. Wieso wird dann später eine Goa bejaht?
Lukas_Mengestu
28.7.2022, 20:10:14
Hallo Edward, hier musst Du genau differenzieren. Die anfängliche ÜBERNAHME der Bürgschaft stellt hier das fremde Geschäft dar, aus dem dann später auch der
Aufwendungsersatzanspruchresultiert. Die BEGLEICHUNG der Bürgschaft stellt dagegen allein ein Geschäft der F dar, da sie hierdurch gegenüber V von ihrer Verpflichtung aus § 765 BGB befreit wird. Ist es jetzt klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sniter
21.12.2023, 19:26:41
Hallo, ich sehe das anders: Sicher geht die Forderung (Gläubiger gegen Hauptschuldner) durch die Zahlung des Bürgen auf den Bürgen über, was dazu führt, dass die Tilgung durch den Bürgen im Rechtskreis des Bürgen spielt. Aber durch die Tilgung wird auch eine Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erfüllt, was dem Hauptschuldner zugute kommt und dementsprechend in seinem Rechtskreis spielt. Ich denke, dass die Tilgung ein auch-fremdes Geschäft ist
Jopies
1.2.2024, 12:25:29
Das ist eben nicht ganz richtig. Der Bürge begleicht eine eigene Schuld aus seinem
Bürgschaftsvertrag. Die Schuld des Hauptschuldners bleibt ungetilgt, es kommt nur zu einem Gläubigerwechsel.
Johanna K
1.2.2024, 12:26:08
Ich verstehe eine Sache nicht ganz... Vielleicht habe ich auch nur einen Gedankenhänger oder noch zu wenig Systemverständnis. Aber warum liegt denn hier ein Fremdgeschäftsführungswille vor? Die Bürgschaft ist doch vielmehr dazu da, eine eigene Verpflichtung zu erfüllen. Demnach erfülle ich doch die Zahlungspflicht aus meiner Bürgschaft nur, weil ich selbst mich dazu verpflichtet habe für den Schuldner einzustehen. Das tue ich natürlich, um dem Schuldner beizustehen und gewisse Positionen zu ermöglichen, aber die Zahlung der Bürgschaftsverpflichtung als solche tue ich doch, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten. Oder wie kann ich das verstehen? Ich bedanke mich ganz herzlich!
Paul
1.2.2024, 15:21:38
Hallo Johanna, es ist etwas tricky, aber du musst hier ganz genau trennen. Die Leistung auf die Bürgschaft erbringe ich tatsächlich aus einem eigenen Antrieb, meiner vertraglichen Verpflichtung aus der Bürgschaft nachzukommen. Diese bezieht sich auf Erfüllung meiner bereits bestehenden Bürgschaftsverpflichtung. Jedoch besteht im Dreiecksverhältnis zwischen Hauptschuldner, Bürgen und Gläubiger ein
Deckungsverhältniszwischen Bürgen und Hauptschuldner. In diesem lässt sich bestimmen, welches Verhältnis zwischen den Beiden zu der Übernahme, also zum Vertragsschluss der Bürgschaft, geführt hat. Dies kann bspw. ein Auftrag, eine
Geschäftsbesorgungoder eben eine GoA sein. Dabei stellt das fremde Geschäft die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung dar, denn diese dient dem Hauptschuldner. Im Falle der GoA wird dann der Fremdgeschäftsführungswillen bei objektiv fremden Geschäften vermutet. Du musst also unterscheiden zwischen dem Eingehen des
Bürgschaftsvertrags und der ggf. anschließenden Erfüllung dieser Verpflichtung. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.
Johanna K
1.2.2024, 17:11:35
Ahhh okay. Also aufgrund des tatsächlichen Handelns der Übernahme einer Bürgschaft, kann sich die GoA NATÜRLICH ergeben. So weit hab ich nicht gedacht, oh man. Das verstehe ich nun, ich bedanke mich dafür!
Leo Lee
3.2.2024, 19:24:12
Hallo Johanna, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Wie Paul völlig zurecht anmerkt, ist es bei der Bürgschaft in der Tat etwas tricky auf den ersten Blick. Allerdings gibt es bei der Bürgschaft einen wesentlichen Ansatzpunkt, der dafür sorgt, dass ein FGW vorliegt: die Bürgschaft dient natürlich – wie du zu Recht anmerkst – auch dazu, eine eigene Verpflichtung zu erfüllen. Allerdings verpflichtet sich ein Bürge immer auch damit gleichzeitig, für die Verpflichtungen des Hauptschuldners (für den er bürgt) gerade zu stehen. Also tut der Bürge damit etwas, was eigentlich nicht in seinen Pflichtenkreis fällt (er verantwortet sich für eine fremde Schuld, die an sich „nichts“ mit ihm zu tun hat). Deshalb ist das Geschäft ein „auch-fremdes“ Geschäft (weil der Bürge eine eigene Verpflichtung aus der Bürgschaft selbst + durch die Bürgschaft eine fremde Verpflichtung wahrnimmt). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 41 ff. und 85 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Johanna K
4.2.2024, 11:18:24
Super, vielen Dank für die nochmalige verständliche Erklärung! :)
LioFlo
24.11.2024, 14:18:35
Hallo Leo, Im Fall wird die Übernahme der Bürgschaft als
objektiv fremdes Geschäftbezeichnet, hier sagst du aber es ist ein auch-fremdes Geschäft. In der Vertiefung im Fall steht, dass ein auch- fremdes Geschäft vorliegt, sofern sich der Bürge zur Übernahme der Bürgschaft gegenüber dem Schuldner vertraglich verpflichtet. Wie sieht so eine vertragliche Verpflichtung genau aus, damit ist doch gerade nicht der
Bürgschaftsvertragan sich gemeint, oder ? Bin verwirrt. Ich hoffe auf schnelle Hilfe (:
LS2024
9.3.2024, 10:47:40
Die F muss ja bei realitätsnaher Betrachtung von M gebeten worden sein die Bürgschaft zu übernehmen. Dies wird wahrscheinlich ohne
Rechtsbindungswillen geschehen sein. Somit muss ein
Gefälligkeitsverhältnisvorgelegen haben, sodass eine GoA ausgeschlossen sein könnte. Dieser Fall fehlt sowieso in der Einheit GoA, sodass sich hier zumindest ein Hinweis anbieten würde.
LS2024
12.4.2024, 16:45:19
Ich weiße nun erneut darauf hin, dass hier ein Auftrag oder ein
Gefälligkeitsverhältniszwischen F und M vorliegen wird. Bei einem Auftrag wäre die GoA ohne Frage ausgeschlossen. Bei einem
Gefälligkeitsverhältniswäre die Anwendbarkeit strittig. Dass das hier übergangen wird zeigt mMn ein fehlendes Verständnis des Aufgabenstellers für das Bürgschaftsrecht.
Juriano
12.4.2024, 19:12:22
@LS2024 Wie wären denn dann die Rechtsfolgen? Im Falle eines Auftrags wären die Rechtsfolgen doch dieselben wie im hier angenommenen Fall einer GoA. Wiederum wäre 670 anwendbar. Ein
Gefälligkeitsverhältnisim Verhältnis zwischen Bürgen und Schuldner halte ich für fernliegend.
LS2024
12.4.2024, 19:42:35
Zum Auftrag schon anderswo geschrieben: Dann keine GoA. Dass eine Bürgschaft aufgrund eines
Gefälligkeitsverhältniszwischen Schuldner und Bürge abgegeben werden kann ist nicht kontrovers. So jedenfalls die Kommentarliteratur. Warum auch nicht?
Leo Lee
14.4.2024, 11:20:49
Hallo LS2024, vielen Dank für dein Feedback! Zunächst hast du völlig Recht damit, dass bei Vorliegen eines Auftrags die GoA ausgeschlossen ist (da dann gerade eine Geschäftsführung MIT Auftrag vorliegt). Beachte allerdings, dass auch bei Übernahme der Bürgschaft – natürlich ein RBW unterstellt – immer noch eine Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen kann (was zugegeben wie du zu Recht anmerkst eher die Ausnahme sein wird), wenn etwa ein Auftrag oder
GeschäftsbesorgungsvertragUNWIRKSAM ist oder NICHT NACHGEWIESEN werden kann. In diesem Fall stellt auch 775 I nochmal klar, dass der Aufwand über die GoA ersetzt werden kann. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Habersack § 775 Rn. 1 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
LioFlo
24.11.2024, 14:31:39
Im Fall wird die Übernahme der Bürgschaft als
objektiv fremdes Geschäftbezeichnet. In der Vertiefung im Fall steht, dass ein auch- fremdes Geschäft vorliegt, sofern sich der Bürge zur Übernahme der Bürgschaft gegenüber dem Schuldner vertraglich verpflichtet. Wie sieht so eine vertragliche Verpflichtung genau aus, damit ist doch gerade nicht der
Bürgschaftsvertragan sich gemeint, oder ? Bin verwirrt. Ich hoffe auf schnelle Hilfe (:
Juraganter
16.12.2024, 16:46:57
Wenn ich das richtig verstanden habe, und man korrigiere mich gerne, sollte ich es missverstanden haben, ist es so, dass die Bürgschaft von F gegenüber V als
objektiv fremdes Geschäftzu betrachten ist; nachdem F sich verbürgt hat gegenüber dem V wurde die Bürgschaft gegenüber M zum auch-fremden Geschäft, weil F einerseits eine Verpflichtung hat, zu leisten, und andererseits M von der Verpflichtung profitiert, falls M selbst nicht zahlen kann.