Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA

Bezahlung fremder Schuld - Bürgenregress

Bezahlung fremder Schuld - Bürgenregress

14. Januar 2025

4,6(19.566 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M hat von V eine Wohnung gemietet. Vor Abschluss des Mietvertrags hat sich Ms reiche Freundin F für Ms Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis verbürgt. Als M eines Tages die fällige Miete nicht aufbringen kann, zahlt F diese und verlangt wenig später den Betrag von M zurück.

Diesen Fall lösen 77,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Bezahlung fremder Schuld - Bürgenregress

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sowohl M als auch F waren zur Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis beziehungsweise zur Zahlung der Miete verpflichtet.

Genau, so ist das!

Nach § 535 Abs. 2 BGB verpflichtet ein Mietvertrag den Mieter einer Sache dazu, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet ein Bürgschaftsvertrag den Bürgen, für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten gegenüber dessen Gläubiger einzustehen. M und V haben einen Mietvertrag geschlossen, der den M zur Entrichtung der Mietzahlung verpflichtete. Aufgrund des Bürgschaftsvertrags zwischen V und F zur Absicherung der Verbindlichkeiten des M aus dem Mietverhältnis war auch F zur Mietzahlung verpflichtet.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Indem F die Miete für M bezahlte, ist der Mietzinsanspruch des V gegen M (§ 535 Abs. 2 BGB) in gleicher Höhe auf F übergegangen.

Ja, in der Tat!

Soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen über (§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB). F ist Bürge für die Verbindlichkeiten des M aus dem Mietverhältnis. Indem sie die Miete für M bezahlte, ist der Mietzinsanspruch des V aus § 535 Abs. 2 BGB auf sie übergegangen.

3. Indem F die Miete für M bezahlte, hat sie ein Geschäft des M geführt.

Nein!

Grundsätzlich stellt die Tilgung einer fremden Schuld für den Leistenden ein fremdes Geschäft dar. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Schuldtilgung einen gesetzlichen Forderungsübergang (Legalzession) zur Folge hat. Dann stellt sie ausschließlich ein Geschäft des Zahlenden dar. F hat als Bürge des M dessen Mietschulden bei V bezahlt. Vs Mietzinsanspruch ging dadurch per Legalzession auf F über (§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB ). Somit hat sie ein eigenes Geschäft geführt.

4. Indem sich F gegenüber V für die Verbindlichkeiten des M aus dem Mietverhältnis verbürgte, hat sie ein Geschäft des M geführt.

Genau, so ist das!

Ein objektiv fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen. Die Übernahme einer Bürgschaft zur Absicherung einer Verbindlichkeit fällt in den Rechts- und Interessenkreis des Schuldners dieser Verbindlichkeit. Hat sich der Bürge zugleich vertraglich gegenüber dem Schuldner zur Übernahme der Bürgschaft verpflichtet, stellt die Übernahme der Bürgschaft für den Bürgen ein auch-fremdes Geschäft dar.

5. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.

Ja, in der Tat!

Bei objektiv fremden Geschäften wird der Fremdgeschäftsführungswille sowohl nach Ansicht des BGH, als auch nach Ansicht der Literatur widerlegbar vermutet. Die Übernahme der Bürgschaft stellt für F ein objektiv fremdes Geschäft dar.

6. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.

Ja!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Die Übernahme der Bürgschaft stellt für F ein objektiv fremdes Geschäft dar. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. M hat F weder zur Übernahm der Bürgschaft beauftragt, noch war F gegenüber M sonst dazu berechtigt.

7. Die Übernahme der Bürgschaft stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.

Genau, so ist das!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. M hat seinen wirklichen Willen nicht geäußert. Die Übernahme der Bürgschaft entsprach jedoch seinem objektiven Interesse und somit auch seinem mutmaßlichen Willen.

8. F hat einen Aufwendungsersatzanspruch gegen M aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.

Ja, in der Tat!

Dieser Anspruch besteht neben dem Anspruch des F gegen M aus § 535 Abs. 2 BGB, der nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB durch Bezahlung von Ms Mietschulden auf F übergegangen ist.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper

Edward Hopper

27.7.2022, 21:14:33

Ist bei der zweiten Frage nicht ein Fehler? Da wird gesagt die F habe ein eigenes Geschäft besorgt, da es zu einer Legalzession kam. Wieso wird dann später eine Goa bejaht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.7.2022, 20:10:14

Hallo Edward, hier musst Du genau differenzieren. Die anfängliche ÜBERNAHME der Bürgschaft stellt hier das fremde Geschäft dar, aus dem dann später auch der

Aufwendungsersatzanspruch

resultiert. Die BEGLEICHUNG der Bürgschaft stellt dagegen allein ein Geschäft der F dar, da sie hierdurch gegenüber V von ihrer Verpflichtung aus § 765 BGB befreit wird. Ist es jetzt klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

21.12.2023, 19:26:41

Hallo, ich sehe das anders: Sicher geht die Forderung (Gläubiger gegen Hauptschuldner) durch die Zahlung des Bürgen auf den Bürgen über, was dazu führt, dass die Tilgung durch den Bürgen im Rechtskreis des Bürgen spielt. Aber durch die Tilgung wird auch eine Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erfüllt, was dem Hauptschuldner zugute kommt und dementsprechend in seinem Rechtskreis spielt. Ich denke, dass die Tilgung ein auch-fremdes Geschäft ist

Jopies

Jopies

1.2.2024, 12:25:29

Das ist eben nicht ganz richtig. Der Bürge begleicht eine eigene Schuld aus seinem

Bürgschaftsvertrag

. Die Schuld des Hauptschuldners bleibt ungetilgt, es kommt nur zu einem Gläubigerwechsel.

Johanna K

Johanna K

1.2.2024, 12:26:08

Ich verstehe eine Sache nicht ganz... Vielleicht habe ich auch nur einen Gedankenhänger oder noch zu wenig Systemverständnis. Aber warum liegt denn hier ein Fremdgeschäftsführungswille vor? Die Bürgschaft ist doch vielmehr dazu da, eine eigene Verpflichtung zu erfüllen. Demnach erfülle ich doch die Zahlungspflicht aus meiner Bürgschaft nur, weil ich selbst mich dazu verpflichtet habe für den Schuldner einzustehen. Das tue ich natürlich, um dem Schuldner beizustehen und gewisse Positionen zu ermöglichen, aber die Zahlung der Bürgschaftsverpflichtung als solche tue ich doch, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten. Oder wie kann ich das verstehen? Ich bedanke mich ganz herzlich!

Paul

Paul

1.2.2024, 15:21:38

Hallo Johanna, es ist etwas tricky, aber du musst hier ganz genau trennen. Die Leistung auf die Bürgschaft erbringe ich tatsächlich aus einem eigenen Antrieb, meiner vertraglichen Verpflichtung aus der Bürgschaft nachzukommen. Diese bezieht sich auf Erfüllung meiner bereits bestehenden Bürgschaftsverpflichtung. Jedoch besteht im Dreiecksverhältnis zwischen Hauptschuldner, Bürgen und Gläubiger ein

Deckungsverhältnis

zwischen Bürgen und Hauptschuldner. In diesem lässt sich bestimmen, welches Verhältnis zwischen den Beiden zu der Übernahme, also zum Vertragsschluss der Bürgschaft, geführt hat. Dies kann bspw. ein Auftrag, eine

Geschäftsbesorgung

oder eben eine GoA sein. Dabei stellt das fremde Geschäft die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung dar, denn diese dient dem Hauptschuldner. Im Falle der GoA wird dann der Fremdgeschäftsführungswillen bei objektiv fremden Geschäften vermutet. Du musst also unterscheiden zwischen dem Eingehen des

Bürgschaftsvertrag

s und der ggf. anschließenden Erfüllung dieser Verpflichtung. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.

Johanna K

Johanna K

1.2.2024, 17:11:35

Ahhh okay. Also aufgrund des tatsächlichen Handelns der Übernahme einer Bürgschaft, kann sich die GoA NATÜRLICH ergeben. So weit hab ich nicht gedacht, oh man. Das verstehe ich nun, ich bedanke mich dafür!

LELEE

Leo Lee

3.2.2024, 19:24:12

Hallo Johanna, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Wie Paul völlig zurecht anmerkt, ist es bei der Bürgschaft in der Tat etwas tricky auf den ersten Blick. Allerdings gibt es bei der Bürgschaft einen wesentlichen Ansatzpunkt, der dafür sorgt, dass ein FGW vorliegt: die Bürgschaft dient natürlich – wie du zu Recht anmerkst – auch dazu, eine eigene Verpflichtung zu erfüllen. Allerdings verpflichtet sich ein Bürge immer auch damit gleichzeitig, für die Verpflichtungen des Hauptschuldners (für den er bürgt) gerade zu stehen. Also tut der Bürge damit etwas, was eigentlich nicht in seinen Pflichtenkreis fällt (er verantwortet sich für eine fremde Schuld, die an sich „nichts“ mit ihm zu tun hat). Deshalb ist das Geschäft ein „auch-fremdes“ Geschäft (weil der Bürge eine eigene Verpflichtung aus der Bürgschaft selbst + durch die Bürgschaft eine fremde Verpflichtung wahrnimmt). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 41 ff. und 85 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Johanna K

Johanna K

4.2.2024, 11:18:24

Super, vielen Dank für die nochmalige verständliche Erklärung! :)

LI

LioFlo

24.11.2024, 14:18:35

Hallo Leo, Im Fall wird die Übernahme der Bürgschaft als

objektiv fremdes Geschäft

bezeichnet, hier sagst du aber es ist ein auch-fremdes Geschäft. In der Vertiefung im Fall steht, dass ein auch- fremdes Geschäft vorliegt, sofern sich der Bürge zur Übernahme der Bürgschaft gegenüber dem Schuldner vertraglich verpflichtet. Wie sieht so eine vertragliche Verpflichtung genau aus, damit ist doch gerade nicht der

Bürgschaftsvertrag

an sich gemeint, oder ? Bin verwirrt. Ich hoffe auf schnelle Hilfe (:

LS2024

LS2024

9.3.2024, 10:47:40

Die F muss ja bei realitätsnaher Betrachtung von M gebeten worden sein die Bürgschaft zu übernehmen. Dies wird wahrscheinlich ohne

Rechtsbindungswille

n geschehen sein. Somit muss ein

Gefälligkeitsverhältnis

vorgelegen haben, sodass eine GoA ausgeschlossen sein könnte. Dieser Fall fehlt sowieso in der Einheit GoA, sodass sich hier zumindest ein Hinweis anbieten würde.

LS2024

LS2024

12.4.2024, 16:45:19

Ich weiße nun erneut darauf hin, dass hier ein Auftrag oder ein

Gefälligkeitsverhältnis

zwischen F und M vorliegen wird. Bei einem Auftrag wäre die GoA ohne Frage ausgeschlossen. Bei einem

Gefälligkeitsverhältnis

wäre die Anwendbarkeit strittig. Dass das hier übergangen wird zeigt mMn ein fehlendes Verständnis des Aufgabenstellers für das Bürgschaftsrecht.

Juriano

Juriano

12.4.2024, 19:12:22

@LS2024 Wie wären denn dann die Rechtsfolgen? Im Falle eines Auftrags wären die Rechtsfolgen doch dieselben wie im hier angenommenen Fall einer GoA. Wiederum wäre 670 anwendbar. Ein

Gefälligkeitsverhältnis

im Verhältnis zwischen Bürgen und Schuldner halte ich für fernliegend.

LS2024

LS2024

12.4.2024, 19:42:35

Zum Auftrag schon anderswo geschrieben: Dann keine GoA. Dass eine Bürgschaft aufgrund eines

Gefälligkeitsverhältnis

zwischen Schuldner und Bürge abgegeben werden kann ist nicht kontrovers. So jedenfalls die Kommentarliteratur. Warum auch nicht?

LELEE

Leo Lee

14.4.2024, 11:20:49

Hallo LS2024, vielen Dank für dein Feedback! Zunächst hast du völlig Recht damit, dass bei Vorliegen eines Auftrags die GoA ausgeschlossen ist (da dann gerade eine Geschäftsführung MIT Auftrag vorliegt). Beachte allerdings, dass auch bei Übernahme der Bürgschaft – natürlich ein RBW unterstellt – immer noch eine Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen kann (was zugegeben wie du zu Recht anmerkst eher die Ausnahme sein wird), wenn etwa ein Auftrag oder

Geschäftsbesorgungsvertrag

UNWIRKSAM ist oder NICHT NACHGEWIESEN werden kann. In diesem Fall stellt auch 775 I nochmal klar, dass der Aufwand über die GoA ersetzt werden kann. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Habersack § 775 Rn. 1 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LI

LioFlo

24.11.2024, 14:31:39

Im Fall wird die Übernahme der Bürgschaft als

objektiv fremdes Geschäft

bezeichnet. In der Vertiefung im Fall steht, dass ein auch- fremdes Geschäft vorliegt, sofern sich der Bürge zur Übernahme der Bürgschaft gegenüber dem Schuldner vertraglich verpflichtet. Wie sieht so eine vertragliche Verpflichtung genau aus, damit ist doch gerade nicht der

Bürgschaftsvertrag

an sich gemeint, oder ? Bin verwirrt. Ich hoffe auf schnelle Hilfe (:

Juraganter

Juraganter

16.12.2024, 16:46:57

Wenn ich das richtig verstanden habe, und man korrigiere mich gerne, sollte ich es missverstanden haben, ist es so, dass die Bürgschaft von F gegenüber V als

objektiv fremdes Geschäft

zu betrachten ist; nachdem F sich verbürgt hat gegenüber dem V wurde die Bürgschaft gegenüber M zum auch-fremden Geschäft, weil F einerseits eine Verpflichtung hat, zu leisten, und andererseits M von der Verpflichtung profitiert, falls M selbst nicht zahlen kann.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen