Bezahlung fremder Schuld I - Bürgenregress

16. April 2025

20 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M hat von V eine Wohnung gemietet. Vor Abschluss des Mietvertrags hat sich Ms reiche Freundin F für Ms Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis verbürgt. Als M eines Tages die fällige Miete nicht aufbringen kann, zahlt F diese und verlangt wenig später den Betrag von M zurück.

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Einordnung des Falls

Bezahlung fremder Schuld I - Bürgenregress

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F könnte einen Anspruch gegen M aus übergegangenem Anspruch gemäß §§ 774 Abs. 1 S. 1, 535 Abs. 2 BGB haben. Ist der Mietzinsanspruch des V gegen M in gleicher Höhe auf F übergegangen, indem sie die Miete für M bezahlte?

Genau, so ist das!

Soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen über (§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB).F ist Bürgin für die Verbindlichkeiten des M aus dem Mietverhältnis. Indem sie die Miete für M bezahlte, ist der Mietzinsanspruch des V aus § 535 Abs. 2 BGB auf sie übergegangen. F hat somit gegen M einen Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht gemäß §§ 774 Abs. 1 S. 1, 535 Abs. 2 BGB.
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2. Daneben könnte F einen Anspruch auf Ersatz des gezahlten Betrages gegen M nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben. Müsste F ein Geschäft der M geführt haben?

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich ist die Tilgung einer fremden Schuld für den Leistenden ein fremdes Geschäft. Etwas anderes gilt dann, wenn der Leistende eine eigene Verbindlichkeit erfüllt und die Leistung nicht dazu führt, dass die Verpflichtung des Schuldners erlischt. So z.B., wenn ein Bürge leistet, um seine Verpflichtung aus der Bürgschaft zu erfüllen (§§ 765, 767 BGB). Damit befriedigt er zwar den Gläubiger, allerdings erlischt die Forderung gegen den Schuldner nicht, sondern geht auf den Bürgen über (Legalzession). F zahlte an V, um ihre eigene Verpflichtung aus dem Bürgschaftsvertrag zu erfüllen (§ 765 Abs. 1 BGB). Da die Forderung gegen M weiterhin besteht und lediglich auf F übergegangen ist (§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB), ist die Zahlung ausschließlich dem Rechts- und Interessenskreis der F zuzuordnen. Die Zahlung an V ist kein fremdes Geschäft für F.

3. Durch die Erfüllung der Bürgenschuld hat F ein eigenes Geschäft geführt. Könnte aber – vorgeschaltet – die Übernahme der Bürgschaft für M ein fremdes Geschäft i.S.v. § 677 BGB sein?

Ja!

Will der Bürge den Hauptschuldner für die Leistung an den Gläubigern in Anspruch nehmen, musst Du im Rahmen der GoA zwischen zwei Anknüpfungspunkten unterscheiden: (1) Die Bezahlung der Bürgschaftsschuld an den Gläubiger und (2) die (vorherige) Übernahme der Bürgschaft für den Hauptschuldner. Ein objektiv fremdes Geschäft liegt vor, wenn es nach außen erkennbar in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen fällt. Mit der Übernahme der Bürgschaft zur Absicherung des Mietverhältnisses zwischen M und V hat F ein Geschäft besorgt, welches in den Rechts- und Interessenkreis des Schuldners M. F hat ein objektiv fremdes Geschäft geführt.

4. F handelte auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung, sodass die Voraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB erfüllt sind Müsste die GoA berechtigt gewesen sein, damit F einen Aufwendungsersatzanspruch gegen M hat (§ 683 S. 1 BGB)?

Genau, so ist das!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dabei muss man den wirklichen Willen des Geschäftsherrn vorrangig zu prüfen. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. M hat seinen wirklichen Willen nicht geäußert. Die Übernahme der Bürgschaft entsprach jedoch seinem objektiven Interesse und somit auch seinem mutmaßlichen Willen. Mithin hat F gegen M einen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB. Dieser Anspruch besteht neben dem Anspruch des F gegen M aus § 535 Abs. 2 BGB, der nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB durch Bezahlung von Ms Mietschulden auf F übergegangen ist (s.o.).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper

Edward Hopper

27.7.2022, 21:14:33

Ist bei der zweiten Frage nicht ein Fehler? Da wird gesagt die F habe ein eigenes Geschäft besorgt, da es zu einer Legalzession kam. Wieso wird dann später eine Goa bejaht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.7.2022, 20:10:14

Hallo Edward, hier musst Du genau differenzieren. Die anfängliche ÜBERNAHME der Bürgschaft stellt hier das fremde Geschäft dar, aus dem dann später auch der Aufwendungsersatzanspruch resultiert. Die BEGLEICHUNG der Bürgschaft stellt dagegen allein ein Geschäft der F dar, da sie hierdurch gegenüber V von ihrer Verpflichtung aus § 765 BGB befreit wird. Ist es jetzt klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

21.12.2023, 19:26:41

Hallo, ich sehe das anders: Sicher geht die Forderung (Gläubiger gegen Hauptschuldner) durch die Zahlung des Bürgen auf den Bürgen über, was dazu führt, dass die Tilgung durch den Bürgen im Rechtskreis des Bürgen spielt. Aber durch die Tilgung wird auch eine Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erfüllt, was dem Hauptschuldner zugute kommt und dementsprechend in seinem Rechtskreis spielt. Ich denke, dass die Tilgung ein auch-fremdes Geschäft ist

Jopies

Jopies

1.2.2024, 12:25:29

Das ist eben nicht ganz richtig. Der Bürge begleicht eine eigene Schuld aus seinem Bürgschaftsvertrag. Die Schuld des Hauptschuldners bleibt ungetilgt, es kommt nur zu einem Gläubigerwechsel.

Johanna K

Johanna K

1.2.2024, 12:26:08

Ich verstehe eine Sache nicht ganz... Vielleicht habe ich auch nur einen Gedankenhänger oder noch zu wenig Systemverständnis. Aber warum liegt denn hier ein

Fremdgeschäftsführungswille

vor? Die Bürgschaft ist doch vielmehr dazu da, eine eigene Verpflichtung zu erfüllen. Demnach erfülle ich doch die Zahlungspflicht aus meiner Bürgschaft nur, weil ich selbst mich dazu verpflichtet habe für den Schuldner einzustehen. Das tue ich natürlich, um dem Schuldner beizustehen und gewisse Positionen zu ermöglichen, aber die Zahlung der Bürgschaftsverpflichtung als solche tue ich doch, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten. Oder wie kann ich das verstehen? Ich bedanke mich ganz herzlich!

Paul

Paul

1.2.2024, 15:21:38

Hallo Johanna, es ist etwas tricky, aber du musst hier ganz genau trennen. Die Leistung auf die Bürgschaft erbringe ich tatsächlich aus einem eigenen Antrieb, meiner vertraglichen Verpflichtung aus der Bürgschaft nachzukommen. Diese bezieht sich auf Erfüllung meiner bereits bestehenden Bürgschaftsverpflichtung. Jedoch besteht im Dreiecksverhältnis zwischen Hauptschuldner, Bürgen und Gläubiger ein

Deckungsverhältnis

zwischen Bürgen und Hauptschuldner. In diesem lässt sich bestimmen, welches Verhältnis zwischen den Beiden zu der Übernahme, also zum Vertragsschluss der Bürgschaft, geführt hat. Dies kann bspw. ein Auftrag, eine

Geschäftsbesorgung

oder eben eine GoA sein. Dabei stellt das fremde Geschäft die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung dar, denn diese dient dem Hauptschuldner. Im Falle der GoA wird dann der

Fremdgeschäftsführungswille

n bei objektiv fremden Geschäften vermutet. Du musst also unterscheiden zwischen dem Eingehen des Bürgschaftsvertrags und der ggf. anschließenden Erfüllung dieser Verpflichtung. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.

Johanna K

Johanna K

1.2.2024, 17:11:35

Ahhh okay. Also aufgrund des tatsächlichen Handelns der Übernahme einer Bürgschaft, kann sich die GoA NATÜRLICH ergeben. So weit hab ich nicht gedacht, oh man. Das verstehe ich nun, ich bedanke mich dafür!

LELEE

Leo Lee

3.2.2024, 19:24:12

Hallo Johanna, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Wie Paul völlig zurecht anmerkt, ist es bei der Bürgschaft in der Tat etwas tricky auf den ersten Blick. Allerdings gibt es bei der Bürgschaft einen wesentlichen Ansatzpunkt, der dafür sorgt, dass ein FGW vorliegt: die Bürgschaft dient natürlich – wie du zu Recht anmerkst – auch dazu, eine eigene Verpflichtung zu erfüllen. Allerdings verpflichtet sich ein Bürge immer auch damit gleichzeitig, für die Verpflichtungen des Hauptschuldners (für den er bürgt) gerade zu stehen. Also tut der Bürge damit etwas, was eigentlich nicht in seinen Pflichtenkreis fällt (er verantwortet sich für eine fremde Schuld, die an sich „nichts“ mit ihm zu tun hat). Deshalb ist das Geschäft ein „auch-fremdes“ Geschäft (weil der Bürge eine eigene Verpflichtung aus der Bürgschaft selbst + durch die Bürgschaft eine fremde Verpflichtung wahrnimmt). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 41 ff. und 85 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Johanna K

Johanna K

4.2.2024, 11:18:24

Super, vielen Dank für die nochmalige verständliche Erklärung! :)

LI

LioFlo

24.11.2024, 14:18:35

Hallo Leo, Im Fall wird die Übernahme der Bürgschaft als objektiv fremdes Geschäft bezeichnet, hier sagst du aber es ist ein auch-fremdes Geschäft. In der Vertiefung im Fall steht, dass ein auch- fremdes Geschäft vorliegt, sofern sich der Bürge zur Übernahme der Bürgschaft gegenüber dem Schuldner vertraglich verpflichtet. Wie sieht so eine vertragliche Verpflichtung genau aus, damit ist doch gerade nicht der Bürgschaftsvertrag an sich gemeint, oder ? Bin verwirrt. Ich hoffe auf schnelle Hilfe (:

LS2024

LS2024

9.3.2024, 10:47:40

Die F muss ja bei realitätsnaher Betrachtung von M gebeten worden sein die Bürgschaft zu übernehmen. Dies wird wahrscheinlich ohne

Rechtsbindungswille

n geschehen sein. Somit muss ein

Gefälligkeitsverhältnis

vorgelegen haben, sodass eine GoA ausgeschlossen sein könnte. Dieser Fall fehlt sowieso in der Einheit GoA, sodass sich hier zumindest ein Hinweis anbieten würde.

LS2024

LS2024

12.4.2024, 16:45:19

Ich weiße nun erneut darauf hin, dass hier ein Auftrag oder ein

Gefälligkeitsverhältnis

zwischen F und M vorliegen wird. Bei einem Auftrag wäre die GoA ohne Frage ausgeschlossen. Bei einem

Gefälligkeitsverhältnis

wäre die Anwendbarkeit strittig. Dass das hier übergangen wird zeigt mMn ein fehlendes Verständnis des Aufgabenstellers für das Bürgschaftsrecht.

Juriano

Juriano

12.4.2024, 19:12:22

@LS2024 Wie wären denn dann die Rechtsfolgen? Im Falle eines Auftrags wären die Rechtsfolgen doch dieselben wie im hier angenommenen Fall einer GoA. Wiederum wäre 670 anwendbar. Ein

Gefälligkeitsverhältnis

im Verhältnis zwischen Bürgen und Schuldner halte ich für fernliegend.

LS2024

LS2024

12.4.2024, 19:42:35

Zum Auftrag schon anderswo geschrieben: Dann keine GoA. Dass eine Bürgschaft aufgrund eines

Gefälligkeitsverhältnis

zwischen Schuldner und Bürge abgegeben werden kann ist nicht kontrovers. So jedenfalls die Kommentarliteratur. Warum auch nicht?

LELEE

Leo Lee

14.4.2024, 11:20:49

Hallo LS2024, vielen Dank für dein Feedback! Zunächst hast du völlig Recht damit, dass bei Vorliegen eines Auftrags die GoA ausgeschlossen ist (da dann gerade eine Geschäftsführung MIT Auftrag vorliegt). Beachte allerdings, dass auch bei Übernahme der Bürgschaft – natürlich ein RBW unterstellt – immer noch eine Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen kann (was zugegeben wie du zu Recht anmerkst eher die Ausnahme sein wird), wenn etwa ein Auftrag oder

Geschäftsbesorgungsvertrag

UNWIRKSAM ist oder NICHT NACHGEWIESEN werden kann. In diesem Fall stellt auch 775 I nochmal klar, dass der Aufwand über die GoA ersetzt werden kann. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Habersack § 775 Rn. 1 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

CDJura

CDJura

12.3.2025, 16:29:58

Ich verstehe die Lösung nicht ganz. Zuerst wird gesagt, dass F ein eigenes Geschäft führt, weil diese im Wege der Legalzession nach § 774 I 1 BGB die Mietzinsforderung erwirbt. Das würde nach meinem Verständnis bedeuten, dass die GoA nicht durchgeht, weil keine

Geschäftsbesorgung

,,für einen anderen" vorliegt. Am Ende wird aber trotzdem die GoA bejaht. Warum?


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