+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Udo (U) wird in Anwesenheit am 01.07. verurteilt. U legt form- und fristgerecht Revision ein. Am 14.07. wird das Urteil in den Briefkasten seiner Wohnung eingeworfen. U selbst sitzt zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Monaten in Untersuchungshaft.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Ersatzzustellung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Zustellung des Urteils kann nur unmittelbar gegenüber U wirksam vorgenommen werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Strafverfahren gelten für das Zustellungsverfahren die Regelungen der ZPO (§ 37 StPO). Auch wenn die Zustellung grundsätzlich an den Adressaten erfolgt, so enthalten die §§ 170ff. ZPO Regelungen zu verschiedenen Fällen, in denen hiervon abgewichen wird.Am relevantesten sind dabei die Regelungen zur Ersatzustellung (§§ 178, 180, 181 ZPO).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Zustellung durch Einwurf in den Briefkasten könnte nach § 180 S. 1 ZPO wirksam sein.

Ja, in der Tat!

Nach § 180 S. 1 ZPO kann die Zustellung auch in einen Briefkasten eingelegt werden, der zur Wohnung gehört, wenn eine Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist.Anhaltspunkte dafür, dass U mit anderen in der Wohnung lebte (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) bzw. in einem Geschäftsraum (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) anzutreffen gewesen wäre, liegen nicht vor. Fraglich ist aber, ob die Zustellung an Us Wohnung erfolgte.

3. Da U vor seiner Inhaftierung in der Wohnung wohnte, konnte das Urteil nach § 180 S. 1 ZPO durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt werden.

Nein!

Sofern § 180 ZPO auf die Wohnung als Ort der Ersatzzustellung abstellt, beruht dies auf der Erwägung, daß die Wohnung der Ort ist, wo am ehesten damit gerechnet werden kann, daß das zuzustellende Schriftstück den Empfänger erreicht. Entsprechend diesem Zweck kommt es auf das tatsächliche Wohnen an. Bei längerer Abwesenheit geht die Wohnungseigenschaft regelmäßig verloren, da nicht damit zu rechnen ist, dass der Zustellungsadressat zeitnah Kenntnis von den an ihn adressierten Sendungen nimmt.Da U bereits seit sechs Monaten inhaftiert ist, ging das Urteil nicht an seine Wohnung zu. Anders kann es in Fällen liegen, in denen noch familiäre Beziehungen zur Wohnung bestehen (OVG Münster, NJW 2011, 2683).

4. Durch die Zustellung am 14.07. wurde die Revisionsbegründungsfrist in Gang gesetzt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Revisionsbegründungsfrist beginnt grundsätzlich nur bei wirksamer Zustellung des Urteils.Da die Ersatzzustellung vorliegend unwirksam war, ist die Revisionsbegründungsfrist (noch) nicht in Gang gesetzt worden.Geht U das falsch zugestellte Urteil tatsächlich zu, so läuft die Frist mit Zugang des Urteils (§§ 37 Abs. 1 StPO, 189 ZPO). Ansonsten wird die Frist erst durch erneute (wirksame) Zustellung ausgelöst.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

© Jurafuchs 2024