Keine Mittäterschaft durch Bereitstellen der Tatwaffe


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M2 verschafft M1 einen Revolver. Wie M2 weiß, erschießt M1 damit am nächsten Tag den O.

Einordnung des Falls

Keine Mittäterschaft durch Bereitstellen der Tatwaffe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M1 hat sich wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er den O erschoss.

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Ja, in der Tat!

Der Taterfolg ist eingetreten, O ist tot. Hierfür ist der Schuss des M1 kausal geworden. M1 handelte insoweit auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Damit ist er strafbar wegen § 212 Abs. 1 StGB. Bezüglich der Strafbarkeit des M2 fragt sich, ob ihm der Schuss des M1 nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Mittäterschaft setzt (1) eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie (2) einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Augenhöhe begangenen Tat voraus. Zweifelhaft ist, ob (in Abgrenzung zur Beihilfe) eine für die Mittäterschaft hinreichende gemeinsame Ausführungshandlung vorliegt.

2. Die h.L. stellt für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme maßgeblich auf die Tatherrschaft ab (sog. Tatherrschaftslehre).

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Ja!

Nach der von der h.L. vertretenen materiell-objektiven Theorie setzt Täterschaft die Tatherrschaft voraus, also das steuernde In-den-Händen-halten des Geschehens, so dass der Beteiligte die Tatbestandserfüllung fördern, hemmen oder unterbinden kann. Vorliegend beschränkte sich der von M2 geleistete Tatbeitrag auf das Bereitstellen der Tatwaffe, während er bei der Schussabgabe gar nicht anwesend war. Wie zwischen Täterschaft und Teilnahme bei bloßen Mitwirkungen im Vorbereitungsstadium abzugrenzen ist, wird auch innerhalb der Tatherrschaftslehre unterschiedlich beurteilt. Es stehen sich die strenge und die weite Tatherrschaftslehre gegenüber.

3. Auf Grundlage der strengen und weiten Tatherrschaftslehre hat M2 einen mittäterschaftsbegründenden Tatbeitrag erbracht (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der strengen Tatherrschaftslehre ist eine wesentliche Mitwirkung im Ausführungsstadium erforderlich. Da M2 in dieser Phase aber keine Beiträge erbrachte, kann er danach nur als Gehilfe bestraft werden. Nach der weiten Tatherrschaftslehre (h.L.) genügen für eine Begründung der Mittäterschaft Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium, wenn das „Minus“ bei der Ausführung durch das „Plus“ in der Vorbereitung kompensiert wird (funktionale Tatherrschaft). Innerhalb dieser Ansicht besteht aber Konsens darüber, dass die Bereitstellung der auch unentbehrlichen Tatwaffe nur eine notwendige Gehilfenhandlung, jedoch keine funktionelle Tatherrschaft begründet.

4. Auf Grundlage der gemäßigt subjektiven Theorie der Rspr. hat M2 einen mittäterschaftsbegründenden Tatbeitrag erbracht (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Ausgangspunkt der subjektiven Theorie ist die innere Einstellung des Täters. Danach ist Täter, wer die Tat als eigene will (animus auctoris). Demgegenüber ist Teilnehmer, wer die Tat als fremde fördern will (animus socii). Dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu. Dass M2 keine Tatherrschaft hatte, spricht für einen Teilnehmerwillen. Dieser wird durch das nicht ersichtliche Eigeninteresse an dem Taterfolg bestätigt. Damit liegen nach allen Ansichten die Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung nicht vor.

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