Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Gläubiger- / Schuldnerwechsel

Aufrechnung nach Abtretung - Forderung nach Abtretung erworben, anschließend Kenntnis von Abtretung

Aufrechnung nach Abtretung - Forderung nach Abtretung erworben, anschließend Kenntnis von Abtretung

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K schuldet V €100 für den Kauf einer Matratze. V tritt ihre Forderung an D ab. K verkauft V anschließend Computerspiele für €100. V teilt K nun mit, dass sie ihre Forderung an D abgetreten hat. K möchte gerne aufrechnen.

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Einordnung des Falls

Aufrechnung nach Abtretung - Forderung nach Abtretung erworben, anschließend Kenntnis von Abtretung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann K gegenüber V aufrechnen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Aus § 407 Abs. 1 Alt. 2 BGB ergibt sich, dass der Schuldner auch nach der Abtretung noch Rechtsgeschäfte gegenüber dem Altgläubiger vornehmen darf, sofern er von der Abtretung keine Kenntnis hatte.Nachdem V über die Abtretung informiert hat, hatte K die entsprechende Kenntnis. Eine Aufrechnung gegenüber V scheidet somit aus.§ 407 Abs. 1 BGB hilft dem Schuldner also nur, wenn er die Aufrechnung nach der Abtretung und bevor er von dieser Kenntnis erlangt, erklärt.
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2. Kann K gegenüber D nur aufrechnen, wenn zum Zeitpunkt der Abtretung zwischen K und V eine Aufrechnungslage bestand?

Nein, das trifft nicht zu!

Auch wenn bei Abtretung der Forderung noch keine Aufrechnungslage zwischen Schuldner und Altgläubiger bestand, ist eine Aufrechnung gegenüber dem Neugläubiger möglich. Dies setzt voraus, dass ohne die Abtretung eine Aufrechnungslage eingetreten wäre. Zudem müssen die zusätzlichen Voraussetzungen des § 406 2. Hs. BGB erfüllt sein. Der Schuldner darf (1) bei Erwerb der Forderung noch keine Kenntnis von der Abtretung haben und (2) muss die Forderung vor Kenntniserlangung oder früher als die abgetretene Forderung fällig werden.Um hier nicht durcheinanderzukommen, empfiehlt sich ein Zeitstrahl!

3. Ohne die Abtretung hätte nach dem Verkauf der Computerspiele eine Aufrechnungslage zwischen V und K bestanden.

Ja!

Eine Aufrechnungslage liegt vor, wenn zwei gegenseitige und gleichartige Forderungen vorliegen, die (Gegen-) Forderung des Aufrechnenden fällig und durchsetzbar und die (Haupt-)forderung des Aufrechnugnsgegners zumindest erfüllbar ist. Forderungen sind dabei gegenseitig, wenn jede Partei zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen ist.Beide Forderungen sind auf Geld gerichtet und damit gleichartig. Ks Gegenforderung war fällig (§ 271 Abs. 1 BGB) und durchsetzbar. Vs ehemalige Hauptforderung war erfüllbar. Ohne die Abtretung wären V und K zugleich Schuldner und Gläubiger gewesen. Die Forderungen wären damit auch gegenseitig gewesen.

4. Die Aufrechnung gegenüber D ist ausgeschlossen, da K bei Erwerb der Forderung Kenntnis von der Abtretung hatte.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Aufrechnung gegenüber dem Neugläubiger scheidet aus, wenn der Schuldner bei Erwerb der Forderung positive Kenntnis von der Abtretung des Altgläubigers hat (§ 406 2. Hs. 1. Alt. BGB).Als K die Computerspiele an V verkaufte und die Kaufpreisforderung (§ 433 Abs. 2 BGB) erwarb, hatte sie keine Kenntnis von der Abtretung.

5. Die Aufrechnung gegenüber D ist ausgeschlossen, da Ks Forderung nach Kenntniserlangung und nach der abgetretenen fällig wurde.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Aufrechnung gegenüber dem Neugläubiger scheidet aus, wenn die Forderung des Schuldners nach Kenntniserlangung und später als die abgetretene Forderung fällig wird (§ 406 Hs. 2 2. .K und V hatten bezüglich der Fälligkeit des Kaufpreises für die Computerspiele keine Vereinbarung getroffen, weswegen der Kaufpreis sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) fällig war. Zwar war sie damit später als die Hauptforderung fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Sie war aber fällig, bevor K von der Abtretung Kenntnis erlangte.Merke: Die Aufrechnung ist nur ausgeschlossen, wenn die in § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen.

6. Kann K gegenüber D aufrechnen?

Ja!

Nach § 406 Hs. 1 BGB kann der Schuldner gegenüber dem Neugläubiger die Aufrechnung erklären, sofern zum Zeitpunkt der Abtretung eine Aufrechnungslage zwischen Altgläubiger und Schuldner bestand. Bestand diese bei Abtretung noch nicht, so ist eine Aufrechnung dennoch unter den Voraussetzungen des § 406 Hs. 2 BGB in Betracht, wenn die Aufrechnungslage ohne die Abtretung eingetreten wäre.Zum Zeitpunkt der Abtretung lag keine Aufrechnungslage zwischen V und K vor. Ohne die Abtretung wäre sie aber mit dem Erwerb der Kaufpreisforderung für die Computerspiele entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte K keine Kenntnis von der Abtretung. Auch war seine Forderung sofort fällig und damit noch bevor er Kenntnis von der Abtretung bekam.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

cjackson94

cjackson94

17.8.2023, 16:53:24

Woraus entnimmt man, dass § 406 Hs. 2 BGB gelten soll, wenn bei der Abtretung keine Aufrechnungslage bestand? Für mich ist § 406 Hs. 2 eher ein Ausschluss zu Hs. 1. Hier wird es ja aber eher als Art "gutgläubiger Erwerb einer nicht bestehenden Aufrechnungslage" verstanden.

LELEE

Leo Lee

19.8.2023, 11:27:24

Hallo cjackson94, dies gilt für den Fall des § 406 Hs. 2 a.E., also für den Fall, dass die Gegenforderung (also die Forderung mit der aufgerechnet wird) noch nicht bestand. Und wenn die Gegenforderung (noch) nicht bestand aufgrund mangelnder Fälligkeit, gab es auch (noch) keine Aufrechnungslage bei Abtretung. Hierzu kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB, 8. Auflage, Roth/Kieninger § 406 Rn. 10 ff. empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

SH

Shilaw

31.8.2023, 16:14:23

Ich glaube hier hat sich ein Fehler eingeschlichen: § 406 I hat kumulative Voraussetzungen: 1. Keine Kenntnis der Abtretung ODER 1. die Gegenforderung muss vor Erlangung der Kenntnis UND 2. vor der abgetretenen Forderung fällig sein: Hier wurde die Gegenforderung der K zwar vor Erlangung der Kenntnis fällig, jedoch wurde die Gegenforderung erst später als die abgetretene Forderung fällig! Es fehlt an der letzten Voraussetzung. Mithin konnte nicht nicht aufgerechnet werden

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

26.5.2024, 19:36:52

Die Lesung des Fall ist tatsächlich korrekt. Ich finde allerdings auch, dass die negative Formulierung der Ausschlussgründe in der Norm das Verständnis ziemlich schwierig machen können. Die beiden Varianten des Ausschlusses sind tatsächlich alternativ („oder“), so dass Kenntnis bei Erwerb der Forderung die Aufrechnung bereits ausschließt. Das ist hier aber nicht der Fall. Die zweite Variante nennt, wie du richtig sagst, zwei kumulative Erfordernisse. Die Fälligkeit der eigenen Gegenforderung muss also NACH Fälligkeit der Hauptforderung UND der eigenen Kenntnis eintreten. Hier war die Forderung des K aber bereits fällig, als er Kenntnis von der Abtretung erlangte. Damit liegt gerade auch kein Ausschluss nach der zweiten Variante vor, weil die beiden Erfordernisse nicht kumulativ vorlagen. Die Aufrechnung war demnach möglich. Ich hoffe,das hilft beim Nachvollziehen der Lösung!

DAV

david1234

6.2.2024, 15:30:05

Hi ! Bei dieser Aufgabe sollte nochmal ein Blick auf die Lösungen geworden werden. Die Benennung der §§ ist teils nicht eindeutig.

TO

TomBombadil

1.4.2024, 17:50:41

Huhu, zunächst möchte ich mich einmal für die wunderbaren Illustrationen vieler Fälle bedanken! :) Da aber noch lange nicht alle bebildert sind und mir denke, dass deshalb Prioritäten gesetzt werden müssen, würde ich anregen, vielleicht ein Augenmerk auf Mehrpersonenverhältnisse zu legen. Die Personen im Kopf hin und her zu jonglieren - ja ja, zurecht Asche auf mein Haupt, dass ich nicht selbst eine Skizze anfertige ;) - fälscht zumindest mir immer recht schwer ... Danke noch einmal für die schönen Illustrationen! :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.4.2024, 09:27:25

Hallo TomBombadil, vielen Dank für die Anregung! Das werden wir gerne bei der Illustration berücksichtigen. Es freut uns natürlich, wenn Dir die Illus gefallen und auch bei der Fallprüfung unterstützen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

10.4.2024, 19:07:51

Kann mir jemand erklären, welcher Gedanke hinter § 406 Hs. 2 Var. 2 BGB steckt? Ich sehe keinen Sinn dahinter, gerade unter diesen Bedingungen die Aufrechnung ausnahmsweise zuzulassen.

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

26.5.2024, 19:25:05

Um die aufgrund der zahlreichen denkbaren Konstellation ziemlich komplizierte Regelung des § 406 zu verstehen, hilft es sich generell den Zweck der Norm zu vergegenwärtigen. Die Norm will den Schuldner schützen und ihm die Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger erlauben, falls sein Vertrauen auf die eigene Möglichkeit der Aufrechnung schützenswert ist. Das ist dann der Fall, wenn der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt berechtigterweise, auf das Bestehen oder spätere Eintreten einer Aufrechnungslage vertrauen durfte, auch wenn es durch die Abtretung (welche er nicht verhindern kann) nicht dazu kommt oder diese wegfällt. Die erste Variante ist deshalb logisch. Wenn er bei Erwerb schon die Abtretung kennt, weiß er, dass die Aufrechnungslage gar nicht mehr entstehen kann. Eine spätere Kenntnis (Var. 2) soll nur schaden, wenn die eigene Forderung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig war, die Hauptforderung aber schon (oder zumindest noch vor der eigenen Forderung fällig wird, die Reihenfolge dieser beiden Ereignisse ist egal). Man kann sich also merken. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Fälligkeit der eigenen Forderung „ ganz am Ende“ der Ereignisse liegt (nach fremder Fälligkeit und eigener Kenntniserlangung). Denn dann existierte nie ein Zeitpunkt, zu welchem der Schuldner mangels besseren Wissens von einer Aufrechnungslage oder deren Entstehung ausgehen konnte. Es bestand also nie ein schützenswertes Vertrauen, sodass § 406 ihm die Möglichkeit der Aufrechnung nicht erhalten will. Ich finde die Norm, auch aufgrund der Formulierung, selbst ziemlich kompliziert und hoffe diese recht ausführliche Erklärung beantwortet deine Frage und hilft, jede der zahlreichen Konstellationen darauf zu überprüfen, ob dem Schuldner die Aufrechnung erhalten bleiben soll. Mit dem Ergebnis im Hinterkopf, finde ich es dann deutlich leichter unter die Norm zu subsumieren. Beste Grüße!


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