Erfolgsqualifikation 9

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte O aus Rache töten. Als sie gerade auf O eingestochen hat, bereut sie die Tat und ruft einen Notarzt. Dabei hofft sie, dass O zwar überlebt, aber durch die ärztliche Behandlung erblindet, weil er zumindest das verdient hat. O überlebt, aber erblindet aufgrund der ärztlichen Behandlung.

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Einordnung des Falls

Erfolgsqualifikation 9

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T auf O einsticht, hat sie eine vorsätzliche schwere Körperverletzung verwirklicht (§ 226 Abs. 1 StGB).

Nein!

Der Vorsatz muss im Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen (vgl. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Zum Zeitpunkt der Körperverletzung liegt kein Vorsatz vor, sodass keine vorsätzliche schwere Körperverletzung vorliegt.
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2. Als T den Notarzt ruft, hat sie Vorsatz hinsichtlich einer vorsätzlichen schweren Körperverletzung.

Genau, so ist das!

In Betracht kommt hier alleine ein Ausschluss wegen der objektiven Zurechnung, wobei T durch das Rufen des Arztes nach herrschender Meinung ein neues Risiko geschaffen hat, das sich auch verwirklicht. Daher ist der objektive Tatbestand erfüllt. Auch Vorsatz liegt vor.

3. Das Rufen des Notarztes ist aber gerechtfertigt.

Ja, in der Tat!

Es liegt entweder eine rechtfertigende (mutmaßliche) Einwilligung vor oder aber ein rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB), da das Leben die körperliche Unversehrtheit überwiegt. Dabei kommt es zwar auch auf den Vorsatz in Bezug auf den Notstand an, dieser liegt aber vor und wird durch das Nebenziel der Erblindung nicht ausgeschlossen.

4. Es liegt nach der Rechtsprechung eine vollendete schwere Körperverletzung vor.

Ja!

Der Täter kann die schwere Körperverletzung auch fahrlässig herbeiführen. Die Rechtsprechung rechnet den Erfolg auch dann zu, wenn dieser durch die notwendige ärztliche Behandlung eintritt, die auf der ursprünglichen Körperverletzung beruht. Obwohl O erst durch die ärztliche Behandlung erblindet, ist dies der T zurechenbar. Nach einer anderen Ansicht ist der Tatbestand der schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 StGB) nur dann erfüllt, wenn die schwere Folge unmittelbar auf der Körperverletzung beruht. O ist erst durch die ärztliche Behandlung erblindet, so dass der Tatbestand danach nicht erfüllt wäre.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Linda

Linda

23.12.2022, 13:42:45

Warum hatte T zu Beginn der Tat keinen Vorsatz bezüglich der schweren Körperverletzung, wenn es ihr doch gerade darauf ankam ihn so schwer zu verletzen, dass O daran verstirbt?

DO

Doli

28.12.2022, 17:46:14

Ich sehe es auch so, dass T beim Zustechen Vorsatz hat. Da es sich bei der schweren KV ja um eine Erfolgsqualifikation handelt, braucht es nur Vorsatz bzgl der „normalen“ KV, welcher ja im Tötungsvorsatz enthalten ist

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.1.2023, 10:22:45

Hallo Doli, in der Tat genügt es für die vollendete schwere Körperverletzung, wenn die schwere Folge fahrlässig herbeigeführt wird. Deswegen wird im Ergebnis die Strafbarkeit auch bejaht (letzte Frage). Die Frage zu Beginn sollte indes darauf abstellen, ob die schwere Folge nicht nur fahrlässig, sondern ggfs. sogar vorsätzlich herbeigeführt wurde. Relevant wird diese Unterscheidung letztlich im Hinblick auf die Strafzumessung. @Linda: Im Hinblick auf die Ableitung des Vorsatzes aus dem Tötungsvorsatz musst Du etwas aufpassen.

§ 226 StGB

ist letztlich darauf angelegt, dass der Täter langwierige Folgen herbeiführt. Der Vorsatz bezüglich eines schnellen Todes und der Vorsatz bezüglich einer langwierigen schweren Folge schließen sich deswegen tatbestandlich regelmäßig aus. Ausnahmsweise kommt dies in Betracht bei einem späten Tod, zB nach Ansteckung mit dem HI-Virus, längerem

Siechtum

und anschließendem Tod (vgl. MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl. 2021, StGB § 226 Rn. 48). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juraluchs

Juraluchs

18.5.2023, 14:31:16

Was haltet ihr davon, bzgl. des Notrufs schon das Setzen einer rechtlich missbilligten Gefahr zu verneinen? Dass das auch eine tatbestandsmäßige KV sein soll, finde ich nicht so stimmig.


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