Erfolgsqualifikation 9

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte O aus Rache töten. Als sie gerade auf O eingestochen hat, bereut sie die Tat und ruft einen Notarzt. Dabei hofft sie, dass O zwar überlebt, aber durch die ärztliche Behandlung erblindet, weil er zumindest das verdient hat. O überlebt, aber erblindet aufgrund der ärztlichen Behandlung.

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Einordnung des Falls

Erfolgsqualifikation 9

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T auf O einsticht, hat sie eine vorsätzliche schwere Körperverletzung verwirklicht (§ 226 Abs. 1 StGB).

Nein!

Der Vorsatz muss im Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen (vgl. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Zum Zeitpunkt der Körperverletzung liegt kein Vorsatz vor, sodass keine vorsätzliche schwere Körperverletzung vorliegt.
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2. Als T den Notarzt ruft, hat sie Vorsatz hinsichtlich einer vorsätzlichen schweren Körperverletzung.

Genau, so ist das!

In Betracht kommt hier alleine ein Ausschluss wegen der objektiven Zurechnung, wobei T durch das Rufen des Arztes nach herrschender Meinung ein neues Risiko geschaffen hat, das sich auch verwirklicht. Daher ist der objektive Tatbestand erfüllt. Auch Vorsatz liegt vor.

3. Das Rufen des Notarztes ist aber gerechtfertigt.

Ja, in der Tat!

Es liegt entweder eine rechtfertigende (mutmaßliche) Einwilligung vor oder aber ein rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB), da das Leben die körperliche Unversehrtheit überwiegt. Dabei kommt es zwar auch auf den Vorsatz in Bezug auf den Notstand an, dieser liegt aber vor und wird durch das Nebenziel der Erblindung nicht ausgeschlossen.

4. Es liegt nach der Rechtsprechung eine vollendete schwere Körperverletzung vor.

Ja!

Der Täter kann die schwere Körperverletzung auch fahrlässig herbeiführen. Die Rechtsprechung rechnet den Erfolg auch dann zu, wenn dieser durch die notwendige ärztliche Behandlung eintritt, die auf der ursprünglichen Körperverletzung beruht. Obwohl O erst durch die ärztliche Behandlung erblindet, ist dies der T zurechenbar. Nach einer anderen Ansicht ist der Tatbestand der schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 StGB) nur dann erfüllt, wenn die schwere Folge unmittelbar auf der Körperverletzung beruht. O ist erst durch die ärztliche Behandlung erblindet, so dass der Tatbestand danach nicht erfüllt wäre.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Linda

Linda

23.12.2022, 13:42:45

Warum hatte T zu Beginn der Tat keinen

Vorsatz

bezüglich der schweren Körperverletzung, wenn es ihr doch gerade darauf ankam ihn so schwer zu verletzen, dass O daran verstirbt?

DO

Doli

28.12.2022, 17:46:14

Ich sehe es auch so, dass T beim Zustechen

Vorsatz

hat. Da es sich bei der schweren KV ja um eine Erfolgsqualifikation handelt, braucht es nur

Vorsatz

bzgl der „normalen“ KV, welcher ja im Tötungs

vorsatz

enthalten ist

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.1.2023, 10:22:45

Hallo Doli, in der Tat genügt es für die vollendete schwere Körperverletzung, wenn die schwere Folge fahrlässig herbeigeführt wird. Deswegen wird im Ergebnis die Strafbarkeit auch bejaht (letzte Frage). Die Frage zu Beginn sollte indes darauf abstellen, ob die schwere Folge nicht nur fahrlässig, sondern ggfs. sogar vorsätzlich herbeigeführt wurde. Relevant wird diese Unterscheidung letztlich im Hinblick auf die Strafzumessung. @Linda: Im Hinblick auf die Ableitung des

Vorsatz

es aus dem Tötungs

vorsatz

musst Du etwas aufpassen.

§ 226 StGB

ist letztlich darauf angelegt, dass der Täter langwierige Folgen herbeiführt. Der

Vorsatz

bezüglich eines schnellen Todes und der

Vorsatz

bezüglich einer langwierigen schweren Folge schließen sich deswegen tatbestandlich regelmäßig aus. Ausnahmsweise kommt dies in Betracht bei einem späten Tod, zB nach Ansteckung mit dem HI-Virus, längerem

Siechtum

und anschließendem Tod (vgl. MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl. 2021, StGB § 226 Rn. 48). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juraluchs

Juraluchs

18.5.2023, 14:31:16

Was haltet ihr davon, bzgl. des Notrufs schon das Setzen einer rechtlich missbilligten Gefahr zu verneinen? Dass das auch eine tatbestandsmäßige KV sein soll, finde ich nicht so stimmig.

erikxxx

erikxxx

13.11.2024, 17:24:53

Hallo zusammen, ich stehe gerade am Ende meines Lerntages und komme bei der Frage des Rücktritts vom Grundtatbestand und der Qualifikation nicht so recht weiter. Nach meiner Auffassung gilt: Wenn der Täter vom versuchten Grundtatbestand zurücktritt, umfasst der Rücktritt auch die Qualifikation, solange diese ebenfalls nur versucht wurde. Wenn der Täter jedoch den Grundtatbestand bereits vollendet hat, kann er nur noch von der Qualifikation zurücktreten, nicht aber vom Grundtatbestand. Bei einem erfolgsqualifizierten Versuch sollte der Täter doch vom versuchten Grunddelikt zurücktreten können, während die Erfolgsqualifikation weiterhin strafbar bleibt, oder?


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