Erfolgsqualifikation 9
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T möchte O aus Rache töten. Als sie gerade auf O eingestochen hat, bereut sie die Tat und ruft einen Notarzt. Dabei hofft sie, dass O zwar überlebt, aber durch die ärztliche Behandlung erblindet, weil er zumindest das verdient hat. O überlebt, aber erblindet aufgrund der ärztlichen Behandlung.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Erfolgsqualifikation 9
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T auf O einsticht, hat sie eine vorsätzliche schwere Körperverletzung verwirklicht (§ 226 Abs. 1 StGB).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Als T den Notarzt ruft, hat sie Vorsatz hinsichtlich einer vorsätzlichen schweren Körperverletzung.
Genau, so ist das!
3. Das Rufen des Notarztes ist aber gerechtfertigt.
Ja, in der Tat!
4. Es liegt nach der Rechtsprechung eine vollendete schwere Körperverletzung vor.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
Jurafuchs kostenlos testen
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Linda
23.12.2022, 13:42:45
Warum hatte T zu Beginn der Tat keinen Vorsatz bezüglich der schweren Körperverletzung, wenn es ihr doch gerade darauf ankam ihn so schwer zu verletzen, dass O daran verstirbt?
Doli
28.12.2022, 17:46:14
Ich sehe es auch so, dass T beim Zustechen Vorsatz hat. Da es sich bei der schweren KV ja um eine Erfolgsqualifikation handelt, braucht es nur Vorsatz bzgl der „normalen“ KV, welcher ja im Tötungsvorsatz enthalten ist
Lukas_Mengestu
5.1.2023, 10:22:45
Hallo Doli, in der Tat genügt es für die vollendete schwere Körperverletzung, wenn die schwere Folge fahrlässig herbeigeführt wird. Deswegen wird im Ergebnis die Strafbarkeit auch bejaht (letzte Frage). Die Frage zu Beginn sollte indes darauf abstellen, ob die schwere Folge nicht nur fahrlässig, sondern ggfs. sogar vorsätzlich herbeigeführt wurde. Relevant wird diese Unterscheidung letztlich im Hinblick auf die Strafzumessung. @Linda: Im Hinblick auf die Ableitung des Vorsatzes aus dem Tötungsvorsatz musst Du etwas aufpassen.
§ 226 StGBist letztlich darauf angelegt, dass der Täter langwierige Folgen herbeiführt. Der Vorsatz bezüglich eines schnellen Todes und der Vorsatz bezüglich einer langwierigen schweren Folge schließen sich deswegen tatbestandlich regelmäßig aus. Ausnahmsweise kommt dies in Betracht bei einem späten Tod, zB nach Ansteckung mit dem HI-Virus, längerem
Siechtumund anschließendem Tod (vgl. MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl. 2021, StGB § 226 Rn. 48). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Juraluchs
18.5.2023, 14:31:16
Was haltet ihr davon, bzgl. des Notrufs schon das Setzen einer rechtlich missbilligten Gefahr zu verneinen? Dass das auch eine tatbestandsmäßige KV sein soll, finde ich nicht so stimmig.