Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Rücktritt vom beendeten Versuch – Verhinderung des Eintritts des Taterfolgs (subjektive Komponente)

Rücktritt vom beendeten Versuch – Verhinderung des Eintritts des Taterfolgs (subjektive Komponente)

3. Juni 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte O durch einen Autounfall töten und fährt ihr daher auf der Landstraße entgegen. Dann wechselt er die Spur, um O frontal zu rammen. Kurz darauf denkt er um und bremst stark, da er erkennt, dass ein tödlicher Unfall selbst dann die Folge wäre, wenn er einfach nur aufhörte Gas zu geben. Die Kollision ist nur leicht und beide bleiben unverletzt. Der Unfall hätte tödlich geendet, wenn O nicht ebenfalls stark gebremst hätte.

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Einordnung des Falls

Rücktritt vom beendeten Versuch – Verhinderung des Eintritts des Taterfolgs (subjektive Komponente)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ts Versuch des Totschlags (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) ist fehlgeschlagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. T dachte, dass seine Tat zur Vollendung führen würde.
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2. Es liegt ein beendeter Versuch vor.

Ja!

Ein Versuch gilt dann als beendet, wenn der Täter glaubt, dass er alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Dabei reicht es aus, dass der Täter es für möglich hält, dass er alles Erforderliche getan hat, aber auch, wenn er sich keine Gedanken macht, aber die Möglichkeit sieht. T hat erkannt, dass der Unfall auch tödlich geendet hätte, wenn er nur aufgehört hätte Gas zu geben. Er musste daher keine weiteren Handlungen vornehmen, damit der Erfolg eintritt. Vielmehr hätte seine bisherige Tathandlung bereits zum Erfolg geführt, was er auch erkannte.

3. T hat den Eintritt des Taterfolges verhindert (§ 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Bei beendeten Versuchen ist es erforderlich, dass der Täter den Eintritt des Erfolges verhindert. Dafür muss der Täter objektiv für die Erfolgsverhinderung kausal geworden sein. In subjektiver Hinsicht muss der Täter den von ihm in Gang gesetzten Kausalverlauf bewusst und gewollt unterbrechen. Das starke Abbremsen des T war alleine nicht kausal dafür, dass O nicht tödlich verletzt wurde. Das Bremsen durch O war ebenfalls zur Erfolgsabwendung erforderlich. Mitursächlichkeit ist nach der Rechtsprechung jedoch ausreichend, da auch in diesem Fall die Handlung kausal war: Sie kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg eintreten würde.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PH

Philippe

12.6.2022, 21:53:33

Fehlt es hier aber nicht am Verhinderungsvorsatz? T wollte die Tat weiter vollenden, eben nur mit weniger Geschwindigkeit. Nach seiner Vorstellung wäre ein tödlicher Unfall auch im Falle des Abbremsens die Folge. Dementsprechend kann darin doch kein

Rücktritt

liegen, weil er an dem Plan der Deliktsvollendung festhält.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.6.2022, 14:08:15

Hallo Phlippe, schau hier gerne noch einmal in den Sachverhalt. Dass T die Tat weiter vollenden wollte, ergibt sich hieraus unserer Ansicht nicht. Vielmehr war ihm bewusst, dass er die Tat vollenden würde, wenn er nur aufhören würde Gas zu geben. Da T aber die Tat nicht mehr vollenden wollte, bremste er ab. Unerheblich ist dabei, dass allein dies noch nicht ausgereicht hätte, sondern zusätzlich

erforderlich

war, dass auch O hier ein Bremsmanöver einleitete. Ist es jetzt etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PH

Philippe

16.6.2022, 21:44:26

Ja, ich habe das stark Bremsen mit dem Aufhören, Gas zu geben, gleichgesetzt und dachte, er will O töten, indem er aufhört, Gas zu geben.

Michi K

Michi K

22.2.2025, 18:09:07

Er hat den

Kausalverlauf

nicht bewusst und gewollt unterbrochen, er denkt ja gerade, dass auch weniger Gas ausreicht um den tatbestandlichen Erfolg zu erreichen. Die Antwort der Aufgabe ist falsch!

PAUL1

paul1ne

30.3.2025, 14:35:18

Ich habe den Fall so gelesen wie Philippe- vielleicht könnte man hier etwas klarer formulieren?😅

Gruttmann

Gruttmann

24.6.2024, 19:59:44

Ich verstehe nicht ganz, wieso der Versuch hier nicht fehlgeschlagen ist. Die Definition spricht davon, dass der Versuch fehlgeschlagen ist, wenn der Täter glaubt den Erfolg nicht mehr herbeiführen zu können, ohne eine neue Kausalkette etc in Gang zu setzen. Dies wird dann in diesem Fall subsumiert, dass er dachte das seine Tat zur Vollendung führen würde. Der Täter denkt doch fast immer, dass sein handeln zur Vollendung führt. Darüber hinaus ist doch gerade deshalb, der Versuch fehlgeschlagen, da der Täter eine neue Kausalkette in Gang setzen müsste (wie das Opfer jetzt erschießen oder so). Also ich frage mich wieso der Versuch hier fehlgeschlagen ist..

NIC

Nico

29.9.2024, 18:13:45

Der Versuch ist deshalb nicht fehlgeschlagen, weil er weiss, dass er, nachdem er auf der Gegenspur ist, nichts mehr machen muss, außer die Richtung zu halten. Eine neue Kausalkette wäre so etwas wie erneut Gas geben oder ein Ausweichmanöver des gegenüber entgegenzuwirken, indem er in seine Richtung lenkt.

Kai

Kai

4.12.2024, 08:59:42

@[Gruttmann ](218432)Die Frage hatte ich mir auch gestellt. Das Ergebnis dürfte aber stimmen. Maßgeblich kommt es darauf an, welchen Zeitpunkt man anwendet, um den Fehlschlag zu bestimmen. Das ist nach hM unmittelbar nach der letzten Ausführungshandlung. Wenn man die Ausführungshandlung hier als das "Rüberziehen" auf die Gegenspur betrachtet, war der T sich in diesem Zeitpunkt sicher, den Erfolg auf diese Weise herbeiführen zu können. Den Fehlschlag in diesem Punkt anzuknüpfen, macht auch Sinn: Das "nicht weiter Gas geben" danach ist ja laut Lösung gerade keine Tathandlung, sondern eine "

Rücktritt

shandlung". Siehe die Antwort von @[Lukas_Mengestu](136780) im anderen Thread: Der Täter erkannte, dass er den Erfolg auch verwirklichen würde, wenn er nicht weiter Gas gibt. Dabei fand jedoch laut SV schon ein "Umdenken" statt, dass zumindest dahingehend interpretiert werden kann, dass der Täter die Tat eigentlich nicht mehr wollte, nur den Erfolg als sicher ansah. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf (aA hinsichtlich der Auslegung des SV wohl vertretbar, ich bin wie du darüber gestolpert) liegt natürlich kein Fehlschlag vor, der Täter war unmittelbar nach der letzten Ausführungshandlung und darüber hinaus sogar noch nach der

Rücktritt

shandlung davon überzeugt, dass der Erfolg auch ohne einen weiteren, neu zu setzenden

Kausalverlauf

eintreten werde.


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