Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 831 BGB

Verkehrsrichtiges Verhalten

Verkehrsrichtiges Verhalten

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

O steht in einem ICE der Deutschen Bahn (DB). Als Bahnführerin B losfährt, stürzt O bei der Anfahrt und bricht sich den Arm. Das Fahrverhalten der B war ordnungsgemäß, was die DB auch dem O nachweist.

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Einordnung des Falls

Verkehrsrichtiges Verhalten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O kann von B Schadensersatz für seine Körperverletzung verlangen (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der haftungsbegründende Tatbestand von § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) eine Rechtsgutsverletzung beim Anspruchssteller, (2) die durch ein Verhalten des Anspruchsgegners, (3) kausal, (4) rechtswidrig und (5) schuldhaft verursacht wurde, wodurch (6) ein kausaler Schaden entstanden ist. Ein Verletzungserfolg (Körperverletzung) durch zurechenbares Verhalten (Anfahren) liegt vor; die Rechtswidrigkeit wird nach der Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert. Da B aber ordnungsgemäß angefahren ist, fehlt es am Verschulden.
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2. B ist Verrichtungsgehilfin der DB, sodass hinsichtlich der DB eine Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.

Ja!

Erste Voraussetzung für eine Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 BGB ist, dass er "einen anderen zu einer Verrichtung bestellt hat". Verrichtungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und von den Weisungen des Geschäftsherrn abhängig ist. Für die Weisungsgebundenheit genügt, dass der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden beschränken, entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann. B ist als Arbeitnehmerin von den Weisungen der DB abhängig und wird in deren Interesse tätig.

3. Für die "unerlaubte Handlung des Verrichtungsgehilfen" im Rahmen von § 831 Abs. 1 S. 1 BGB ist Verschulden erforderlich.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Verrichtungsgehilfe muss den Verletzten "widerrechtlich" geschädigt haben, also eine unerlaubte Handlung begangen haben (§ 823ff. BGB). Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, kommt es - anders als beim Geschäftsherrn - auf ein Verschulden des Verrichtungsgehilfen selbst grundsätzlich nicht an. § 831 BGB statuiert damit eine Haftung nur für eigenes Verschulden des Geschäftsherrn.

4. B hat als Verrichtungsgehilfin eine widerrechtliche unerlaubte Handlung begangen (§ 823 Abs. 1 BGB) .

Ja, in der Tat!

Da es auf ein Verschulden nicht ankommt, ist allein die Rechtswidrigkeit fraglich. Diese ist nach der Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert. Die Schädigung der B ist widerrechtlich (§ 823 Abs. 1 BGB). Als Rechtfertigungsgrund kam früher die vom BGH entwickelte Rechtsfigur des "verkehrsrichtigen Verhaltens" in Betracht. Nach dieser Rechtsfigur sollte bei ordnungsgemäßem Verhalten eines Teilnehmers am Straßen- oder Eisenbahnverkehr im Sinne des Einhaltens der spezifischen Verkehrsvorschriften keine rechtswidrige Schädigung vorliegen, sodass eine Haftung aus § 831 BGB nicht mehr in Betracht kam. Diese Rechtsfigur wird jedoch heute nicht mehr angewendet.

5. Die Schädigung durch B erfolgte "in Ausführung der Verrichtung" (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Der Gehilfe muss in Ausführung der Verrichtung gehandelt haben, zu der er vom Geschäftsherrn bestellt worden ist. Dafür ist erforderlich, dass die Schädigung in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Aufgabe steht. An diesem Zusammenhang fehlt es nach h.M., wenn der Gehilfe im Rahmen seiner Tätigkeit rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in Berührung kommt und die Gelegenheit nutzt, um eine von den ihm übertragenen Aufgaben losgelöste unerlaubte Handlung vorzunehmen. O verletzte sich, als B anfuhr.

6. Die DB haftet für die widerrechtliche Schädigung durch ihre Verrichtungsgehilfin, wenn sie sich nicht exkulpieren kann.

Genau, so ist das!

Hat der Verrichtungsgehilfe einen anderen geschädigt, wird vermutet, dass die rechtswidrige Schädigung (1) kausal auf ein (2) Verschulden des Geschäftsherrn zurückgeht (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). § 831 BGB ist damit eine Haftung für vermutetes Eigenverschulden des Geschäftsherrn. Eine Exkulpation des Geschäftsherrn entkräftet diese Vermutung. Dabei genügt, dass entweder die Verschuldensvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) oder die Kausalitätsvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB) widerlegt wird. Er muss dafür beweisen, dass er den Verrichtungsgehilfen sorgsam ausgewählt und geleitet hat oder der Schaden selbst dann entstanden wäre, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl und Überwachung des Gehilfen die gebotene Sorgfalt beachtet hätte.

7. Die DB kann sich hinsichtlich ihres Verschuldens exkulpieren.

Nein, das trifft nicht zu!

Es wird vermutet, dass der Geschäftsherr den Verrichtungsgehilfen nicht ausreichend (1) ausgewählt oder (2) überwacht oder (3) Vorrichtungen und Gerätschaften nicht sorgfältig beschafft hat (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB). Hiervon hat sich die DB nicht entlastet, es bleibt also bei einer schuldhaften Pflichtverletzung.

8. Die DB kann sich hinsichtlich der Kausalität ihrer Pflichtverletzung exkulpieren.

Ja!

Es wird vermutet, dass die Pflichtverletzung des Geschäftsherrn (ordnungsgemäße Auswahl, Anleitung, Ausrüstung) für die Schädigung ursächlich geworden ist (Kausalitätsvermutung). Die Vermutung ist widerlegbar (§ 292 ZPO), wenn der Geschäftsherr beweist, dass der Schaden selbst dann entstanden wäre, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl und Überwachung des Gehilfen die gebotene Sorgfalt beachtet hätte (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB). Hier hat sich B ordnungsgemäß verhalten. Auch ein sorgfältig ausgewählter, angeleiteter und ausgerüsteter Bahnführer hätte die Verletzung nicht vermeiden können. Denn auch dieser kann sich nicht besser als verkehrsrichtig verhalten.
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