Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 831 BGB

Dezentralisierter Entlastungsbeweis und Organisationsverschulden

Dezentralisierter Entlastungsbeweis und Organisationsverschulden

15. August 2025

10 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Für Kauffrau K arbeitet der Betriebsleiter B, den K sorgfältig ausgewählt hat und fortlaufend überwacht. Als bei einem Bauprojekt der Baggerführer krankheitsbedingt ausfällt, setzt der für die Auswahl zuständige B mangels anderslautender Anweisung den jungen und völlig unerfahrenen J ein, der fahrlässig die Wand des angrenzenden Hauses des H einreißt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Dezentralisierter Entlastungsbeweis und Organisationsverschulden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K haftet für die widerrechtliche Schädigung durch ihren Verrichtungsgehilfen, wenn sie sich nicht exkulpieren kann.

Genau, so ist das!

Hat der Verrichtungsgehilfe einen anderen geschädigt, wird vermutet, dass die rechtswidrige Schädigung (1) kausal auf ein (2) Verschulden des Geschäftsherrn zurückgeht (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). § 831 BGB ist damit eine Haftung für vermutetes Eigenverschulden des Geschäftsherrn. Eine Exkulpation des Geschäftsherrn entkräftet diese Vermutung. Dabei genügt, dass entweder die Verschuldensvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) oder die Kausalitätsvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB) widerlegt wird. Er muss dafür beweisen, dass er den Verrichtungsgehilfen sorgsam ausgewählt und geleitet hat oder der Schaden selbst dann entstanden wäre, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl und Überwachung des Gehilfen die gebotene Sorgfalt beachtet hätte.
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2. In einem größeren Betrieb muss der Betriebsinhaber jeden einzelnen Mitarbeiter persönlich auswählen und überwachen.

Nein, das trifft nicht zu!

Wenn der Inhaber eines größeren Betriebes einen Mitarbeiter zur Leitung und Beaufsichtigung eingestellt hat (Zwischenperson) und ein von der Zwischenperson ausgewählter und überwachter untergeordneter Betriebsangehöriger einen Schaden anrichtet, dann kann sich der Inhaber damit entlasten, dass er (1) die Zwischenpersonen sorgfältig ausgewählt und überwacht habe oder (2) dass der Schaden auch bei sorgfältiger Auswahl und Überwachung der Zwischenpersonen eingetreten wäre (dezentralisierter Entlastungsbeweis). Grund: Der Inhaber eines größeren Unternehmens darf sich bestimmter Zwischenpersonen für die Einstellung und Überwachung nachgeordneter Personen bedienen, weil sich die Auswahl- und Überwachungspflicht des Geschäftsherrn selbst unmöglich auf alle Betriebsangehörige erstrecken kann.

3. K kann sich hier exkulpieren, weil sie den B als Zwischenperson sorgfältig ausgewählt und überwacht hat.

Ja!

K hat B sorgfältig ausgewählt und überwacht, so dass sie sich von der Verschuldensvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB) exkulpieren kann. Wenn sich der Geschäftsherr von der Verschuldensvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB) exkulpieren kann, kommt es für die Entlastung des Geschäftsherrn nicht mehr darauf an, ob die Zwischenperson ihrerseits den Verrichtungsgehilfen (Schädiger) sorgsam ausgewählt und überwacht hat.

4. Der Betriebsinhaber kann in diesen Fällen jedoch nach § 823 Abs. 1 BGB haften, wenn er seine Organisationspflicht verletzt (Organisationsverschulden).

Genau, so ist das!

Den Betriebsinhaber trifft eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht, seinen Betrieb so zu organisieren, dass für Dritte keine Gefahren entstehen (allgemeine Organisationspflicht). Diese allgemeine Verkehrssicherungspflicht kann der Geschäftsherr nicht völlig auf einen Dritten übertragen. Verletzt der Geschäftsherr seine (nicht delegierbare) Organisationspflicht, so kann eine rechtswidrige und schuldhafte Schädigung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB vorliegen.

5. K haftet nach § 823 Abs. 1 BGB wegen ihres Organisationsverschuldens.

Ja, in der Tat!

Im Rahmen seiner Organisationspflicht muss der Geschäftsherr allgemeine Aufsichtsanordnungen treffen, welche die Gewähr für eine ordentliche Betriebsführung bieten. Dazu gehören bei gefährlichen Arbeiten auch Anweisungen über Eignung und Einsatz von Ersatzleuten. Da K dieser Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist, haftet sie nach § 823 Abs. 1 BGB.
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