Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Unmöglichkeit (§ 275 BGB) (Leistungsstörungsrecht)

Gattungsschuld: Zeitpunkt der Konkretisierung bei Holschuld mit Abnahmefrist

Gattungsschuld: Zeitpunkt der Konkretisierung bei Holschuld mit Abnahmefrist

19. Mai 2025

15 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Trainerin T bestellt bei Verkäufer V für ihre Fußballmannschaft 10 Bälle der Marke „Goal“ für insgesamt €200. Beide vereinbaren, dass T die Bälle spätestens zwei Tage später im Laden des V abholt und V sie in der Zwischenzeit bereitstellt. V stellt die Bälle bereit und benachrichtigt T darüber. Noch vor Ablauf der Frist brennt Vs Laden vollständig aus.

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Einordnung des Falls

Bei Leistungen, die nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt sind (= Gattungsschuld), schuldet der Schuldner eine Sache mittlerer Art und Güte (§ 243 BGB). Geht die geschuldete Sache unter, so erlischt die Leistungspflicht deshalb nur, wenn der Schuldner bereits alles zur Leistung Erforderliche getan hat und der Leistungsgegenstand dadurch „konkretisiert“ wurde (§ 243 Abs. 2 BGB). Der vorliegende Fall behandelt die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Konkretisierung eintritt, wenn der Gläubiger verpflichtet ist, den Leistungsgegenstand abzuholen (Holschuld) und hierfür auch eine Abnahmefrist vereinbart wurde.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T und V haben vereinbart, dass T die Bälle in Vs Laden abholt. Damit liegt eine Holschuld vor.

Ja!

Der Leistungsort richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung der Parteien oder den Umständen des Schuldverhältnissen. Ist keine Vereinbarung getroffen und ergibt sich der Leistungsort auch nicht aus den Umständen, so muss der Schuldner die Leistungshandlung an seinem Wohnsitz (§ 269 Abs. 1 BGB) bzw. Gewerbesitz (§ 269 Abs. 2 BGB) vornehmen.T und V haben ausdrücklich vereinbart, dass T die Bälle bei V abholt. Damit soll die Leistung am Ort des Schuldners erfolgen und die Parteien haben eine Holschuld vereinbart. Bei der Holschuld liegen der Leistungsort (Anbieten der Bälle) und der Erfolgsort (Übergang des Eigentums der Bälle) beide am Sitz des Schuldners.
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2. Sobald V die Bälle bereitgestellt und T benachrichtigt hat, ist es zur Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) gekommen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Konkretisierung müsste der Schuldner das zur Leistung seinerseits erforderliche getan haben (§ 243 Abs. 2 BGB). Bei Holschulden muss der Schuldner die Sache mittlerer Art und Güte bereitstellen, den Gläubiger benachrichtigen und zur Abholung auffordern. Im Falle einer vereinbarten Abnahmefrist tritt allerdings erst mit erfolglosem Verstreichen dieser Konkretisierung ein. V hat die Bälle zwar ausgesondert und T darüber informiert. Noch vor Ablauf der Abnahmefrist wurden diese allerdings zerstört. Somit ist es nicht zur Konkretisierung gekommen.Auch ohne explizite Vereinbarung einer Abnahmefrist ergibt sich nach den Umständen des Einzelfalles nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine angemessene Abnahmefrist.

3. T kann von V Übergabe und Übereignung anderer 10 Bälle der Marke „Goal“ verlangen.

Ja, in der Tat!

Vor der Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) führt bei Gattungsschulden nur der Untergang der Gattung bzw. die fehlende Verfügbarkeit auf dem Markt zur Unmöglichkeit. Da die Abnahmefrist noch nicht abgelaufen war, ist die Leistungspflicht des V nicht auf die ausgesonderten Bälle beschränkt. Anhaltspunkte, dass V die Bälle nicht noch einmal bestellen kann, liegen nicht vor. T kann weiterhin Übergabe und Übereignung der Bälle verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

20.7.2022, 13:41:17

Bei der Abnahmefrist habe ich es mir immer so gemerkt, dass durch die

Fristsetzung

die im Sinne des § 243 Abs. 2 BGB

erforderlich

e Leistungshandlung um das Bereithalten ge

schuld

eten Sache bis zum Fristende erweitert wird.

STE

Stella2244

13.5.2025, 15:23:31

sehr nice!

ALE

alexd.227

4.7.2024, 12:57:30

Die beiden Parteien haben bereits vereinbart, dass 2 Tage nach der Kommunikation die Bälle abgeholt werden sollen. Muss dennoch zur Abholung aufgefordert werden, damit eine

Konkretisierung

vorliegt?

LO

Lorenz

16.10.2024, 14:49:34

Ich glaube, da ist der SV unsauber. Lebensnah wird die Kommunikation zB Montags stattfinden, die Lieferung/Mitteilung zB Donnerstag und Ablauf der Frist Samstag.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.4.2025, 10:57:57

Hallo @[alexd.227](223652), hallo @Lorenz, zunächst zu Deiner Frage, alexd.227: Die Parteien haben vereinbart, dass die Bälle spätestens (!) 2 Tage nach der Kommunikation abgeholt werden sollen. Wenn eine solche Vereinbarung vorliegt, genügt es für eine

Konkretisierung

, dass der Händler die Bälle bereit legt und die vereinbarte Abholfrist verstreicht (vgl auch § 296 S 1 BGB). Eine gesonderte Aufforderung ist dann grds nicht nötig, schadet aber auch nicht. Klar ist allerdings, dass eine

Konkretisierung

noch nicht vorliegen kann, wenn die vereinbarte Abholfrist noch nicht verstrichen ist - ganz unabhängig von einer vor Ablauf dieser Frist erfolgenden Aufforderung des

Schuld

ners (näher MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl 2022, § 243 Rn 29). Zu Deinem Hinweis, Lorenz: Es geht um das genaue Verhältnis zwischen einer vereinbarten Abnahmefrist, einer (davon unabhängigen) Information/Benachrichtigung über die Bereitstellung und der

Konkretisierung

. Die genauen Wochentage spielen dafür zunächst mal keine Rolle. Ich sehe nicht, dass die Sachverhaltsdarstellung hier unsauber wäre. Wir haben das aber jetzt sprachlich noch einmal leicht angepasst, damit es hoffentlich nicht zu Missverständnissen kommt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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