Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Unmöglichkeit (§ 275 BGB) (Leistungsstörungsrecht)

Gattungsschuld: Zeitpunkt der Konkretisierung bei Holschuld mit Abnahmefrist

Gattungsschuld: Zeitpunkt der Konkretisierung bei Holschuld mit Abnahmefrist

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Trainerin T bestellt bei Verkäufer V für ihre Fußballmannschaft 10 Bälle der Marke "Goal" für insgesamt €200. Beide vereinbaren, dass T die Bälle spätestens zwei Tage später im Laden des V abholt. V stellt die Bälle bereit und benachrichtigt T darüber. Noch vor Ablauf der Frist brennt Vs Laden vollständig aus.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Bei Leistungen, die nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt sind (=Gattungsschuld), schuldet der Schuldner eine Sache mittlerer Art und Güte (§ 243 BGB). Geht die geschuldete Sache unter, so erlischt die Leistungspflicht deshalb nur, wenn der Schuldner bereits alles zur Leistung Erforderliche getan hat und der Leistungsgegenstand dadurch „konkretisiert“ wurde (§ 243 Abs. 2 BGB). Der vorliegende Fall behandelt die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Konkretisierung eintritt, wenn der Gläubiger verpflichtet ist, den Leistungsgegenstand abzuholen (Holschuld) und hierfür auch eine Abnahmefrist vereinbart wurde.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T und V haben vereinbart, dass T die Bälle in Vs Laden abholt. Damit liegt eine Holschuld vor.

Ja!

Der Leistungsort richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung der Parteien oder den Umständen des Schuldverhältnissen. Ist keine Vereinbarung getroffen und ergibt sich der Leistungsort auch nicht aus den Umständen, so muss der Schuldner die Leistungshandlung an seinem Wohnsitz (§ 269 Abs. 1 BGB) bzw. Gewerbesitz (§ 269 Abs. 2 BGB) vornehmen.T und V haben ausdrücklich vereinbart, dass T die Bälle bei V abholt. Damit soll die Leistung am Ort des Schuldners erfolgen und die Parteien haben eine Holschuld vereinbart. Bei der Holschuld liegen der Leistungsort (Anbieten der Bälle) und der Erfolgsort (Übergang des Eigentums der Bälle) beide am Sitz des Schuldner.
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2. Sobald V die Bälle bereitgestellt und T benachrichtigt hat, ist es zur Konkretisierung (§ 243 Abs.2 BGB) gekommen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Konkretisierung müsste der Schuldner das zur Leistung seinerseits erforderliche getan haben (§ 243 Abs.2 BGB). Bei Holschulden muss der Schuldner die Sache mittlerer Art und Güte bereitstellen, den Gläubiger benachrichtigen und zur Abholung auffordern. Im Falle einer vereinbarten Abnahmefrist tritt allerdings erst mit erfolglosem Verstreichen dieser Konkretisierung ein. V hat die Bälle zwar ausgesondert und T darüber informiert. Noch vor Ablauf der Abnahmefrist wurden diese allerdings zerstört. Somit ist es nicht zur Konkretisierung gekommen.Auch ohne explizite Vereinbarung einer Abnahmefrist ergibt sich nach den Umständen des Einzelfalles nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine angemessene Abnahmefrist.

3. T kann von V Übergabe und Übereignung anderer 10 Bälle der Marke "Goal" verlangen.

Ja, in der Tat!

Vor der Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) führt bei Gattungsschulden nur der Untergang der Gattung bzw. die fehlende Verfügbarkeit auf dem Markt zur Unmöglichkeit. Da die Abnahmefrist noch nicht abgelaufen war, ist die Leistungspflicht des V nicht auf die ausgesonderten Bälle beschränkt. Anhaltspunkte, dass V die Bälle nicht noch einmal bestellen kann, liegen nicht vor. T kann weiterhin Übergabe und Übereignung der Bälle verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

20.7.2022, 13:41:17

Bei der Abnahmefrist habe ich es mir immer so gemerkt, dass durch die Fristsetzung die im Sinne des § 243 Abs. 2 BGB erforderliche Leistungshandlung um das Bereithalten geschuldeten Sache bis zum Fristende erweitert wird.

ALE

alexd.227

4.7.2024, 12:57:30

Die beiden Parteien haben bereits vereinbart, dass 2 Tage nach der Kommunikation die Bälle abgeholt werden sollen. Muss dennoch zur Abholung aufgefordert werden, damit eine Konkretisierung vorliegt?


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