GS, Konkretisierung, Bringschuld

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T bestellt bei V 20 Trikots der Marke "Hattrick". Sie vereinbaren, dass V die Trikots am nächsten Tag 11 Uhr persönlich zur Wohnung der T bringt. Als V pünktlich erscheint, ist T nicht zu Hause. Daraufhin fährt V zurück. Auf der Rückfahrt werden die Trikots bei einem Unfall zerstört.

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Einordnung des Falls

GS, Konkretisierung, Bringschuld

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ts Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Trikots ist entstanden (§ 433 Abs. 1 BGB).

Ja!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). T und V haben einen Kaufvertrag über die 20 "Hattrick" Trikots abgeschlossen.
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2. Ob die Übergabe und Übereignung für V unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB), bestimmt sich nach der Art der vereinbarten Schuld.

Genau, so ist das!

Bei gegenstandsbezogenen Leistungspflichten hängt der Eintritt der Unmöglichkeit davon ab, ob noch ein geeigneter Leistungsgegenstand vorhanden ist. Dabei unterscheidet man Stück- und Gattungsschulden. Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Steht dieser nicht mehr zur Verfügung, so tritt Unmöglichkeit ein. Bei der Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) bestimmen die Parteien den Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung). Vor der Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) führt nur der Untergang der Gattung zur Unmöglichkeit.

3. T und V haben eine Stückschuld vereinbart.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Eine Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung) bestimmt ist.T hat bei V 20 Trikots der Marke "Hattrick" bestellt. Damit haben T und V die Leistung nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt und eine Gattungsschuld vereinbart.

4. Sofern V alles für seine Leistung Erforderliche getan hat, ist durch die Zerstörung der Trikots Unmöglichkeit eingetreten (§ 275 Abs. 1 BGB).

Ja!

Sofern der Schuldner alles zu seiner Leistung Erforderliche getan hat, so konkretisiert sich die Gattungsschuld (§ 243 Abs. 2 BGB). In der Konsequenz wird die Gattungsschuld ab dem Zeitpunkt der Konkretisierung behandelt wie eine Stückschuld. Geht der Leistungsgegenstand nach der Konkretisierung unter, so tritt also Unmöglichkeit ein (§ 275 Abs. 1 BGB).Man spricht hier auch von einem Übergang der Leistungsgefahr, also der Gefahr des zufälligen Untergangs des Leistungsgegenstandes. Bis zur Konkretisierung trägt diese der Schuldner, ab der Konkretisierung der Gläubiger.

5. Ab wann Konkretisierung eintritt, bestimmt sich nach der vereinbarten Leistungshandlung.

Genau, so ist das!

Mindestvoraussetzung der Konkretisierung ist die Auswahl und Aussonderung von Sachen mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB bzw. § 360 HGB). Im Übrigen ist der Ort an dem die Leistungshandlung zu erbringen ist (Leistungsort bzw. Erfüllungsort) maßgeblich. Hierbei unterscheidet man zwischen Hol-, Bring- und Schickschuld. Bei der Bringschuld liegt der Leistungsort beim Gläubiger. Der Schuldner ist daher verpflichtet, dem Gläubiger die ausgewählte Sache an dessen Wohnsitz tatsächlich anzubieten. Achtung Verwechslungsgefahr! Leistungs- und Erfüllungsort sind Synonyme. Als Erfolgsort bezeichnet man dagegen den Ort, an dem der geschuldete Leistungserfolg (nicht die Handlung) eintritt.

6. V ist verpflichtet, die Trikots zu T nach Hause bringen. Es liegt eine Bringschuld vor.

Ja, in der Tat!

Der Leistungsort richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung der Parteien oder den Umständen des Schuldverhältnissen. Ist keine Vereinbarung getroffen und ergibt sich der Leistungsort auch nicht aus den Umständen, so muss der Schuldner die Leistungshandlung an seinem Wohnsitz (§ 269 Abs. 1 BGB) bzw. Gewerbesitz (§ 269 Abs. 2 BGB) vornehmen.T und V haben ausdrücklich vereinbart, dass V die Trikots zu T bringt. Damit soll die Leistung am Ort des Gläubigers erfolgen und die Parteien haben eine Bringschuld vereinbart.Bei der Bringschuld liegen der Leistungsort (Anbieten der Trikots) und der Erfolgsort (Übergang des Eigentums der Trikots) beide am Sitz des Gläubigers.

7. Indem V der T die Trikots pünktlich gebracht hat, hat er die geschuldete Gattungsschuld konkretisiert (§ 243 Abs. 1 BGB).

Ja!

Bei der Bringschuld tritt Konkretisierung ein, wenn der Schuldner die ausgesonderten Sache von mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB bzw. § 360 HGB) dem Gläubiger bringt und in annahmeverzugsbegründender Weise so anbietet, dass er bloß noch zugreifen muss. Erforderlich ist hierfür ein tatsächliches Angebot(§ 294 Abs. 1 BGB). V und T haben vereinbart, dass V die Trikots am nächsten Tag 11 Uhr zu T bringt. Indem T zum vereinbarten Liefertermin nicht angetroffen werden kann, kommt es zur Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB). Ohne Liefertermin lägen die Voraussetzung für den Annahmeverzug dagegen nicht vor (vgl. § 299 BGB).

8. T kann von V Übergabe und Übereignung anderer "Hattrick"-Trikots verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Konkretisierung der Gattungsschuld ist der Eintritt der Unmöglichkeit nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Stückschuld zu beurteilen. Die Leistungspflicht beschränkt sich auf die Sache, an der der Schuldner das Erforderliche vorgenommen hat (§ 243 Abs.2 BGB). Indem V alles zur Erfüllung seiner Leistung Erforderliche vorgenommen hat, hat V die geschuldete Gattungssschuld auf die ausgesonderten 20 Trikots beschränkt (§ 243 Abs. 2 BGB). Da diese bei dem Unfall zerstört wurden, ist Ts Anspruch auf Übergabe und Übereignung von 20 Trikots der Marke "Hattrick" untergegangen (§ 275 Abs. 1 BGB).V kann seinerseits aber Erstattung des Kaufpreises verlangen. Der Kaufpreisanspruch ist nicht erloschen (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB). Mehr dazu im Kapitel Annahmeverzug.
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