Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Unmöglichkeit (§ 275 BGB) (Leistungsstörungsrecht)
GS, Konkretisierung, Bringschuld
GS, Konkretisierung, Bringschuld
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T bestellt bei V 20 Trikots der Marke "Hattrick". Sie vereinbaren, dass V die Trikots am nächsten Tag 11 Uhr persönlich zur Wohnung der T bringt. Als V pünktlich erscheint, ist T nicht zu Hause. Daraufhin fährt V zurück. Auf der Rückfahrt werden die Trikots bei einem Unfall zerstört.
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Einordnung des Falls
GS, Konkretisierung, Bringschuld
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ts Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Trikots ist entstanden (§ 433 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ob die Übergabe und Übereignung für V unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB), bestimmt sich nach der Art der vereinbarten Schuld.
Genau, so ist das!
3. T und V haben eine Stückschuld vereinbart.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Sofern V alles für seine Leistung Erforderliche getan hat, ist durch die Zerstörung der Trikots Unmöglichkeit eingetreten (§ 275 Abs. 1 BGB).
Ja!
5. Ab wann Konkretisierung eintritt, bestimmt sich nach der vereinbarten Leistungshandlung.
Genau, so ist das!
6. V ist verpflichtet, die Trikots zu T nach Hause bringen. Es liegt eine Bringschuld vor.
Ja, in der Tat!
7. Indem V der T die Trikots pünktlich gebracht hat, hat er die geschuldete Gattungsschuld konkretisiert.
Ja!
8. T kann von V Übergabe und Übereignung anderer "Hattrick"-Trikots verlangen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
20.7.2022, 14:00:32
Auf die Gefahr hin, dass ich den kommenden Fällen vorgreife: Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn V und T keinen konkreten Zeitpunkt, sondern einen Zeitraum vereinbart haben (bspw. anstatt “um 11 Uhr” “zwischen 10 und 12 Uhr”? Genügt für die
Konkretisierung der Gattungsschulddann das einmalige Anbieten innerhalb dieses Zeitraums?
Nora Mommsen
11.8.2022, 09:32:50
Hallo QuiGonTim, bei Vereinbarung einer Abnahmefrist können vor deren Ablauf weder Annahmeverzug (§ 296) noch Konkretisierung eintreten. In dem von dir skizzierten Fall läuft die Abholfrist erst um 12 Uhr ab. Viele Grü´ße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Francesca
8.11.2023, 06:23:39
Vielleicht ist dies eher eine Praxisfrage, aber muss der Schuldner „beweisen“, dass er bei einer Bringschuld am Wohn- bzw. Gewerbesitz des Gläubigers war?
se.si.sc
8.11.2023, 08:15:21
Grundsatz ist, dass jede Partei diejenigen Tatsachen darlegen (und im Fall des Bestreitens durch die Gegenseite auch beweisen) muss, die die für sie günstig sind, also diejenigen Tatsachen, die die Voraussetzungen einer für sie günstigen Rechtsnorm erfüllen (st Rspr, etwa BGH NJW-RR 2010, 1378, 1379). Wenn der Schuldner sich also auf die Unmöglichkeit und damit darauf beruft, dass er nicht (mehr) leisten muss, muss er die Voraussetzungen der Konkretisierung und damit im vorliegenden Fall sein tatsächliches Angebot am Wohnsitz des Gläubigers nachweisen (Details dazu dann im Ref).
LS2024
27.3.2024, 11:32:27
Hier wird doch der Annahmeverzug geprüft? Warum tauch das Wort “Annahmeverzug” in der Aufgabe nicht auf?
Leo Lee
29.3.2024, 08:32:56
Hallo LS2024, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat wurde hier nicht nach dem „Annahmeverzug“ gefragt, weshalb es auf den ersten Blick komisch scheinen mag, dass dieser auf einmal erwähnt wird. Dies haben wir allerdings deshalb hinzugefügt, da die Konkretisierung bei einer Bringschuld fast schon „unzertrennlich“ mit der Frage des Annahmeverzugs zusammenhängt; denn für die Konkretisierung bei einer Bringschuld ist nämlich erforderlich, dass der Schuldner die Sache dem Gläubiger in einer den Annahmeverzug BEGRÜNDEN Weise anbietet (heißt also, dass er es so anbieten muss, sodass anderenfalls der Gläubiger in Annahmeverzug gerät). Mithin richtet sich das „Anbieten“ nach dem § 294, was auch eine zentrale Voraussetzung des Annahmeverzugs statuiert. Summa summarum heißt das also: Damit der Schuldner bei Bringschuld konkretisieren kann, muss er die Sache so anbieten, dass der Gläubiger als Konsequenz in Annahmeverzug gerät. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Emmerich § 243 Rn. 26 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
luc1502
15.10.2024, 19:30:18
könnte man hier auch die Konkretisierung auf §300 II BGB stützen? LG
Lorenz
16.10.2024, 14:54:06
Ich würde sagen, dass der Rückgriff auf die Norm gar nicht nötig ist. Es wurde ja vertraglich vereinbart.
paulmachtexamen
19.10.2024, 12:59:13
@[luc1502](95177) also in meinen Augen kann man das sehr wohl. Aus dem Gesetz ergibt sich nämlich kein Rangverhältnis von 243 II und 300 II, sodass man nicht sagen kann, dass 243 II vorgehe. Allerdings würde ich immer mit 243 II beginnen, da die Norm öfter als 300 II zur Anwendung kommt. 300 II hat nur eigenständige Bedeutung, wenn ein tatsächliches Angebot (294) nach 295 oder 296 entbehrlich ist. Dann kann nämlich eine Konkretisierung nach 243 II nicht eintreten. Das ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Nichtsdestotrotz würde ich in der Klausur stets beides ansprechen.