Unzulässiger Vollstreckungsbescheid

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gegen einen Mahnbescheid legt B am 01.06. verspätet Widerspruch ein. Der Rechtspfleger übersieht diesen und erlässt am 04.06. den Vollstreckungsbescheid. B legt dagegen Einspruch ein. Im Einspruchstermin ist B allerdings säumig.

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Einordnung des Falls

Unzulässiger Vollstreckungsbescheid

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da B zu spät Widerspruch eingelegt hat, musste dieser nicht beachtet werden und der Vollstreckungsbescheid erging zulässigerweise.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Gericht erlässt auf Antrag einen Vollstreckungsbescheid auf der Grundlage des Mahnbescheids, wenn der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat (§ 699 Abs.1 S.1 ZPO).Der Antragsgegner kann innerhalb von zwei Wochen seit der Zustellung des Mahnbescheids dem dort geltend gemachten Anspruch widersprechen (§ 692 Abs.1 Nr.3 ZPO). Aber auch ein verspäteter Widerspruch ist nach § 694 Abs.1 ZPO ausnahmsweise zu beachten, wenn dieser erhoben wird, solange der Vollstreckungsbescheid nicht verfügt ist. Bs Widerspruch bei Gericht einging, war der Vollstreckungsbescheid noch nicht verfügt. Ein Vollstreckungsbescheid hätte somit nicht ergehen dürfen (§ 699 Abs.1 S.1 ZPO). Beachte: Auch ein unzulässiger Vollstreckungsbescheid entfaltet Rechtswirkung, sofern er nicht aufgehoben wird.
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2. Die Unzulässigkeit des Vollstreckungsbescheids führt dazu, dass dieser im Einspruchstermin aufzuheben ist (§ 700 Abs.6 ZPO), auch wenn B säumig ist.

Ja, in der Tat!

Wenn der Einspruchsführer im Einspruchstermin säumig ist, wird der Einspruch gegen das Versäumnisurteil verworfen (Zweites Versäumnisurteil, § 345 ZPO). Auch ein Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid kann bei Säumnis nach §§ 700 Abs.1, 345 ZPO verworfen werden. Die Verwerfung des Einspruchs setzt allerdings voraus, dass der Vollstreckungsbescheid in gesetzmäßiger Weise ergangen und damit zulässig ist (§ 700 Abs.6 ZPO). Ist dies nicht der Fall, wird der Vollstreckungsbescheid durch Endurteil aufgehoben. Hier ist der Vollstreckungsbescheid nicht ordnungsgemäß ergangen, weil der Rechtspfleger den Widerspruch übersehen hat (vgl. § 699 Abs.1 S.1 ZPO). Der unzulässige Vollstreckungsbescheid muss im Einspruchstermin aufgehoben werden.

3. Zwar wird der unzulässige Vollstreckungsbescheid aufgehoben, allerdings führt die Säumnis des B im Einspruchstermin dazu, dass er durch ein (erstes) Versäumnisurteil zur Zahlung verurteilt wird.

Ja!

Es ergeht ein erstes Versäumnisurteil, wenn der unzulässige Vollstreckungsbescheid im Einspruchstermin aufgehoben wird, der Beklagte aber säumig ist. Hier ergeht also ein End- und Versäumnisurteil: (1) die Unzulässigkeit des Vollstreckungsbescheids führt dazu, dass er durch Endurteil aufzuheben ist, (2) die Säumnis des Beklagten führt dazu, dass er durch (erstes) Versäumnisurteil zur Zahlung von €XY zu verurteilen ist. Beachte: Die Kosten für den Erlass des Vollstreckungsbescheids hat der Kläger zu tragen, da der Vollstreckungsbescheid ungesetzlich erging, vgl. §§ 91, 344 ZPO.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEI

Geithombre

28.10.2023, 08:49:00

Kurze Verständnisfrage, warum treffen den K die Kosten für den ungesetzlich ergangenen VB? Dies beruhte ja auf dem Fehler des Rechtspflegers. Trägt K zunächst die Kosten und muss gegen das Land prozessieren oder gibt es eine Möglichkeit, diesen Teil direkt der Staatskasse aufzuerlegen? Oder habe ich hier am frühen Morgen einen Denkfehler?

ALE

Aleks_is_Y

6.5.2024, 14:46:50

Ich habe mir dieselbe Frage gestellt :)

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

8.11.2023, 11:23:53

ich hätte eine kurze Verständnisfrage: wann ist ein VU denn in gesetzlicher und wann in ungesetzlicher Weise ergangen?

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

31.12.2023, 22:37:56

Ist hier ein Fall von 694 II 1 ZPO gegeben oder meint dieser eher den Fall, dass der Vollstreckungsbescheid bereits verfügt wurde und erst dann der Widerspruch beim Mahngericht eingeht?

TI

Timurso

28.1.2024, 13:10:16

694 II 1 ZPO meint den Fall, dass der Vollstreckungsbescheid bereits verfügt wurde, ja. Insofern ist die Sachverhaltsangabe, dass er "verspätet" Widerspruch einlegt, imo irreführend, da verspätet im Sinne des 694 II ZPO nur ist, wenn der Vollstreckungsbescheid bereits verfügt ist.

EN

Entenpulli

27.1.2024, 16:23:41

Welche Überschrift verwendet man dann (VU oder Urteil), wen beide vorliegt?

TI

Timurso

28.1.2024, 11:40:59

Ich hatte das jetzt so verstanden, dass es zwei separate Urteile gibt, ein Endurteil zur Aufhebung des VB und ein VU. Ansonsten würde man wahrscheinlich einfach "End- und Versäumnisurteil" drüberschreiben.


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