Konkrete Gefahr für minderjähriges Kind bei einmaligem Amphetaminkonsum der ehemals drogenabhängigen Mutter?


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Jugendamt erfährt, dass die früher drogensüchtige M bei einem Diskobesuch vor einigen Wochen Amphetamin konsumierte. Ihr Sohn Noah befand sich währenddessen bei seiner Großmutter. Das Jugendamt befürchtet einen Drogenrückfall der Mutter und möchte Noah in Obhut nehmen.

Einordnung des Falls

Konkrete Gefahr für minderjähriges Kind bei einmaligem Amphetaminkonsum der ehemals drogenabhängigen Mutter?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Inobhutnahme ist auch möglich, wenn der Minderjährige nicht selbst darum bittet.

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Ja, in der Tat!

Ja, das ist möglich! Dies setzt im Kern voraus, dass eine dringende Gefahr für das Wohl des Minderjährigen besteht (Kindeswohlgefährdung, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Zweck der Jugendhilfe ist der Schutz des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Minderjährigen.

2. Durch den erneuten Konsum der ehemals drogensüchtigen Mutter von Noah, besteht eine "Gefahr" für sein "Wohl" (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

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Ja!

Eine Gefahr besteht, wenn im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für das Wohl des Minderjährigen eintritt. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Das "Wohl" des Minderjährigen umfasst das physische und psychische Wohl, z.B. die Rechtsgüter Leib und Leben. Durch den Konsum des Amphetamins ist zu befürchten, dass N nicht die notwendige Betreuung erhält und M einen Rückfall in die Drogensucht erleidet. Es besteht eine abstrakte Gefahr für das psychische und physische Wohl von Noah.

3. Die Gefahr für das Wohl von Noah ist auch "dringend" und "konkret" (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Gefahr ist dringend, wenn es sich bei dem gefährdeten Rechtsgut des Minderjährigen um ein besonders wichtiges Rechtsgut handelt, konkret: Leib oder Leben. Für die Annahme einer dringenden Gefahr bedarf es immer einer hinreichenden Tatsachengrundlage, aus der hervorgeht, dass entweder bereits ein Schaden eingetreten ist oder bei seiner Weiterentwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist. Da die Inobhutnahme einen schweren Eingriff in das Elternrecht darstellt, muss die Gefahr zudem konkret sein. Eine lediglich latente bzw. abstrakte Gefahr für das Kindeswohl reicht für eine Inobhutnahme nicht aus. Da Noah zum Zeitpunkt des Konsums von seiner Großmutter betreut wurde, lag keine konkrete, sondern allenfalls eine abstrakte Gefahr für sein Wohl vor.

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