Ordnungsgemäße Klageerhebung – Unbezifferter Klageantrag


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B fährt in seinem Sportwagen mit 60 km/h durch die Münchener Innenstadt und kann nicht rechtzeitig bremsen, als K einen Zebrastreifen überqueren will. K wird schwer verletzt und verklagt B daraufhin auf Schmerzensgeld in Höhe von „mindestens € 25.000“.

Einordnung des Falls

Ordnungsgemäße Klageerhebung – Unbezifferter Klageantrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Klagen müssen einen bestimmten Antrag enthalten (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

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Ja!

Ist der Klageantrag nicht bestimmt, hat der Kläger bereits keine ordnungsgemäße Klage erhoben.

2. Der Antrag des K auf Schmerzensgeld in Höhe von „mindestens € 25.000“ ist zu ungenau. Er hat keine ordnungsgemäße Klage erhoben.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Unbezifferte Klageanträge lässt die Rechtsprechung ausnahmsweise in den Fällen zu, bei denen das Gericht eine Schätzung gemäß § 287 ZPO vorzunehmen hat.Ansonsten müsste der Kläger sich festlegen und riskieren, dass das erkennende Gericht den Beklagten womöglich zur Zahlung einer erheblich geringeren Summe verurteilt und der Kläger einen Teil der Gerichtskosten zu tragen hat. Ebenso besteht die Gefahr, dass das Gericht mehr Schmerzensgeld zugesprochen hätte, dies aber aufgrund der Bindung an die Parteianträge nicht darf (Grundsatz „ne ultra petita“ gemäß § 308 Abs. 1 ZPO).

3. Bei einem ausnahmsweise zulässigen unbezifferten Klageantrag muss der Kläger dennoch eine Größenordnung angeben.

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Ja, in der Tat!

Der Kläger muss (1) eine ungefähre Höhe des Betrags nennen, den er sich als Ersatz seiner immateriellen Schäden vorstellt. Außerdem muss er (2) die Schätzungsgrundlagen darlegen.K hat in seiner Klage eine Größenordnung von „mindestens € 25.000“ genannt. Dies ist als Größenordnung ausreichend bestimmt.Nur wenn der gerichtlich zuerkannte Betrag mehr als 20% geringer als die vom Kläger angegebene Größenordnung ist, muss der Kläger einen Anteil der Kosten des Rechtsstreits tragen (vgl. § 92 Abs. Nr. 2 ZPO).

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t o m m y

t o m m y

24.2.2021, 02:15:04

vorletzte frage: eine größenordnung wird heute nicht mehr verlangt, höchstens eine einlassung zur streitwertfestsetzung (grössenordnung ist aber für die beschwer empfehlenswert). letzte frage: das ergibt sich aus dem nicht zitierten 92 II nr. 2, wobei dieser hier im fall raus ist, weil ein mindestbetrag angegeben wurde :D

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.3.2021, 17:31:10

Danke Tommy für den Hinweis. Wir haben § 92 II Nr. 2 ZPO mit aufgenommen. Bezüglich der Nennung der Größenordnung verstehen wir die Rspr. so, dass diese eine solche grds. auch heute noch verlangt (vgl. hierzu auch die Kommentierung MüKO/Becker-Eberhard, ZPO, § 253 Rn. 121 bzw. BGH, Beschl. v. 14.3.2018 – 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, wo ein Adhäsionsantrag mangels Bestimmtheit zurückgewiesen wurde). Allerdings wird dies großzügig ausgelegt, sodass alternativ zur konkreten Bezifferung ("mindestens 25.000 EUR") idR auch die Streitwertangabe genügt. Fehlt aber jegliche Angabe, so ist die Klage nicht hinreichend bestimmt sein und wird - nach entsprechendem richterlichen Hinweis - als unzulässig abgewiesen, wenn sie nicht weiter konkretisiert wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ICAU

iniusta causa

2.6.2022, 19:45:02

Ich glaube, dass bei den Fragen zur Anwaltsklausur das ähnlich beschrieben wird, wie Tommy schreibt.

KI

Kilian

13.1.2023, 14:36:26

Bei 92 wurde Abs. 2 vergessen =D


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