Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch Grundlagen 2

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch Grundlagen 2

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte ihren Ehemann O umbringen. Dafür schießt sie dreimal auf diesen, wobei kein Schuss trifft. Sie hat zwar weitere 33 Schuss im Magazin und geht davon aus, dass sie auch trifft, lässt aber davon ab.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch Grundlagen 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch ist nach h.M. fehlgeschlagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. Dabei ist nach h.M. nicht jeder Einzelakt zu bewerten. T geht davon aus, dass sie O mit den restlichen Kugeln töten könnte. Der Versuch ist nicht fehlgeschlagen.
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2. Es liegt ein unbeendeter Versuch vor.

Ja!

Ein Versuch gilt dann als unbeendet, wenn der Täter sicher annimmt, dass es weiterer Handlungen bedarf, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Dabei reicht es aus, dass er den Erfolgseintritt für möglich hält. T ist sich sicher, dass sie mit ihren bisherigen Handlungen keine Ursache gesetzt hat, die zum Tod des O führen könnte.

3. Es liegt ein beendeter Versuch vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Versuch gilt dann als beendet, wenn der Täter glaubt, dass er alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Dabei reicht es aus, dass der Täter es für möglich hält, dass er alles Erforderliche getan hat, aber auch, wenn er sich keine Gedanken macht, aber die Möglichkeit sieht. T hat es nicht für möglich gehalten, dass sie alles Erforderliche getan hat, um O zu töten, da sie diesen nicht verletzt hat. In der Klausur solltest Du in der Regel nur eine Prüfung vornehmen, da sich die Begriffe gegenseitig ausschließen. Dabei ist es in der Regel am besten, wenn Du die Prüfung des Versuchs vornimmst, den Du bejahen möchtest. Tipp: Wenn Dir die passende Definition nicht einfällt, kannst Du auch die andere Definition nehmen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TI

Tinki

9.9.2024, 09:51:00

In welchen Fällen stelle ich die Einzelakts-und Gesamtbetrachtungstheorie dar und in welchen Fällen subsumiere ich einfach unter die Def. nach der Gesamtbetrachtungstheorie? Hier hätte man den Streit eigentlich doch aufmachen müssen oder? Wie erkenne ich, was vom Klausurersteller gewollt ist? LG und vielen Dank!

TI

Timurso

9.9.2024, 13:19:27

Ich würde den Streit grundsätzlich immer aufmachen. Natürlich weniger ausführlich, wenn die verschiedenen Meinungen zum gleichen Ergebnis kommen. Weglassen höchtens, wenn keine Zeit dafür ist oder er ganz offensichtlich keinen Schwerpunkt bildet. Worauf der Klausurersteller hinaus will, das ist allgemeine Klausurerfahrung, das sammelt man mit der Zeit. Grds. gilt dafür: Wo viel im Sachverhalt zu steht, will der Klausurersteller auch viel zu lesen. Wenn wie hier explizit erklärt ist, dass drei mal geschossen wurde und noch 33 Kugeln vorhanden sind, ist das ein deutliches Zeichen für eine Problematisierung. Wenn dagegen von vornherein nur eine Kugel vorhanden ist und da der Schuss daneben geht, sodass der Versuch unproblematisch nach allen Theorien fehlgeschlagen ist, ist das dagegen offensichtlich kein Schwerpunkt. Da könnte man es sehr kurz halten oder sogar ganz weglassen.

TI

Tinki

11.9.2024, 16:00:29

Lieben Dank für deine schnelle Antwort @[Timurso](197555)! So merke ich mir das!:)

LELEE

Leo Lee

21.9.2024, 14:40:42

Hallo Tinki, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie Timurso völlig richtig angemerkt hat, kommt die Fähigkeit zur Aufspürung der Schwerpunkte mit der Zeit; insb. gegen Ende der Examensvorbereitung hin wirst du überrascht sein, wie gut du darin wirst. Das ist dann auch der Punkt, wo Jura so richtig "geil" wird! Bzgl. der Eröffnung des Streitstandes um die

Einzelaktstheorie

und

Gesamtbetrachtungslehre

gilt ebenfalls was Timurso gesagt hat: Wenn im Sachverhalt ausgerechnet geschildert wird, dass der erste Schuss/Schlag/Stich daneben geht und danach noch weitere folgen, dann kannst du dir SICHER SEIN, dass der Klausurersteller wissen will, ob die verschiedenen Schüsse/Schläge/Stiche alle separate Versuchstatbestände oder unter einem Versuch zusammenzufassen sind. Halte also Ausschau danach, wie oft der Täter "versucht", den erwünschten Erfolg herbeizuführen, ehe er scheitert. Wenn es mehr als einmal ist, dann Streit aufmachen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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