Leistungsnähe III - Arbeitnehmer
29. April 2025
12 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Fleischermeisterin F kauft von Herstellerin H einen "Sojawolf", um aus Soja veganes Hackfleisch herzustellen. Bei der Bedienung der Maschine wird Mitarbeiter M verletzt. Es stellt sich heraus, dass die Verletzung auf einen Sicherheitsmangel des Sojawolfs zurückzuführen ist.
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Einordnung des Falls
Leistungsnähe III - Arbeitnehmer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M könnte gegen H ein Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Leistungsnähe liegt vor.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Diaa
2.9.2023, 23:58:20
Wieso wird hier § 437 mit zitiert? Das setzt das Vorliegen eines KV und dementsprechend auch einen Mangel. Im vorigen Fall stand, dass der Dritte niemals einen Primäranspruch gelend machen kann oder verstehe ich das falsch?

MayonnaiseOperator
16.10.2023, 23:51:49
Ohne die Mangelhaftigkeit der Kaufsache bestünde in erster Linie nicht die sich hier realisierte Gefahr einer Verletzung der (hier:) Mitarbeiter. Beachte, dass 280 I, 241 II BGB im vorliegenden Fall den Kern stellt - der SE-Anspruch soll nicht allein aus § 437 BGB resultieren, sondern aus der Verletzung zumindest einer vertraglichen Schutzpflicht (§§ 280 I, 241 II BGB). Aber, da mag ich wieder nach oben verweisen, diese
Pflichtverletzungwäre ohnehin nicht eingetreten, wenn die Sache denn nicht mangelhaft wäre.
QuiGonTim
13.3.2024, 08:55:05
@[Diaa](211889) Bedenke, dass es sich um einen Vertrage mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handelt. Die Schutzwirkung zugunsten des Dritten existiert niemals selbstständig, sondern immer nur in Verbindung mit einem bereits bestehenden Schuldverhältnis. Dieses ist vorliegend der Kaufvertrag zwischen dem Metzger und dem Verkäufer. An diesen wird der Mitarbeiter über die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter „angedockt“ (in der Klausur besser: einbezogen). Deshalb resultiert auch der Anspruch des Mitarbeiters aus der kauf
rechtlichen Mängelhaftung.
wasabi
21.2.2025, 10:53:05
Bei jedem Kaufvertrag besteht von etwaigen Hilfspersonen des Käufers eine
Leistungsnähe? Das würde bedeuten, dass in der Praxis ein Hersteller immer sein Vertretenmüssen widerlegen müsste, wegen §
280 I 2 BGB, oder nicht? Damit wird das Deliktsrecht faktisch komplett unterlaufen, sobald der Käufer die Kaufsache nicht selbst bedient, sondern durch jemand anderen bedienen lässt.
okalinkk
28.3.2025, 14:26:35
@[Diaa](211889) 437 Nr 3, 280 I BGB ist ja kein Primäranspruch, sondern ein Sekundäranspruch (
Schadensersatzanspruch). Es wird ja keine Erfüllung sondern
Schadensersatz, also eine Sekundärleistung verlangt.
okalinkk
28.3.2025, 14:31:27
Wenn ich das richtig sehe, dürfte der vertragliche SE Anspruch iVM VSD aber jedenfalls an der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers fehlen. Er könnte nämlich einen verschuldensunabhängigen SE Anspruch aus Produkthaftung gem 1 ProfHaftG gegen den Hersteller geltend machen. Darüber hinaus würde ihm hier auch ein Anspruch aus 823 I BGB aus Produzentenhaftung zustehen. Hierbei handelt es sich zwar um einen deliktischen SE Anspruch, der ja grds nicht gleichwertig zu vertraglichen Ansprüchen ist. In diesem Fall liegt aber meiner Meinung nach eine Gleichwertigkeit vor, da im Falle der Produzentenhaftung das Verschulden des Produzenten ausnahmsweise vermutet wird. Korrigiert mich gerne :)
Leo Lee
19.4.2025, 12:07:35
Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ist es bspw. bei 536a (verschuldensunabhängig) so, dass der Dritte hier direkt mit einbezogen wird, weshalb hier die Schutzwürdigkeit etwa abzulehnen wäre. Es findet sich zwar keine direkte Anmerkung zu den von dir genannten Normen bzw. Konstellationen; wenn man allerdings streng nach der Definition der Schutzbedürftigkeit geht, dann sollte das richtig bzw. auf jeden Fall vertretbar sein, einen gleichwertigen und eigenständigen Anspruch anzunehmen, da die Diskrepanz zw. den verschiedenen Beweismaßstäben (aufgrund 280 I 2) nicht mehr im Weg stehen dürfte. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Gottwald § 328 Rn. 193 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
okalinkk
19.4.2025, 12:12:28
Danke @[Leo Lee](213375), das macht natürlich Sinn! :)