Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Objektive Zurechnung

Verkauf eines Messers, das für Attentat verwendet wird.

Verkauf eines Messers, das für Attentat verwendet wird.

18. April 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A verkauft B über eBay-Kleinanzeigen ein Schweizer Taschenmesser. Als B das Messer abholt, hinterlässt er bei A einen merkwürdigen Eindruck. Am Tag darauf liest A in der Zeitung, dass B mit genau diesem Messer in der Mönckebergstraße in Hamburg zehn Passanten erstochen hat.

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Einordnung des Falls

Verkauf eines Messers, das für Attentat verwendet wird.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A ist der Tod der Passanten objektiv zuzurechnen.

Nein!

Beim eigenverantwortlichen Dazwischentreten eines Dritten ist nach Verantwortungsbereichen abzugrenzen. Knüpft er an das Verhalten des Ersttäters dergestalt an, dass er eine neue, selbstständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr schafft, die sich dann allein im Erfolg realisiert, ist der Erfolg ausschließlich ihm zuzurechnen.Mit dem Verkauf des Taschenmessers hat A keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen. Er durfte darauf vertrauen, dass B mit dem Messer keine vorsätzlichen Straftaten begeht."Neutrale Handlungen" begründen aber eine rechtlich missbilligte Gefahr, wenn der Hilfeleistende sicher weiß, dass der Haupttäter damit eine Straftat begeht oder jedenfalls das Risiko hierfür als besonders hoch einschätzt. Dann kommt eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) in Betracht.
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2. A hat den Tod der Passanten kausal verursacht.

Genau, so ist das!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte A dem B nicht das Taschenmesser verkauft, hätte B damit nicht die Passanten erstochen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TJU

Tr(u)mpeltier junior

25.12.2020, 01:14:02

Ggfs könnte man hier den hinweistext noch ein wenig anreichern - stichwort: neutrale Geschäfte. Das Ergebnis teile ich zwar hier. Allerdings gibt es auch Konstellationen, in denen der Verkäufer weiß, dass mit dem grds neutralen Gegenstand eine Straftat begangen werden soll und dann eine Beihilfe Strafbarkeit in Betracht kommt. Hierauf könnte man ggfs noch hinweisen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.11.2021, 12:14:06

Vielen Dank für den Hinweis, trumpeltier junior. In der Tat vertritt die Rechtsprechung hier einen subjektiven Ansatz. Der BGH formuliert es in mittlerweile ständiger Rechtsprechung wie folgt: "Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weißt dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den "Alltagscharakter"; es ist als "Solidarisierung" mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als

sozialadäquat

anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ." (BGH NStZ 2017, 461) Wir haben nun einen Vertiefungshinweis ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Ruhe im Sturm

Ruhe im Sturm

8.2.2025, 17:24:08

Den Hinweistext könnte man auf den ersten Blick missverstehen in Kombination mit der letzten Antwort und dem übergeordneten Kapitel

Objektive Zurechnung

. Gemeint ist also dass der Verkäufer mit dem Verkauf zwar eine rechtlich missbiligte Gefahr schafft, diese sich aber dennoch nicht im konkreten Erfolg realisiert. Deshalb kommt also bei Wissen um die beabsichtigte Tat des Käufers nur eine Beihilfe Strafbarkeit in Betracht.

MO

Moritz

1.3.2025, 19:21:48

@[Ruhe im Sturm](193403) Mit welcher Begründung würde man dann einen Realisierungszusammenhang des Messerverkäufers ablehnen? Mit dem vorsätzlichen

Dazwischentreten Dritter

?

Ranii

Ranii

26.11.2022, 11:53:49

Wenn ich mich recht entsinne ist das Dazwtreten Dritter eine Frage des Niederschlags im konkreten Erfolg und nicht der Schaffung einer Gefahr (dies wäre vorliegend das

sozialadäquat

e Verhalten). Vielleicht habt ihr das ja versehentlich verwechselt :)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.11.2022, 18:30:59

Hallo Ranii, danke für deine Anmerkung! Dies ist in der Tat so zu strukturieren. Das

Dazwischentreten Dritter

setzt aber voraus, dass zunächst eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen wurde. Allein der Verkauf eines Schweizer Taschenmessers stellt keine rechtlich missbilligte Gefahr dar. Somit kann diese Gefahrenkette auch nicht "unterbrochen" werden. Es scheitert somit schon am ersten Prüfungspunkt. Ein

Dazwischentreten Dritter

kann bei rechtlich neutralen Handlungen nur gegeben sein, wenn der Beteiligte sicher wusste, dass mit dem Objekt die Tat begangen werden würde. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Nicole

Nicole

14.4.2023, 23:48:32

Was muss passieren, dass ein

Dazwischentreten Dritter

geprüft wird und was ist die genaue Definition dessen?

QUIG

QuiGonTim

22.4.2024, 17:38:00

Liebes Jurafuchsteam, die Subsumtion passt nicht so recht zur Fallgruppe „Dazwischentreten eines Dritten“. Denn bei dieser geht es meines Erachtens um die Realisierung der bereits als missbilligt angesehenen Gefahr. In der Subsumtion führt ihr jedoch aus, dass bereits keine rechtlich missbilligte Gefahr vorlege. Demnach läge hier wohl eher ein Fall des

sozialadäquat

en Verhaltens vor.

BEN

benjaminmeister

8.4.2025, 10:51:41

Ist mir auch gerade erst beim wiederholten Bearbeiten der Aufgabe aufgefallen: Nach Verantwortungsbereichen abzugrenzen kann doch eigentlich nur Sinn ergeben, wenn bei beiden "Tätern" eine rechtlich missbilligte Gefahr vorliegt? Fehlt bei einem schon die rechtlich missbilligte Gefahr, muss man gar nicht mehr nach Verantwortungsbereichen abgrenzen.


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