Unfall mit Todesfolge kann bei erheblichem Mitverschulden des Unfallgegners nicht vorhersehbar sein
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T und D überfahren gleichzeitig die jeweilige Haltelinie an einer Kreuzung. Es kann nicht mehr geklärt werden, wer zum Halten verpflichtet gewesen wäre. Bei dem Crash stirbt D. T fuhr 65 km/h. Hätte T die erlaubten 50 km/h eingehalten, als D die Linie überfuhr, wäre T 0,7 Sek. später am Unfallort und D schon 6 m weiter über die Kreuzung gefahren gewesen.
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Einordnung des Falls
Unfall mit Todesfolge kann bei erheblichem Mitverschulden des Unfallgegners nicht vorhersehbar sein
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Im Unfalltod des D haben sich die Gefahren des Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit verwirklicht, vor denen die Geschwindigkeitsregeln gerade schützen sollen (Schutzzweckzusammenhang).
Ja!
Damit ein Erfolg objektiv zurechenbar ist, muss der Schutzzweck der Norm gewahrt werden: Von einer rechtlich missbilligten Gefahr ist nur dann auszugehen, wenn die verletzte Verhaltensnorm gerade dem Schutz des betreffenden Rechtsguts dient.OLG Hamm: T habe die Geschwindigkeitsbegrenzung verletzt. Zwar bezweckten die Regeln nicht, dass ein Fahrer zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht an einen bestimmten (Unfall-)Ort gelangt. Sie bezweckten jedoch, dass andere die Möglichkeit haben, einem Unfall durch Verlassen des Gefahrenbereichs gerade noch zu entgehen. Hier habe T ein Fehlverhalten in der kritischen Verkehrssituation selbst gezeigt. Bei so engem zeitlich-räumlichen Kontext zwischen Geschwindigkeitsverstoß und Unfall sei die objektive Zurechnung zu bejahen. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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🦊LEXDEROGANS
26.1.2020, 22:29:29
Könnte der Schutzzweck der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht vielmehr darin bestehen, dass die Verkehrsteilnehmer die Haltelinie rechtzeitig wahrnehmen, um bei mäßigem Tempo die Vorfahrtsregeln beachten zu können?
デニスKaito
8.7.2020, 15:16:15
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22.4.2020, 16:13:18
Ich hätte jetzt an dem Überfahren der Haltelinie und nicht an der Geschwindigkeitsüberschreitung angeknüpft.
gelöscht
22.4.2020, 21:48:12
Lukas_Mengestu
5.5.2021, 14:26:24
Jimmy105
11.7.2024, 13:00:17
Ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht gleichzeitig auch die Richtgeschwindigkeit (sofern keine anderweitigen Umstände ein langsameres Fahren gebieten, zb. Regen, Unfall)?
Mein Fahrlehrer hatte jedenfalls immer geschimpft wenn ich mit 40 statt der zulässigen 50 kmh fuhr.
Ich würde behaupten zu langsam zu fahren kann ebenso gefährlich sein, wie zu schnell zu fahren.
Dann bestünde hier ein Konflikt zwischen dem zu schnellen und dem zu langsamen Fahren.
Dann müsste man Abwägen, was generell gefährlicher ist (zu schnell oder zu langsam fahren).
Und dann sehen wir, dass T mit seinen 65 kmh 15 kmh schneller gefahren ist, als zulässig (50kmh) und D mit 30 kmh sogar 20kmh weniger gefahren ist als er hätte sollen.
T hätte sich also ordnungsgemäßer Verhalten als D. Wie gehen wir mit der Situation um?
Juraganter
19.7.2024, 13:05:23
Nach meinem Verständnis geht das am Schutzzweck vorbei, bzw. zu weit. Der Schwerpunkt des vorliegenden SV ist mMn jedenfalls nicht an der Haltelinie festzumachen.
@Vaan, worin besteht dann Ihres Erachtens der Schutzzweck der Geschwindigkeitsregelung?
Das frühzeitige Erkennen von Gefahren. Ich sehe ein, dass deiner Meinung nach Haltelinien dazugehören, ich würde es allerdings enger betrachten. Zum einen sind Haltelinien keine Gefahren, zudem regeln sie ihren eigenen Zweck.
Ich setze somit voraus, dass ohne jeder an einer Haltelinie stehen bleibt und bleiben muss. Folglich ist auf die Geschwindigkeitsüberschreitung abzustellen.
Hallo zusammen, danke an dieser Stelle erst einmal dafür, dass ihr euch mit euren Ideen und Kommentaren aktiv an der Verbesserung unserer Fälle beteiligt! Wir haben den Fall nun noch um eine entscheidende Information aus dem Ausgangsfall ergänzt, nämlich, dass nicht geklärt werden kann, wer hätte anhalten müssen (im Ausgangsfall wäre das ein Rotlichtverstoß gewesen). Das OLG hat deshalb zugunsten von T angenommen, dass D an der Haltelinie hätte halten müssen (in dubio pro reo). Nichtsdestotrotz hat es die Zurechnung mit dem Argument bejaht, dass es bei einer geringeren Geschwindigkeit des T eben nicht zu einer Kollision gekommen wäre, da D den Unfallbereich dann schon verlassen hätte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Aber das ist ja eben gerade nicht vom Schutzzweck erfasst! Die Geschwindigkeitsbegrenzung ist eben nicht dazu da, dass der zu schnell fahrende nicht zufällig früher an einem Ort ist und dadurch ein Unfall passiert. Allein das frühere erreichen der Kreuzung aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit kann also noch kein Grund für eine Zurechnung sein; diese Argumentation überzeugt nicht.
Denkbar wäre es lediglich, darauf abzustellen, dass man, wenn man zu schnell fährt, das Risiko schafft, dass andere Verkehrsteilnehmer weniger Zeit bekommen, zu reagieren und Gefahren abzuwenden. Dann muss aber nachgewiesen sein, dass der entsprechende Verkehrsteilnehmer bei Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzung noch hätte reagieren können.
Da muss man glaube ich spitzfindig unterscheiden. Wenn jemand in Stadt A zu schnell fährt und deshalb in Stadt B jemanden anfährt, dann ist es nicht mehr vom Schutzzweck der Geschwindigkeitsbegrenzung erfasst, denn es liegt kein räumlicher oder zeitlicher Zusammenhang vor, auch wenn bei Einhaltung der Geschwindigkeit, Stadt B später erreicht worden wäre. Ausnahmsweise wird man jedoch den Schutzzweck der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht verneinen müssen, wenn wie in diesem Fall ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht - die Geschwindigkeitsüberschreitung führt hier auch dazu, dass jemand früher am Unfallort ist, diese Gefahren eines Zusammenstoßes, soll die Geschwindigkeitsbegrenzung aber auch verhüten. Wäre es in diesem Fall an der Kreuzung nicht zu einem Unfall gekommen, sondern 50 Kilometer weiter in einer anderen statt, dort aber wieder mit angepasster Geschwindigkeit, dann wäre der
Schutzzweck der Norm wieder entgegenstehend. So habe ich das zumindest verstanden, hoffe das ist verständlich erklärt 😅
Für mich persönlich wird hier der
Schutzzweck der Norm ebenfalls überdehnt, aber was will man machen, der BGH sieht es nunmal so 🤷🏼 in BGHSt 12, 75 heißt es ganz am Ende: "Daraus folgt, daß der Kraftfahrer auch dann strafrechtlich verantwortlich ist, wenn allein durch die Beachtung der Geschwindigkeitsbegrenzung im Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Situation der Unfall vermieden worden wäre. Daß das Ausbleiben des Zusammenstoßes dabei etwa nur auf die Fortbewegung des anderen Verkehrsteilnehmers zurückzuführen ist, ist unerheblich. Denn der Zweck des im Interesse der Verkehrssicherheit geschaffenen § 3 Abs. 3 Nr. 2 c StVO erfaßt auch diesen Fall. Demgemäß hat der Senat in seinem Beschluß vom 15. Januar 1981 - 4 StR 678/80 - in einer die Entscheidung allerdings nicht tragenden Bemerkung erwogen, daß das Unfallopfer die Fahrbahn geräumt gehabt hätte, wenn der damalige Angeklagte in der kritischen Situation nicht zu schnell gefahren wäre (ebenso Möhl in Full/Möhl/Ruth, Straßenverkehrsrecht StVO § 3 Rdn. 52; anders wohl Puppe JuS 1982, 660, 663 f)."
Das mit der Haltelinie ist schon verwirrend - es steht nur nichts davon geschrieben, dass einer von beiden hätte anhalten müssen. Vielleicht kann man die Aufgabe etwas anders formulieren?
Hallo ihr beiden, sehr guter Hinweis. Im Ausgangsfall konnte nicht aufgeklärt werden, wer an der Haltelinie hätte stehen bleiben sollen (bzw. wessen Ampel auf Rot geschaltet war). Aus diesem Grund hat das OLG zugunsten des T angenommen, dass er berechtigterweise in die Kreuzung einfuhr und ihm somit lediglich die hohe Geschwindigkeit vorgeworfen werden kann. Wir haben die entsprechende Information nun auch in den Sachverhalt mit aufgenommen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Es ist richtig, dass man nicht ohne triftigen Grund so langsam fahren darf, dass man den Verkehrsfluss signifikant behindert. Das heißt aber auch nicht, dass man exakt 50 km/h fahren soll. Und dass eine großartige Behinderung vorhanden sein soll, wenn man mit 40 km/h statt der gestatteten 50 km/h, unterwegs ist, wage ich zu bezweifeln. Vor allem innerorts, wo sowieso häufig mit Abbremsen zu rechnen ist. Die mir bekannten Fälle betreffen Fahrten von z. B. 40-60 km/h auf Landstraßen (mit Vmax 100 km/h) oder eben Autobahnen.
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