Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB)
Tod eines Menschen: Taugliches Tatopfer
Tod eines Menschen: Taugliches Tatopfer
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T raubt O mit vorgehaltener Schusswaffe aus. Dabei kommt T aus Nervosität versehentlich an den Abzug, so dass sich ein Schuss löst. Das Geschoss prallt an einer Mauer ab und trifft so zufällig den Passanten P tödlich.
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Einordnung des Falls
Tod eines Menschen: Taugliches Tatopfer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249, 250, 252, 255 StGB) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren (Raub mit Todesfolge, § 251 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Obwohl der getötete P nur Dritter war, ist er taugliches Tatopfer des § 251 StGB.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
FW
8.8.2024, 18:29:28
Hi, Ist hier aber nicht die Zurechnung wegen eines atypischen Kausalverlaufs ausgeschlossen? Klar kann ein unbeteiligter Dritter taugliches Opfer sein, aber ich finde hier liegt ein so abwegiger, unvorhersehbarer Kausalverlauf vor, sodass man durchaus die
objektive Zurechnungvertretbar verneinen könnte
FW
8.8.2024, 18:30:33
Bzw. weiß jemand wie wahrscheinlich so Querschläger sind?
David
10.8.2024, 17:42:20
Über einen atypischen Kausalverlauf im Rahmen der objektiven Zurechnung nach § 222 StGB könnte sicher diskutieren. Im Rahmen todeserfolgsqualifizierter Delikte ist ja darüber hinaus ein grunddeiktischer Gefahrenzusammenhang zu fordern. Ob hier der eingetretene Todeserfolg auf eine besondere und eigentümliche Gefahr der Verwirklichung des Grunddelikts beruht, wage ich zu bezweifeln. Selbst wenn man dies allerdings annehmen würde, fordert § 251 StGB ja die leichtfertige Verursachung des Todes, die aus meiner Sicht nicht gegeben ist.
Tobias Krapp
12.8.2024, 18:31:36
Hallo FW, danke für deine Nachfrage. Ein
atypischer Kausalverlaufliegt nur vor, wenn die Abweichung sich nicht mehr in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält. Daran sind hohe Anforderungen zu stellen, bei einem atypischen Kausalverlauf handelt es sich um Ausnahmefälle. Dass Projektile von Wänden oder Gegenständen abprallen und auf diesem Wege Menschen treffen können, ist beim Schusswaffengebrauch nicht unüblich, damit ist vielmehr zu rechnen. Nach BGH muss so etwas nicht einmal einem Tötungs
vorsatzentgegenstehen, wobei hier die Begleitumstände wie die Anzahl der abgegebenen Schüsse, das Material der Wände, der Schusswinkel, die Anzahl der anwesenden Personen etc. eine Rolle spielen, vgl. zum Ganzen auch MüKo StGB § 212, Rn. 29. Um
Vorsatzgeht es bei unseren Fall natürlich nicht, die Ausführungen des BGH zeigen aber: Atypisch ist ein tödlicher Verlauf bei einem Querschläger keinesfalls. Der Erfolg ist daher objektiv zurechenbar. Der von David angesprochene spezifische
Zurechnungszusammenhangist problematischer. Er ist allerdings bereits dann gegeben, wenn die den Tod herbeiführende Handlung zwar nicht in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der Raubtat eigene besondere Gefährlichkeit verwirklicht, vgl. hierzu mit Beispielen BeckOK § 251 StGB Rn. 4, 4.1. Man kann hier argumentieren, dass die Konfrontationssituation mit vorgehaltener Waffe die Gefahr sich lösender Schüsse beinhaltet. Dass ein Täter in einer solchen Lage "nervös" wird und ein Schuss fällt, ist gerade der Anspannungssituation des konkreten Raubes zuzuschreiben. Eine andere Ansicht, die den spezifischen Zusammenhang enger versteht, wäre hier aber wohl vertretbar. Die
Leichtfertigkeitist ebenso nicht unproblematisch. Leichtfertig handelt, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt. Hier wären in einer Klausur sicher etwas mehr Details (wie zum Schusswinkel, zum konkreten Ort, etc.) im Sachverhalt. Man kann aber meiner Ansicht nach in der Tendez sagen, dass ein versehentliches Auslösen einer Schusswaffe aus Nervosität angesichts der unberechenbaren Gefahren und der Wahrscheinlichkeit eines Querschlägers im hohen Maße leichtsinnig ist. Ein möglicher tödlicher Verlauf bei einem Abschuss einer vorgehaltenen (also wohl auf Brusthöhe gerichteten Waffe) drängt sich auf. Auch hier wäre aber wohl mit entsprechender Argumentation eine andere Ansicht vertretbar. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias