Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB)
Tod eines Menschen: Taugliches Tatopfer
Tod eines Menschen: Taugliches Tatopfer
29. Mai 2025
4 Kommentare
4,8 ★ (7.589 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

T raubt O mit vorgehaltener Schusswaffe aus. Dabei kommt T aus Nervosität versehentlich an den Abzug, so dass sich ein Schuss löst. Das Geschoss prallt an einer Mauer ab und trifft so zufällig den Passanten P tödlich.
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Einordnung des Falls
Tod eines Menschen: Taugliches Tatopfer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249, 250, 252, 255 StGB) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren (Raub mit Todesfolge, § 251 StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW
8.8.2024, 18:29:28
Hi, Ist hier aber nicht die Zurechnung wegen eines atypischen
Kausalverlaufs ausgeschlossen? Klar kann ein un
beteiligter
Drittertaugliches Opfer sein, aber ich finde hier liegt ein so abwegiger, unvorhersehbarer
Kausalverlaufvor, sodass man durchaus die
objektive Zurechnungvertretbar verneinen könnte

FW
8.8.2024, 18:30:33
Bzw. weiß jemand wie wahrscheinlich so Querschläger sind?
David
10.8.2024, 17:42:20
Über einen atypischen
Kausalverlaufim Rahmen der objektiven Zurechnung nach §
222 StGBkönnte sicher diskutieren. Im Rahmen todeserfolgsqualifizierter Delikte ist ja darüber hinaus ein grunddeiktischer Gefahrenzusammenhang zu fordern. Ob hier der eingetretene Todeserfolg auf eine besondere und eigentümliche Gefahr der Verwirklichung des Grunddelikts beruht, wage ich zu bezweifeln. Selbst wenn man dies allerdings annehmen würde, fordert §
251 StGBja die leichtfertige Verursachung des Todes, die aus meiner Sicht nicht gegeben ist.

Tobias Krapp
12.8.2024, 18:31:36
Hallo FW, danke für deine Nachfrage. Ein
atypischer Kausalverlaufliegt nur vor, wenn die Abweichung sich nicht mehr in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält. Daran sind hohe Anforderungen zu stellen, bei einem atypischen
Kausalverlaufhandelt es sich um Ausnahmefälle. Dass Projektile von Wänden oder Gegenständen abprallen und auf diesem Wege Menschen treffen können, ist beim Schusswaffengebrauch nicht unüblich, damit ist vielmehr zu rechnen. Nach BGH muss so etwas nicht einmal einem
Tötungsvorsatzentgegenstehen, wobei hier die Begleitumstände wie die Anzahl der abgegebenen Schüsse, das Material der Wände, der Schusswinkel, die Anzahl der anwesenden Personen etc. eine Rolle spielen, vgl. zum Ganzen auch MüKo StGB § 212, Rn. 29. Um
Vorsatzgeht es bei unseren Fall natürlich nicht, die Ausführungen des BGH zeigen aber: Atypisch ist ein tödlicher Verlauf bei einem Querschläger keinesfalls. Der Erfolg ist daher objektiv zurechenbar. Der von David angesprochene spezifische
Zurechnungszusammenhangist problematischer. Er ist allerdings bereits dann gegeben, wenn die den Tod herbeiführende Handlung zwar nicht in finaler Verknüpfung mit der
Wegnahmesteht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der Raubtat eigene besondere Gefährlichkeit verwirklicht, vgl. hierzu mit Beispielen BeckOK §
251 StGBRn. 4, 4.1. Man kann hier argumentieren, dass die Konfrontationssituation mit vorgehaltener Waffe die Gefahr sich lösender Schüsse beinhaltet. Dass ein Täter in einer solchen Lage "nervös" wird und ein Schuss fällt, ist gerade der Anspannungssituation des konkreten Raubes zuzuschreiben. Eine andere Ansicht, die den spezifischen Zusammenhang enger versteht, wäre hier aber wohl vertretbar. Die
Leichtfertigkeitist ebenso nicht unproblematisch. Leichtfertig handelt, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt. Hier wären in einer Klausur sicher etwas mehr Details (wie zum Schusswinkel, zum konkreten Ort, etc.) im Sachverhalt. Man kann aber meiner Ansicht nach in der Tendez sagen, dass ein versehentliches Auslösen einer Schusswaffe aus Nervosität angesichts der unberechenbaren Gefahren und der Wahrscheinlichkeit eines Querschlägers im hohen Maße leichtsinnig ist. Ein möglicher tödlicher Verlauf bei einem Abschuss einer vorgehaltenen (also wohl auf Brusthöhe gerichteten Waffe) drängt sich auf. Auch hier wäre aber wohl mit entsprechender Argumentation eine andere Ansicht vertretbar. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias