Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Objektive Zurechnung

Tödliches Wettrennen im Straßenverkehr – objektive Zurechnung

Tödliches Wettrennen im Straßenverkehr – objektive Zurechnung

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

H und P fahren mit überhöhtem Tempo ein Rennen. P fährt auf der linken Spur und provoziert so, dass H ihn verbotswidrig rechts überholt. 1 km nach dem Überholvorgang verliert H in der Kurve die Kontrolle und überfährt den Wanderer W. P fuhr zu dieser Zeit mit erlaubtem Tempo hinter H.

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Einordnung des Falls

Erfolgszurechnung bei tödlichem Wettrennen im Straßenverkehr (JuS 2013, 20) OLG Stuttgart, 19.04.11

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P hat den Tod des W kausal verursacht.

Genau, so ist das!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte P nicht durch sein provozierendes Fahrverhalten den H zu dessen riskanter Fahrweise motiviert, hätte H nicht zu dem Überholvorgang angesetzt und den W nicht tödlich erfasst (psychisch vermittelte Kausalität).
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2. P ist der Tod des W objektiv zuzurechnen.

Nein, das trifft nicht zu!

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn durch das Verhalten des Täters (1) eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen worden ist, die (2) sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.OLG Stuttgart: In Ws Tod habe sich allein die durch eigenverantwortliches Handeln des H gesetzte Gefahr realisiert. H sei 1 km nach Abschluss des Überholvorgangs aus einem autonomen Entschluss heraus mit überhöhtem Tempo in die Kurve gefahren. Zur Zeit des unmittelbar zum tödlichen Unfall führenden Geschehens sei P bereits zu verkehrsgerechter Fahrweise zurückgekehrt. Jeder habe sein Verhalten nur darauf einzurichten, dass er selbst Rechtsgüter nicht gefährdet (Verantwortungsprinzip), nicht aber darauf, dass andere dies nicht tun.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEL

gelöscht

26.11.2019, 08:27:09

Meines Erachtens lässt sich hier auch nicht herleiten, dass P den Tod des W kausal herbeigeführt haben könnte, da 1Km keine unerhebliche Wegstrecke darstellt und H innerhalb dieser längst erkannt haben könnte, dass P nicht mehr am Rennen teilnimmt.

Marilena

Marilena

27.11.2019, 21:27:37

Hallo Marcus, die Vorinstanz und das OLG Stuttgart hatten die Kausalität noch bejaht: „Ein Handeln ist zwar auch dann ursächlich, wenn es erst durch ein daran anknüpfendes Verhalten eines Dritten zum Erfolg führt. Durch ein solches wird der Kausalzusammenhang nicht nur nicht unterbrochen, sondern gerade erst vermittelt - selbst dann, wenn der Dritte seinerseits schuldhaft gehandelt hat (h. M.; vgl. dazu Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 77 m. w. N.). Ob ein Handeln auch nach rechtlichen Maßstäben für den Erfolg bedeutsam ist, bedarf jedoch einer wertenden Betrachtungsweise.

Marilena

Marilena

27.11.2019, 21:27:55

In diesem Sinne zurechenbar ist ein durch menschliches Verhalten verursachter Erfolg deshalb nur dann, wenn dieses Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr für das verletzte Rechtsgut geschaffen und gerade diese Gefahr sich im tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht hat (vgl. etwa Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, Vor § 13 Rn. 25 m. w. N.). - Das ist vorliegend nicht der Fall. Nach den Feststellungen des Landgerichts zur äußeren Tatseite fehlt es hinsichtlich des tödlichen Unfallausgangs an einer verbotenen Gefahrschaffung durch den Angeklagten P.

Marilena

Marilena

27.11.2019, 21:37:00

Was die 1 km angeht, steht im Urteil der Vorinstanz übrigens: „Dabei ist zu sehen, dass die Strecke zur Unfallkurve lediglich noch etwa 1 Kilometer betrug. Bei einem Tempo von etwa 100 km/h benötigte er dafür ungefähr 36 Sekunden. So kurz hielt nach Überzeugung der Kammer die durch P. gesetzte Provokation sicher an.“ So könnte man das auch sehen. Ich finde Deinen Einwand nachvollziehbar. Zu beachten ist aber mMn, dass die Kausalität/conditio-Formel ein sehr grober Filter ist. Es ist allgemein anerkannt, dass sie zu weit ist, um den Kausalzusammenhang allein festzulegen und sie wird deshalb auch kritisiert. Ich würde die Kausalität auch aus diesen Gründen vorliegend noch bejahen.

JO

jomolino

24.8.2021, 16:24:49

Das heißt jeder Verkehrsteilnehmer der ein Auto ausbremst oder zu Überhol Vorgängen veranlasst verursacht den Tod eines Dritten kausal, war es nur während der gleichen Fahrt?

CEMA

cemawo

25.5.2022, 10:19:34

Womit du erfasst hast, warum es das Korrektiv der objektiven Zurechnung braucht.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

12.6.2022, 10:06:35

@[Marilena](2706) Den Aspekt, dass die Provokation noch anhält, finde ich gut. Man könnte aber auch sagen, nicht die Provokation zum Überholmanöver war kausal, sondern die Tatsache, dass beide (auch P) noch im Rennmodus waren. (Ob es eine explizite Verabredung zu dem Rennen gab, wäre dann nicht unerheblich.) Misslungen finde ich die Argumentation, die Kausalität sei eh nur ein grober Filter. Auch dieser Filter muss gescheit angewandt werden, sonst kann man sich das Ritual schenken und die Prufung gleich bei der objektiven Zurechnung fortsetzen.

QUIG

QuiGonTim

27.3.2023, 13:36:03

Liebes Jurafuchs-Team, warum wird dieser Fall im Unterkapitel "

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

" behandelt? Meines Erachtens gehört dieser Fall eher in die Gruppe "Dazwischentreten eines Dritten" oder "

Schutzzweck der Norm

".

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.3.2023, 15:50:46

Hallo QuiGonTim, danke für deine Frage. Das Gericht hat sich damit auseinandergesetzt inwieweit H sich eigenverantwortlich verhalten hat und den Unfall selbst gefährdet hat oder ob diese Kausalkette allein dem P zuzurechnen ist. Aus diesem Grund ist dieser Fall in diesem Kapitel gelandet. :) Es bedarf manchmal ja auch negativer Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

H. Schmidt von Church

H. Schmidt von Church

20.5.2023, 18:18:14

Hallo zusammen, nach den Ausführungen in der Subsumtion, müsste es also einen Unterschied machen, wenn H während des Überholvorganges (oder unmittelbar danach) den W überfährt. Dann wäre dem P der Tod des W also objektiv zurechenbar. Richtig?

Blan

Blan

4.12.2023, 10:29:15

In dem Fall würde die Tatherrschaft wahrscheinlich bei beiden gemeinsam liegen. Grund: Autorennen -> P provoziert, dass H überholt. Also wäre der Fall eigentlich so gelagert, wie im Fall davor. Damit wäre deine Überlegung mMn hier richtig :)


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