Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Objektive Zurechnung
Tödliches Wettrennen im Straßenverkehr – objektive Zurechnung
Tödliches Wettrennen im Straßenverkehr – objektive Zurechnung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
H und P fahren mit überhöhtem Tempo ein Rennen. P fährt auf der linken Spur und provoziert so, dass H ihn verbotswidrig rechts überholt. 1 km nach dem Überholvorgang verliert H in der Kurve die Kontrolle und überfährt den Wanderer W. P fuhr zu dieser Zeit mit erlaubtem Tempo hinter H.
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Einordnung des Falls
Erfolgszurechnung bei tödlichem Wettrennen im Straßenverkehr (JuS 2013, 20) OLG Stuttgart, 19.04.11
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P hat den Tod des W kausal verursacht.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. P ist der Tod des W objektiv zuzurechnen.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gelöscht
26.11.2019, 08:27:09
Meines Erachtens lässt sich hier auch nicht herleiten, dass P den Tod des W kausal herbeigeführt haben könnte, da 1Km keine unerhebliche Wegstrecke darstellt und H innerhalb dieser längst erkannt haben könnte, dass P nicht mehr am Rennen teilnimmt.
Marilena
27.11.2019, 21:27:37
Hallo Marcus, die Vorinstanz und das OLG Stuttgart hatten die Kausalität noch bejaht: „Ein Handeln ist zwar auch dann ursächlich, wenn es erst durch ein daran anknüpfendes Verhalten eines Dritten zum Erfolg führt. Durch ein solches wird der Kausalzusammenhang nicht nur nicht unterbrochen, sondern gerade erst vermittelt - selbst dann, wenn der Dritte seinerseits schuldhaft gehandelt hat (h. M.; vgl. dazu Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 77 m. w. N.). Ob ein Handeln auch nach rechtlichen Maßstäben für den Erfolg bedeutsam ist, bedarf jedoch einer wertenden Betrachtungsweise.
Marilena
27.11.2019, 21:27:55
In diesem Sinne zurechenbar ist ein durch menschliches Verhalten verursachter Erfolg deshalb nur dann, wenn dieses Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr für das verletzte Rechtsgut geschaffen und gerade diese Gefahr sich im tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht hat (vgl. etwa Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, Vor § 13 Rn. 25 m. w. N.). - Das ist vorliegend nicht der Fall. Nach den Feststellungen des Landgerichts zur äußeren Tatseite fehlt es hinsichtlich des tödlichen Unfallausgangs an einer verbotenen Gefahrschaffung durch den Angeklagten P.
Marilena
27.11.2019, 21:37:00
Was die 1 km angeht, steht im Urteil der Vorinstanz übrigens: „Dabei ist zu sehen, dass die Strecke zur Unfallkurve lediglich noch etwa 1 Kilometer betrug. Bei einem Tempo von etwa 100 km/h benötigte er dafür ungefähr 36 Sekunden. So kurz hielt nach Überzeugung der Kammer die durch P. gesetzte Provokation sicher an.“ So könnte man das auch sehen. Ich finde Deinen Einwand nachvollziehbar. Zu beachten ist aber mMn, dass die Kausalität/conditio-Formel ein sehr grober Filter ist. Es ist allgemein anerkannt, dass sie zu weit ist, um den Kausalzusammenhang allein festzulegen und sie wird deshalb auch kritisiert. Ich würde die Kausalität auch aus diesen Gründen vorliegend noch bejahen.
jomolino
24.8.2021, 16:24:49
Das heißt jeder Verkehrsteilnehmer der ein Auto ausbremst oder zu Überhol Vorgängen veranlasst verursacht den Tod eines Dritten kausal, war es nur während der gleichen Fahrt?
cemawo
25.5.2022, 10:19:34
Womit du erfasst hast, warum es das Korrektiv der objektiven Zurechnung braucht.
Johannes Nebe
12.6.2022, 10:06:35
@[Marilena](2706) Den Aspekt, dass die Provokation noch anhält, finde ich gut. Man könnte aber auch sagen, nicht die Provokation zum Überholmanöver war kausal, sondern die Tatsache, dass beide (auch P) noch im Rennmodus waren. (Ob es eine explizite Verabredung zu dem Rennen gab, wäre dann nicht unerheblich.) Misslungen finde ich die Argumentation, die Kausalität sei eh nur ein grober Filter. Auch dieser Filter muss gescheit angewandt werden, sonst kann man sich das Ritual schenken und die Prufung gleich bei der objektiven Zurechnung fortsetzen.
QuiGonTim
27.3.2023, 13:36:03
Liebes Jurafuchs-Team, warum wird dieser Fall im Unterkapitel "
eigenverantwortliche Selbstgefährdung" behandelt? Meines Erachtens gehört dieser Fall eher in die Gruppe "Dazwischentreten eines Dritten" oder "
Schutzzweck der Norm".
Nora Mommsen
27.3.2023, 15:50:46
Hallo QuiGonTim, danke für deine Frage. Das Gericht hat sich damit auseinandergesetzt inwieweit H sich eigenverantwortlich verhalten hat und den Unfall selbst gefährdet hat oder ob diese Kausalkette allein dem P zuzurechnen ist. Aus diesem Grund ist dieser Fall in diesem Kapitel gelandet. :) Es bedarf manchmal ja auch negativer Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
H. Schmidt von Church
20.5.2023, 18:18:14
Hallo zusammen, nach den Ausführungen in der Subsumtion, müsste es also einen Unterschied machen, wenn H während des Überholvorganges (oder unmittelbar danach) den W überfährt. Dann wäre dem P der Tod des W also objektiv zurechenbar. Richtig?
Blan
4.12.2023, 10:29:15
In dem Fall würde die Tatherrschaft wahrscheinlich bei beiden gemeinsam liegen. Grund: Autorennen -> P provoziert, dass H überholt. Also wäre der Fall eigentlich so gelagert, wie im Fall davor. Damit wäre deine Überlegung mMn hier richtig :)