+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E fordert seine Ehefrau F auf, mit einer Pistole auf ihn zu schießen. Er versichert F dabei wider besseres Wissen, die Waffe sei nicht geladen. F setzt E die Pistole an die Schläfe und drückt ab. E ist sofort tot.

Einordnung des Falls

Flinten-Fall (OLG Nürnberg JZ 2003, 745ff. - Fremdgefährdung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F ist der Tod des E objektiv zuzurechnen.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Genau, so ist das!

Eine die Zurechnung ausschließende eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers ist von der einverständlichen Fremdgefährdung abzugrenzen. Das Opfer gefährdet sich eigenverantwortlich selbst, wenn die alleinige Tatherrschaft bei ihm selbst liegt.OLG Nürnberg: E habe sich nicht eigenverantwortlich selbst gefährdet. Die entscheidende Ausführungshandlung habe bei F gelegen und sie habe die Tatherrschaft über den letzten, für den tödlichen Ausgang maßgeblichen, Handlungsschritt ausgeübt. Sie wusste zudem, dass ihr die Rolle des Schützen zugedacht war. Sie sei damit nicht als über die konkreten Tatumstände getäuschtes, bloßes Werkzeug des E anzusehen.

Jurafuchs kostenlos testen


JO

Jonas

31.10.2019, 15:57:28

Hallo! Eine kleine grammatikalische Anmerkung. Im zweiten Satz verstecken sich zwei kleine Fehler („versicher“, „wider besseres Wissen“). Lg

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

17.11.2019, 12:33:36

@Jonas, danke für den Hinweis! Den fehlenden Buchstaben haben wir ersetzt. Aber "wider besseres Wissen" ist unseres Erachtens korrekt.

YOU

youngirish

18.11.2019, 16:30:32

Ich glaube der Kollege meint, es müsse „wider besseren Wissens“ heißen, wo ich ihm zustimmen würde. :)

Marilena

Marilena

27.11.2019, 21:44:44

@youngirish @jonas Hallo ihr beiden, ich war mir bei Aufgabenstelung damals selbst unsicher und habe das mal gegoogelt. Wider besseres Wissen/wider besseren Wissens gehört tatsächlich zu den beliebten Fehlern. Die Präposition wider steht synonym zu »gegen« und wird entsprechend mit dem Akkusativ verbunden (und nicht mit dem Genitiv oder Dativ): Es heißt also richtig »wider besseres Wissen«, »wider alles Erwarten«, »wider seinen ausdrücklichen Wunsch«.

Marilena

Marilena

27.11.2019, 21:45:35

*Aufgabenerstellung

JO

Jose

10.8.2021, 19:21:24

Die F wäre dann aber mangels Vorsatz straflos, richtig? Wenn sie nicht wusste, dass die Pistole geladen ist? Hab das auch mit der obj. Zurechnung nicht ganz verstanden. Inwiefern schafft man ein rechtlich missbilligtes Risiko, wenn man mit einer (vermeintlich) ungeladenen Waffe auf jemanden schießt? Oder vermische ich da obj. und subj. Elemente?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 18:04:27

Hallo Jose, das rechtlich missbilligte Risiko besteht darin, dass sie mit einer echten Waffe auf einen anderen Menschen geschossen hat. Auch wenn ihr gesagt wurde, dass die Waffe ungeladen war, hätte sie sich hiervon insofern selbst vergewissern müssen. Dies galt im Original Fall umso mehr, als ihr Ehemann dort zuvor versciedentliche Andeutungen gemacht hat ("Wieso hast du die Pistole fallen lassen, es hätte sich ein Schuss lösen können". Der BGH hatte insoweit verlangt, dass sie sich zumindest das leere Magazin hätte zeigen lassen müssen. Auch wenn insoweit kein Vorsatz vorlag, wurde sie dennoch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 18:06:57

Korrektur: Die Entscheidung fiel im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens durch das OLG Nürnberg (NJW 2003, 454) und nicht durch den BGH.

frausummer

frausummer

25.10.2021, 12:38:20

Was ist denn mit der überlegenen Wissensstellung des E an dieser Stelle?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 18:12:47

Hallo frausummer, darüber hätte man sicherlich nachdenken können. Das OLG Nürnberg hat aus den Gesamtumständen allerdings die Pflicht der E abgeleitet, sich darüber zu informieren, dass die Waffe ungeladen war. Das hätte sie ohne weiteres durch Vorzeigen des Magazins tun können. Insoweit hat das OLG hier einen dringenden Tatverdacht bzgl. der fahrlässigen Tötung gesehen (bei der Entscheidung handelte es sich um eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens durch die große Strafkammer am Landgericht.). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JK

J K

1.6.2024, 12:12:07

Nur am Rande: Nur weil das Magazin leer ist, muss das nicht heißen, dass die Waffe nicht geladen ist. Fraglich ist wie viel Sachkenntnis dem Laien bei der "Kontrolle" der Pistole abverlangt werden kann


© Jurafuchs 2024