Dringender Tatverdacht

24. Mai 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F sieht, wie O durch das Fenster in die Wohnung seines Nachbarn N einsteigt. In dem Glauben, O bei einem Einbruch zu überraschen, überwältigt er ihn und hält ihn fest, bis die Polizei eintrifft. O soll bei N jedoch nur die Blumen gießen und hat sich versehentlich ausgeschlossen.

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Einordnung des Falls

Dringender Tatverdacht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem F den O bis zum Eintreffen der Polizei festhält, erfüllt er den Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja!

Unter Gewalt (§ 240 Abs. 1 StGB) versteht man körperlich wirkenden Zwang zur Überwindung geleisteten oder erwarteten Widerstands.Durch die Kraft, die F beim Festhalten auf O ausübte, nötigte er ihn, die Festnahme zu dulden.Zugleich ist auch die Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB tatbestandlich verwirklicht.
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2. Für die prozessuale Lösung spricht, dass strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen immer nur an einen (dringenden) Tatverdacht anknüpfen können. Dringender Tatverdacht gegen O reicht aus.

Genau, so ist das!

Nach der prozessualen Lösung genügt es, wenn der Festnehmende aufgrund der ihm erkennbaren äußeren Umstände bei pflichtgemäßer Prüfung (ohne Sorgfaltsverstoß) von einer Straftat ausgehen musste. Dafür spricht, dass § 127 StPO prozessualen Charakter hat und vorläufige strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen zwangsläufig nur an einen (dringenden) Tatverdacht anknüpfen können. Auch leuchtet es nicht ein, private Akteure schlechter zu stellen als Strafverfolgungsbehörden. Dafür spricht auch der Zweck der Norm, Sicherung der Strafverfolgung, der ansonsten sehr eingeschränkt wird.Da die Frage nach wie vor strittig ist, ist hier alles vertretbar. Die hL scheint mittlerweile überwiegend der prozessuale Lösung zu folgen.

3. Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.

Genau, so ist das!

Das steht in § 127 Abs. 1 S. 1 StPO. Anders als das Notwehr- und Selbsthilferecht, die eigene Interessen der Bürger schützen, dient das Jedermann-Festnahmerecht allein dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung und der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Der Bürger nimmt gewissermaßen stellvertretend für nicht anwesende Strafverfolgungsorgane öffentliche Aufgaben wahr. Das subjektive Rechtfertigungselement verlangt daher die (Mit-)Verfolgung dieses Festnahmeziels. Im Verhältnis zum Notwehr- und Selbsthilferecht hat die Prüfung des § 32 StGB und der §§ 229, 230 BGB Vorrang.

4. Stellt man auf den unterschiedlichen Wortlaut von §127 Abs. 1 StPO und § 127 Abs. 2 StPO ab, dann muss die Tat tatsächlich begangen worden sein, um ein Festnahmerecht zu begründen.

Ja!

Auf frischer Tat betroffen ist, wer während der Tat oder unmittelbar danach am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe angetroffen wird. Sehr strittig ist, ob die Tat tatsächlich begangen worden sein muss (materiell-rechtliche Lösung) oder ob ein dringender Tatverdacht ausreicht (prozessuale Lösung). Für die materiell-rechtliche Lösung wird angeführt: (1) Der Wortlaut („Tat“), (2) mangels rechtswidrigen Angriffs würde dem unberechtigt Festgenommenen ansonsten das Notwehrrecht entzogen und (3) lasse allein der § 127 Abs. 2 StPO durch seinen Verweis auf die §§ 112ff. StPO den dringenden Tatverdacht genügen. Diese Konstellation müsse nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums gelöst werden.
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