Bei versuchter Unterlassung 10

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T sieht, dass sein Sohn S, der nicht schwimmen kann, am Rand des Beckens steht und kurz davor ist, hineinzufallen. Da er den S für die Unachtsamkeit bestrafen möchte, will er ihn aus dem Wasser retten, anstatt ihn vor dem Hineinfallen zu bewahren. S fällt ins Wasser und wird vom Bademeister gerettet, der T beiseite stößt.

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Einordnung des Falls

Bei versuchter Unterlassung 10

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der versuchte Totschlag durch Unterlassen ist strafbar (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Der Versuch durch Unterlassen ist dann strafbar, wenn es sich um ein Delikt handelt, bei dem der Versuch auch durch Handlung strafbar ist. Rechtsfolge des § 13 Abs. 1 StGB ist die Gleichstellung des Unterlassens mit einer Handlung im engeren Sinne. Dabei ist wie sonst auch der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen, da die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 5 Jahre beträgt (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).
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2. T hatte „Tatentschluss“ bezüglich der objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Es gelten die Maßstäbe, die auch sonst für den Versuch gelten, wobei der Täter die Merkmale der unechten Unterlassungstat ebenfalls in den Vorsatz aufgenommen haben muss. T will nicht, dass sein Sohn stirbt und hat daher keinen Vorsatz.

3. Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt gleicht dem unmittelbaren Ansetzen durch Tätigkeit.

Nein!

Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt weicht vom unmittelbaren Ansetzen beim Handlungsdelikt ab, da beim Handlungsdelikt am Vorgehen des Täters angeknüpft wird. Zwar lässt sich die gleiche Definition anwenden, allerdings sind die Kriterien beim Unterlassungsdelikt noch weniger greifbar, da regelmäßig nur an einen Zeitablauf angeknüpft wird und nicht an eine vom Täter vorgestellte Handlungskette.

4. Wenn T Tatentschluss gehabt hätte, hätte T nach herrschender Meinung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die herrschende Meinung geht daher von einem unmittelbaren Ansetzen (§ 22 StGB) aus, wenn die erste mögliche Rettungshandlung nicht vorgenommen wird und eine unmittelbare Gefahr für das geschützte Rechtsgut entsteht. T hat seinen Sohn zwar nicht vor dem Ins-Wasser-Fallen gerettet. Allerdings konnte T diesen jederzeit sicher vor dem Ertrinken bewahren und hat ihn daher nicht in die unmittelbare Gefahr des Todes gebracht. T ging davon aus, dass S zu jedem Zeitpunkt sicher war, zumindest in Bezug auf sein Leben.

5. Andere Theorien stellen auf absolute Zeitpunkte ab.

Ja, in der Tat!

Andere Theorien orientieren sich nicht an der Gefährdung, sondern an Zeitpunkten zwischen Vorsatz und Vollendung oder Fehlschlag. Dabei stellt eine Theorie auf die letzte Handlungsmöglichkeit ab und eine andere auf die erste Handlungsmöglichkeit. Zwar werden die Theorien beide abgelehnt, in der Praxis wird jedoch im Ergebnis häufig auf die erste Handlungsmöglichkeit abgestellt, da das Kriterium der unmittelbaren Gefährdung wertungsoffen ist. Daneben wird teilweise vertreten, dass die letzte sichere Handlungsmöglichkeit ausschlaggebend ist. Bei der Argumentation für oder gegen eine Theorie muss man sich auch an der Wertung für das unmittelbare Ansetzen durch Handlung orientieren, da das Gesetz gerade keine Sonderregelungen für das Unterlassen vorsieht.
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