Bei versuchter Unterlassung 10
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sieht, dass sein Sohn S, der nicht schwimmen kann, am Rand des Beckens steht und kurz davor ist, hineinzufallen. Da er den S für die Unachtsamkeit bestrafen möchte, will er ihn aus dem Wasser retten, anstatt ihn vor dem Hineinfallen zu bewahren. S fällt ins Wasser und wird vom Bademeister gerettet, der T beiseite stößt.
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Einordnung des Falls
Bei versuchter Unterlassung 10
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der versuchte Totschlag durch Unterlassen ist strafbar (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hatte „Tatentschluss“ bezüglich der objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt gleicht dem unmittelbaren Ansetzen durch Tätigkeit.
Nein!
4. Wenn T Tatentschluss gehabt hätte, hätte T nach herrschender Meinung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Andere Theorien stellen auf absolute Zeitpunkte ab.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jakob G.
3.1.2021, 13:06:13
Fall 2, Frage 4: "Wenn T Tatentschluss gehabt hätte, hätte T hat nach herrschender Meinung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt." Ein "hat" zu viel. Schön, dass so viele neue Fälle dazukommem. Da korrigiere ich gern solche Kleinigkeiten. Was mir allgemein aufgefallen ist: Die Entsprechungsklausel wird in Antworten nur in einem Satz thematisiert. Ggf. habe ich den Fall dazu nicht gelöst / es vergessen, aber es wäre nützlich die Entsprechungsklausel zu erläutern. (habe die als Handlungsäquivalenz kennengelernt und war verwirrt).
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.1.2021, 22:53:43
Danke für den Hinweis und das Lob Jakob! Haben wir korrigiert!
Larzed
12.6.2022, 00:24:36
Wahrscheinlich ist es schon zu spät um diese Uhrzeit aber das verstehe ich nicht. Wenn doch T Tatentschluss unterstellt würde, wie kann das unmittelbare Ansetzen mit der Begründung, dass er S jederzeit hätte retten können, bejaht werden? Auf die Art läge doch faktisch nie das unmittelbare Ansetzen vor. Der Tatentschluss eliminiert doch vielmehr die Rettungsabsicht. Dann aber müsste mit dem Hineinfallen des Nichtschwimmer S nach h.M. in jedem Fall ein unmittelbarer Ansetzen angenommen werden, da das Rechtsgut des S bereits konkret gefährdet war und die erste Rettungsmöglichkeit verstrichen wäre. Oder stehe ich da auf dem Schlauch?
Lukas_Mengestu
14.6.2022, 20:35:25
Hallo Larzed, hier liegt in der Tat ein Grenzfall vor. Insgesamt lassen sich grob 3 Auffassungen unterscheiden: (1) Verstreichen der ersten Rettungsmöglichkeit, (2) Verstreichen der letzten Rettungsmöglichkeit und (3) h.M.: konkrete Gefährdung des Opfers. Während nach der ersten Ansicht ohne weiteres von einem unmittelbaren Ansetzen auszugehen ist und nach der zweiten Ansicht kein
unmittelbares Ansetzenvorliegt, so ist nach der hM fraglich, ob bereits eine hinreichende konkrete Gefährdung vorliegt, sobald S ins Wasser fällt. Daran könnte es hier aufgrund des Umstandes fehlen, dass T einsatzbereit daneben stand. Vertretbar wäre es aber durchaus hier eine hinreichende konkrete Gefährdung und damit ein
unmittelbares Ansetzenanzunehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Larzed
14.6.2022, 22:41:16
Es ist also in dem Fall reine Subsumtionsfrage.
Becca00
24.1.2024, 11:38:41
Ich verstehe hier nicht ganz den Unterschied zu den Fällen in der Lektion davor zum unmittelbaren Ansetzen beim Unterlassungsdelikt. In diesen Fällen ging der Täter ebenfalls davon aus die Person leicht aus dem Fluss retten zu können, jedoch wurde
unmittelbares Ansetzenbejaht. Hier wird auch davon ausgegangen, dass Kind retten zu können ber
unmittelbares Ansetzenwird verneint. Wo genau ist der Unterschied dieser Fälle?
Nora Mommsen
28.1.2024, 18:04:06
Hallo Becca0, danke für deine Frage. Hier hat der Vater nicht die erstmögliche Rettungsmöglichkeit verstreichen lassen, vielmehr kam es gar nicht dazu. Schon bevor er dazu ansetzen konnte, wurde er zur Seite gestoßen. Zudem scheitert es ja auch am Tatentschluss, denn er hatte zu keinem Zeitpunkt vor ihn ertrinken zu lassen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team