Leistungsbestimmung und Beweislast

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gärtnerin G verspricht, die Hecken auf dem Parkplatz des Supermarktes S zu versorgen. Über den genauen Umfang sprechen S und G nicht. G gießt die Pflanzen, die täglich Wasser brauchen, einmal pro Woche. Die Hecken gehen ein. S kündigt den Vertrag und verlangt Schadensersatz.

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Einordnung des Falls

Leistungsbestimmung und Beweislast

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S könnte ein Schadensersatzanspruch gegen G im Hinblick auf die zerstörte Hecke zustehen (§§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der Schadensersatzanspruch setzt (1) das Bestehen eines Werkvertrages, (2) eine mangelhafte Werkleistung, (3) ein Vertretenmüssen des Mangels und (4) einen Schaden voraus.Die werkvertraglichen Mängelgewährleistungsrechte können im Grundsatz erst nach erfolgter Abnahme (§ 640 Abs. 1 BGB) geltend gemacht werden. Anders ist dies, wenn - wie hier - der auf Herstellung des Werks gerichtete Erfüllungsanspruch (§ 631 Abs. 1 BGB) nicht mehr besteht (zB Kündigung) und das Vertragsverhältnis in ein bloßes Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
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2. G und S haben einen Werkvertrag abgeschlossen.

Ja, in der Tat!

Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer ein Werk herzustellen; der Besteller verpflichtet sich, die vereinbarte Vergütung zu zahlen (§ 631 Abs. 1 BGB). G hatte sich zur Versorgung der Hecken verpflichtet. Geschuldet war insoweit nicht nur ein Tätigwerden, sondern vielmehr der Erfolg in Form der Erhaltung der Thujahecke.

3. Da die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung über den Umfang der Bewässerung getroffen haben, steht es G frei, wie oft sie die Hecke bewässern will.

Nein!

Die Bestimmung des Leistungsinhaltes obliegt bei rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen in erster Linie den Parteien. Dabei ist der vereinbarte Inhalt auszulegen (§§ 133, 157 BGB).Auch wenn G und S keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, so ergibt sich unter Berücksichtigung des Zwecks und der Funktion sowie der Natur der vereinbarten Leistung, dass G die Hecken in einem Umfang bewässern sollte, der ein Vertrocknen der Pflanzen verhindert.

4. G hat mangelhaft geleistet.

Genau, so ist das!

Nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB ist ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Damit liegt ein Sachmangel (=Pflichtverletzung) vor, wenn die Werkleistung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit abweicht.Bei Auslegung der Vereinbarung wäre eine tägliche Bewässerung geschuldet gewesen. Da G nur einmal pro Woche gegossen hat, hat sie ihre geschuldete Leistung mangelhaft erbracht.

5. Sofern G die Pflichtverletzung bestreitet, muss S die Mangelhaftigkeit darlegen und beweisen.

Ja, in der Tat!

Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Anspruchsteller alle anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und im Streitfall beweisen. Damit trägt der Gläubiger für die Pflichtverletzung die Beweislast.S müsste die Mangelhaftigkeit der Werkleistung nach den allgemeinen Grundsätzen darlegen und beweisen. Im Hinblick auf die Bewässerung der Hecke gehört dazu insbesondere der Nachweis, wie viel Bewässerung notwendig gewesen wäre. Im Übrigen wird das Vertretenmüssen vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) und ein Schaden besteht in Form der zerstörten Hecken.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

YO

yolojura

25.3.2022, 22:14:26

Hello! :) Ich frage mich, wieso es sich vorliegend nicht um einen Dienstvertrag handelt. Ein werkvertraglicher Erfolg wurde ja gerade nicht vereinbart, wenn nur eine "Versorgung der Pflanzen" als Tätigkeit durch G geschuldet ist.

Jen:ny

Jen:ny

27.3.2022, 18:43:39

Hi, so wie ich den Sachverhalt verstehe, geht es nicht um eine regelmäßige allgemeine Gärtnertätigkeit (keine Vereinbarung bzgl. des Umfangs), sondern es geht um das konkrete Gartenprojekt „Versorgung der Hecke“, was quasi den Erfolg des Instandhaltens dieser bzw. die Verhinderung des Eingehens beinhaltet.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.3.2022, 10:33:42

Hallo ihr beiden, in der Tat hatte das OLG Saarbrücken im vorliegenden Fall den Erfolg in der "Bewässerung" der Pflanzen gesehen und vor diesem Hintergrund die Arbeit nach Werkvertragsrecht beurteilt. Im Originalfall stand im Vordergrund der vertraglichen Abrede ein "Reinigungs- und Dienstleistungsvertrag" (=Säuberung des Supermarktes) und die Bewässerung war letztlich lediglich ein Annex. Ungeachtet der Bezeichnung kam das Gericht im Ergebnis zu dem Schluss, dass die geschuldete Leistung überwiegend werkvertragliche Elemente trägt und insofern dem Werkvertragsrecht zu unterstellen sei. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

21.7.2022, 13:29:42

Interessanterweise erwähnt das Gericht die Bewässerung bei der Einordnung des Vertragstyps mit keinem Wort. Anscheinend stelle sie nur eine erst nachträglich, ohne zusätzliche Vergütungsvereinbarung hinzugetretene

Leistungspflicht

und eine in der Gesamtschau der vereinbarten Tätigkeiten eine vernachlässigbare dar. Zur Einordnung als Werkvertrag kam das Gericht unter anderem, weil die sonstigen vereinbarten Tätigkeiten (Reinigungsleistungen, Winterdienstleistungen und Hausmeisterleistungen) geschuldete Erfolge nahe lägen. M.E. war es für das Gericht jedoch gewichtiger, dass G (nach dem Jurafuchsfall) einen Formularvertrag verwandte, in dem unter anderem Regelungen zur Abnahme sowie zu den Gewährleistungsrechten des S (ebenfalls nach dem Jurafuchsfall) getroffen wurden. Diese Elemente seien gerade für den Werkvertrag typisch und dem Dienstleistungs- oder

Geschäftsbesorgungsvertrag

fremd.

CAL

cali4ornia

21.1.2023, 12:01:16

Angenommen, die Hecke könnte noch „gerettet“ werden, indem G sie nochmal gießt. Wäre die richtige AGL dann §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 BGB? (SE statt der Leistung)

WO

Wolli

1.2.2024, 14:14:47

Nach Abgrenzung mit der Lorenz'schen Formel wäre für deinen Fall (könnte noch gerettet werden) ein Schaden im Zeitpunkt der letztmöglichen Nacherfüllungshandlung durch den Unternehmen entfallen. In der Tat wäre also ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung einschlägig. Hierzu müsste der Besteller dem Unternehmer dann wg. der Wahrung des Rechts zur zweiten

Andienung

dann aber erfolglos eine Frist gesetzt haben.

STE

Stella2244

15.5.2024, 12:20:34

@[Wolli](208773) könntest du das nochmal erklären warum es statt der Leistung wäre?

AR

Arinur

25.6.2023, 20:46:40

Hey ho Jurafuchs Team, ich wollte euch nur sagen, das das Wort Versprechen in dem Fall nicht wirklich auf den Werkvertrag schließen lässt, anders wäre es wenn man von einem sich verpflichten spricht. MFG

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.6.2023, 12:04:46

Hallo Arinur, danke für deine Rückmeldung. Als Jurist*in ist es auch unsere Aufgabe, aus dem alltäglich gesprochenen das rechtlich relevante herauszufiltern. Der gemeine Bürger spricht nicht in rechtstechnischem Vokabular - das kennst du bestimmt von der Anfechtung. Es muss nur deutlich werden, dass die Partei nichts mehr mit dem Vertrag zu tun haben möchte. Ähnlich ist es hier - legt man die Aussage der G aus, wird deutlich, dass sie als Gärtnerin gegenüber einem Supermarkt kaum unentgeltlich tätig werden will. Die Art des Vertrages ist dann nach dem Sinn und Zweck auszulegen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

5.8.2023, 12:06:16

Unter welchem Prüfungspunkt wäre dann der Beweis der Mangelhaftigkeit iRe Schadensersatzanspruchs anzusprechen?


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