Unbewegliche Gegenstände als gefährliches Werkzeug

16. April 2025

6 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T stößt bei einem Kampf den O mehrfach mit dem Kopf auf eine Bordsteinkante aus Beton. O erleidet dadurch starke Verletzungen am Kopf.

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Einordnung des Falls

Unbewegliche Gegenstände als gefährliches Werkzeug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach Ansicht der Rspr. und wohl h.M. in der Literatur sind nur bewegbare Gegenstände "andere gefährliche Werkzeuge" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Rspr. und h.L. schließen unbewegliche Gegenstände, gegen die der Täter das Opfer drückt oder stößt, vom Werkzeugbegriff aus. Aus dem Wortsinn ergebe sich, dass es sich nur um Gegenstände handeln könne, die "durch menschliche Einwirkung gegen einen Körper in Bewegung gesetzt werden können". Dabei komme es aber nicht darauf an, ob das Werkzeug gegen das Opfer oder das Opfer gegen das Werkzeug in Bewegung gesetzt werde. Danach reicht z.B. das Stoßen des Opfers mit dem Kopf gegen die Wand, den Boden, einen Felsen, einen heißen Ofen oder einen eisernen Zeltpfosten mit herausragender Schraube nicht aus. Für eine weitere Auslegung bestehe kein Bedürfnis. Körperverletzungen durch Stoßen gegen Wände, Böden usw. fielen, wenn sie das Leben des Opfers gefährden, ohnehin unter § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
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2. Nach einer Gegenansicht in der Literatur sollen auch unbewegliche Gegenstände "andere gefährliche Werkzeuge" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB) sein.

Ja, in der Tat!

Unter den weit verstandenen Werkzeugbegriff könne jeder Gegenstand fallen, der vom Täter gezielt be- oder ausgenutzt werde, um das Opfer erheblich zu verletzen (Widmung als Verletzungswerkzeug). Hierfür spreche der Schutzzweck der Vorschrift, die gefährliche Benutzung von gegenständlichen Mitteln besonders zu pönalisieren. Stößt der Täter das Opfer bewusst gegen einen Felsen, benutzt er den Felsen demnach als verletzendes Werkzeug.

3. Die Bordsteinkante aus Beton stellt nach h.M. ein "gefährliches Werkzeug" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) dar.

Nein!

Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, mittels dessen durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung zugefügt werden kann. Gefährlich ist ein Werkzeug, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (potentielle Gefährlichkeit). Rspr. und h.L. schließen unbewegliche Gegenstände, gegen die der Täter das Opfer drückt oder stößt, vom Werkzeugbegriff aus. Die Bordsteinkante als unbeweglicher Gegenstand stellt kein gefährliches Werkzeug dar. In Betracht kommt eine das Leben gefährdende Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vincent

Vincent

14.1.2025, 12:08:16

Auch hier die Frage: führt die h.m. nicht zu unbilligen Ergebnissen ? Wenn ich also einen Amboss mit 10kg Gewicht auf das Opfer fallen lasse ist das gefährliche Werkzeug einschlägig. Schlage ich den Kopf jedoch auf den stehenden Amboss ist dieser nicht als gefährliches Werkzeug zu qualifizieren ? Wie kann dies im Hinblick auf Rechtssicherheit genügen oder "übergeht" man dieses Problem in dem man sagt: jedenfalls liegt Var. 5 vor.?

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

22.1.2025, 11:11:21

Hi Vincent, Du musst hier beachten, dass die Tatsache, ob du den Amboss fallen lässt, mit ihm schlägst, oder mit dem Kopf eines anderen gegen den Amboss schlägst, nichts an der Beweglichkeit des Amboss an sich ändert. Der Amboss bleibt in allen fällen ein beweglicher Gegenstand und kann damit als gefährliches Werkzeug angesehen werden. In der Klausur hättest du dann ggf. eine ungewöhnliche Tathandlung. Diese würde aber i.E. nichts ändern. Hoffe ich konnte etwas Licht ins Dunkle bringen :)

Sege

Sege

5.2.2025, 22:12:25

@[Rechtsanwalt B. Trüger](208842) Nur auf die Beweglichkeit abzustellen ist finde ich etwas schwammig. (Wenn auch vertretbar) Schwingt man die Tür gegen einen Kopf wäre es demnach mithilfe eines gefährlichen Werkzeuges. Schwingt man den Kopf gegen den Türrahmen, dann nicht. Ist die Tür im Rahmen geschlossen und würde man den Kopf dort dagegen schwingen wäre wieder ein gefährliches Werkzeug gegeben. Dadurch hängt das gefährliche Werkzeug mMn in gewissen Fällen nur vom Zufall ab. Deswegen würde ich mich auch der a.A. anschließen.


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