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Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit gegen kommunale Entscheidungsträger (§ 31 Abs. 1 S. 1 GO)

Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit gegen kommunale Entscheidungsträger (§ 31 Abs. 1 S. 1 GO)


Wie prüfst Du die Voraussetzungen des Mitwirkungsverbotes wegen Befangenheit gegen einen kommunalen Entscheidungsträger (§ 31 Abs. 1 S. 1 GO)? Ordne zu:

  1. Persönlicher Anwendungsbereich

    Der persönliche Anwendungsbereich definiert den Personenkreis derjenigen, die an das Mitwirkungsverbot gebunden sind. Das sind alle „zu ehrenamtlicher Tätigkeit oder in ein Ehrenamt Berufene“ (§ 31 Abs. 1 S. 1 GO) als Entscheidungsträger. Dazu gehören insbesondere die Ratsmitglieder (§ 43 Abs. 2 GO), der Bürgermeister (§ 50 Abs. 6 GO) sowie die Mitglieder der Ausschüsse und Bezirksvertretungen (§ 43 Abs. 2 GO). Der Personenkreis der Entscheidungsträger ist von dem Personenkreis, dem die Entscheidung einen Vorteil oder Nachteil bringen kann (Entscheidungsbetroffene, vgl. § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 GO) zu unterscheiden.

  2. Sachlicher Anwendungsbereich

    1. Ausschließungsgrund nach § 31 Abs. 1 GO

      1. Vorteil oder Nachteil

        Die Begriffe sind aufgrund des Schutzzwecks der Norm weit auszulegen. Ein Vorteil ist jede Verbesserung der rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen Lage der betroffenen Person. Ein Nachteil ist im Umkehrschluss jede Verschlechterung der rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen Lage der betroffenen Person. Entscheidend ist, ob ein individuelles Sonderinteresse und gerade kein allgemeines gesellschaftliches, weltanschauliches oder politisches Allgemeininteresse, aus objektiver Sicht (1) konkret möglich und (2) hinreichend wahrscheinlich erscheint. Merke: Es ist egal, ob der Entscheidungsbetroffene tatsächlich individuell betroffen ist! Denn bereits der „böse Schein“ einer nicht am Gemeinwohl ausgerichteten Mitwirkung soll verhindert werden. Das ergibt sich aus dem Wortsinn von § 31 Abs. 1 S. 1 GO („einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann“, nicht etwa „bringt“).

      2. Bevorteilter oder benachteiligter Personenkreis

        Der Personenkreis, dem die Entscheidung einen Vorteil oder Nachteil bringen kann (Entscheidungsbetroffene) ist in § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 GO aufgezählt. Hierzu gehört nicht nur der Entscheidungsträger selber (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO), sondern auch einer seiner Angehörigen (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO) sowie eine von ihm vertretene natürliche oder juristische Person (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GO). Eine Legaldefinition für den Angehörigen steht in § 31 Abs. 5 GO. Soweit zulässig, schreibe Dir diese Norm neben § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO, damit Du sie in der Klausur sofort findest und zitieren kannst.

      3. Unmittelbarkeit des Vorteils oder Nachteils (§ 31 Abs. 1 S. 2 GO)

        Ein unmittelbarer Vorteil oder Nachteil, liegt nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 S. 2 GO vor, wenn die Entscheidung eine natürliche oder juristische Person direkt berührt. Erforderlich ist demnach eine direkte Kausalität zwischen Entscheidung und dem Vorteil oder Nachteil. Diese Kausalitätsbeziehung wird unterbrochen, wenn wesentliche Zwischenschritte erforderlich sind, die erst den Vorteil oder Nachteil bringen. Die Unmittelbarkeit ist insbesondere bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zugunsten oder zum Nachteil von planbetroffenen Eigentümern gegeben. Denn die Festsetzungen des Bebauungsplanes haben in der Regel unmittelbare Auswirkungen auf die Bebaubarkeit und damit den Wert der Grundstücke im beplanten Bereich.

    2. Ausschließungsgrund nach § 31 Abs. 2 GO

      Ist kein Ausschließungsgrund nach § 31 Abs. 1 GO einschlägig, solltest Du anschließend die Ausschließungsgründe im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1-3 GO prüfen. Einzelwissen zu den einzelnen Ausschlussgründen brauchst Du nicht, da das aufmerksame Lesen des Gesetzestextes in Verbindung mit einer sorgfältigen Subsumtion für die Prüfung ausreicht.

    3. Kein Ausschluss (§ 31 Abs. 3 GO)

      Durch § 31 Abs. 3 GO werden bestimmte Konstellationen vom Mitwirkungsverbot ausgenommen. Insbesondere sollen reine Gruppeninteressen nicht zum Ausschluss führen (§ 31 Abs. 3 Nr. 1 GO). Dies ist der Fall, wenn (1) ein größerer Personenkreis von der Entscheidung berührt wird, (2) diese Gruppe nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar und (3) die Berufs- oder Bevölkerungsgruppe in gemeinsamen Interessen berührt sein muss. Wer lediglich „Handwerkerin“, „Hundehalterin“, oder „Studentin“ ist, hat in derartigen Angelegenheit kein so starkes individuelles Sonderinteresse, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

  3. Mitwirkung des Ratsmitglieds durch Beratung oder Entscheidung

    Der Entscheidungsträger darf weder beratend noch entscheidend an der Entscheidung mitwirken (§§ 31 Abs. 1 S. 1, 50 Abs. 6 GO). Ist die Entscheidung öffentlich, darf sich der Entscheidungsträger noch im öffentlich zugänglichen Bereichen aufhalten (§ 31 Abs. 4 S. 2 GO). Wird die Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst, muss er den Sitzungsraum jedoch verlassen.

  4. Rechtsfolge des Verstoßes

    1. Rechtswidrigkeit der Entscheidung

      Wenn ein Entscheidungsträger trotz Mitwirkungsverbot beratend oder entscheidend mitgewirkt hat, kann die Entscheidung rechtswidrig oder nichtig (insbesondere Satzungen) sein. So kann insbesondere ein Ratsbeschluss formell rechtswidrig und damit unwirksam werden.

    2. Unbeachtlichkeit des Verstoßes (§§ 31 Abs. 6, 7 Abs. 6, 54 Abs. 4 GO)

      Die Mitwirkung von ausgeschlossenen Entscheidungsträgern führt nur dann zu einem beachtlichen Verfahrensfehler, wenn (1) die Mitwirkung für das Abstimmungsergebnis entscheidend war (§§ 43 Abs. 2 i.V.m. 31 Abs. 6 GO) und (2) innerhalb von sechs Monaten nach Beschlussfassung oder Bekanntmachung gerügt wurde (§ 54 Abs. 4 GO). Die Mitwirkung war für das Abstimmungsergebnis entscheidend, wenn die Stimme des Befangenen für das Abstimmungsergebnis ausschlaggebend ist. Selbst wenn ein entscheidungserheblicher Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot vorliegt (§§ 43 Abs. 2 i.V.m. 31 Abs. 6 GO), wird dieser unbeachtlich, wenn nach dem Ablauf von sechs Monaten nach Beschlussfassung oder Bekanntmachung nicht gerügt wurde (§ 54 Abs. 4 GO). Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern wird in Prüfungen oft übersehen – und daher besonders gerne abgeprüft. Daher solltest Du immer, wenn Daten im Sachverhalt auftauchen, an §§ 54 Abs. 4 GO, 7 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 GO denken und die Normen prüfen!

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