+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Als Bürgermeister B aus Nörgeldorf am Tag nach der Ratssitzung von Zoffenhausen die Niederschrift unterschreiben will, wird ihm klar, dass von den 20 gewählten Ratsmitgliedern beim letzten Beschluss nur noch sechs anwesend waren. Der Rest muss sich wohl „aus dem Staub gemacht“ haben.

Einordnung des Falls

Ratsbeschluss und Beschlussfähigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Beschlüsse können nur gefasst werden, wenn der Rat überhaupt beschlussfähig ist.

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Genau, so ist das!

Daher ist die Überprüfung der Beschlussfähigkeit zu Beginn und während der Sitzung eine wichtige Aufgabe des Vorsitzenden des Rates. Die Beschlussfähigkeit von Beschlussorganen soll die ausreichende Repräsentation des Volkes vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 GG) gewährleisten.

2. Die Beschlussfähigkeit des Rates richtet sich nach den Regelungen der jeweiligen Geschäftsordnung der Gemeinde.

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Nein, das trifft nicht zu!

Alle Länder regeln die Beschlussfähigkeit in ihren Kommunalgesetzen. Die Beschlussfähigkeit liegt vor, wenn mehr als die Hälfte der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder anwesend ist (z.B. § 37 Abs. 2 S. 1 GemO BW, § 38 Abs. 1 S. 1 KVerf BB, § 44 Abs. 1 S. 1 GO KSVG SL). Die gesetzliche Mitgliederzahl des Rates wird regelmäßig in den Vorschriften über die Kommunalwahl bestimmt und ist abhängig von der Einwohnerzahl der Gemeinde.

3. Beim letzten Beschluss war mehr als die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl des Rates von Zoffenhausen anwesend.

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Nein!

Die Beschlussfähigkeit liegt vor, wenn mehr als die Hälfte der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder anwesend ist (z.B. § 37 Abs. 2 S. 1 GemO BW, § 38 Abs. 1 S. 1 KVerf BB, § 44 Abs. 1 S. 1 GO KSVG SL). Der Begriff der „Anwesenheit“ setzt insbesondere voraus, dass die Mitglieder des Rates die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit haben, sich an einer Wahl oder einer Abstimmung zu beteiligen. Dies ist insbesondere nicht bei einem Mitglied des Rates der Fall, das einem Mitwirkungsverbot unterliegt. Die gesetzliche Mitgliederzahl des Rates von Zoffenhausen beläuft sich einschließlich des Bürgermeisters auf 21. Daher mussten 11 Mitglieder des Rates bei der Beschlussfassung anwesend sein. Es waren aber nur noch sieben Mitglieder des Rates anwesend.

4. B kann die Beschlussunfähigkeit auch noch im Nachgang zur Sitzung feststellen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Eine nachträgliche Feststellung der Beschlussunfähigkeit widerspricht dem Normzweck des § 49 Abs. 1 GO (Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Rates und Schaffung von Rechtssicherheit). Die Feststellung kann daher nur in der Sitzung selbst stattfinden.

5. In einigen Ländern wird die Beschlussfähigkeit widerleglich vermutet, solange die Beschlußunfähigkeit nicht ausdrücklich festgestellt ist.

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Ja, in der Tat!

Diese Regelung gibt es in Brandenburg (§ 38 Abs. 1 S. 2 KVerf BB), Hessen (§ 53 Abs. 1 S. 2 GO HE), Mecklenburg-Vorpommern (§ 30 Abs. 1 S. 4 KV MV), Niedersachsen (§ 65 Abs. 1 S. 3 KomVG NI), Nordrhein-Westfalen (§ 49 Abs. 1 S. 2 GO NRW), Sachsen-Anhalt (§ 55 Abs. 1 S. 5 LVG ST) und Schleswig-Holstein (§ 38 Abs. 1 S. 3 GO SH). Da die Beschlussunfähigkeit des Rates in der Ratssitzung nicht festgestellt wurde, wäre der Rat in einem dieser Länder beschlussfähig.

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