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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

P betreibt eine Pinselfabrik. Er unterlässt die Desinfektion von Ziegenhaar aus China, was zu Milzbrand bei den Arbeitern A und B führt, die daran sterben. Auch eine Desinfektion hätte den Milzbrand allerdings nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert.

Einordnung des Falls

Ziegenhaarfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P hat den Tod von A und B kausal verursacht.

Ja, in der Tat!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio sine qua non Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte P den Arbeitern A und B nicht die nicht desinfizierten Ziegenhaare für die Herstellung von Pinseln zur Verfügung gestellt, hätten sich A und B nicht mit den Milzbrandbazillen angesteckt und wären nicht infolge der Ansteckung an Milzbrand gestorben.

2. Der Tod von A und B ist P objektiv zurechenbar.

Nein!

Bei Fahrlässigkeitsdelikten muss im Rahmen der objektiven Zurechnung auch ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen. Dieser ist nach der Vermeidbarkeitstheorie gegeben, wenn der konkrete Erfolg bei pflichtgemäßen Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen wäre.P hat durch das Überlassen der nicht desinfizierten Pinselhaare zwar eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen. Bei rechtmäßigem Alternativverhalten (Überlassen desinfizierter Haare) wäre der Erfolg aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfallen. Folglich hat sich im konkreten Erfolg gerade nicht die durch das Täterverhalten pflichtwidrig geschaffene Gefahr verwirklicht (fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang).

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JURA

Juranus

2.12.2020, 15:06:20

Könnte man hier nicht auch damit argumentieren, dass eine von vornherein unterlassene Desinfektion das Risiko zumindest erhöht, so dass P die Todesfälle dennoch zugerechnet werden können?

GI

GingerCharme

6.12.2020, 13:36:15

Könnte man mMn schon, wenn man den Vertretern der Risikoerhöhungslehre folgt, welche jedoch z.B. mit dem gewichtigen Argument abgelehnt wird, dass dann entgegen des Gesetzeswortlauts aus Verletzungsdelikten, Gefährdungsdelikte gemacht würden und der in-dubio-pro-reo-Grundsatz verletzt würde. Ich glaube die Vermeidbarkeitstheorie ist deshalb auch ganz herrschend und es bedarf schon einiges Begründungsaufwandes um davon wirklich abweichen zu können. Aber ich verstehe das Problem: kann ich dem "Täter" nicht nachweisen, dass der Erfolg nicht eingetreten wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, hätte er sich korrekt verhalten, dann scheidet die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit mangels objektiver Zurechenbarkeit direkt aus. Kriminologisch wird das dann zum Nachweis-Problem.

GI

GingerCharme

6.12.2020, 13:41:37

*kann der "Täter" darlegen, dass der Erfolg ohnehin eingetreten wäre, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, auch wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, dann greift in dubio pro reo - habe mich mit meinem eigenen unnötig komplizierten Satzbau verhaspelt, sorry :D

QUIG

QuiGonTim

27.1.2022, 18:28:08

Bin ich der einzige, der hier ein Unterlassungsdelikt angenommen hätte und schon bei der Kausalität rausgeflogen wäre? 😅

ISAB

Isaböööl

20.11.2022, 22:48:16

Kann man auch mit dupio pro reo Argumentieren, also das nich 100% nachgewiesen werden kann das er schuld ist und deswegen im Zweifel für P entschieden wird?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.12.2022, 18:43:47

Hallo Isabel Ernst, der

Zurechnungszusammenhang

ist, wenn man so will der in ein Prüfungsschema gegossene in dubio pro reo Grundsatz. Die Lehre von der objektiven Zurechnung wurde primär von Literatur und in Teilen von der Rechtsprechung entwickelt, um den in dubio pro reo Grundsatz systematisch in der Fallbearbeitung berücksichtigen zu können. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

lecker Brei 🥣

lecker Brei 🥣

13.2.2023, 18:49:58

Kann man dann nicht das Verwerten von infizierten Ziegenhaare an sich strafen? Fehlende Kontrollen etc.?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.2.2023, 11:59:42

Hallo lecker Brei, das Verwerten von Ziegenhaaren ist an sich nicht sorgfaltswidrig. Die fehlende Desinfektion ist es. Allerdings hätte die Desinfektion nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Ausbleiben der Erkrankung geführt, sodass die objektive Zurechnung entfallen muss. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FOC

Focke

31.1.2024, 16:30:47

Hallo, wieso wird die Kausalität bejaht, wenn überhaupt nicht sicher ist, dass die unterlassene Desinfektion der Ziegenhaare den Erfolg verursacht hat? Danke

LELEE

Leo Lee

3.2.2024, 20:39:02

Hallo Focke, vielen Dank für diese sehr gute und vor allem wichtige Frage! Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns erstmal anschauen, was „Kausalität“ überhaupt beim Unterlassen bedeutet. Anders als beim Tun, wo ein Erfolg relativ „sicher“ auf eine Handlung zurückgeführt werden kann, besteht beim Unterlassen die Schwierigkeit, dass eben etwas NICHT getan wird. Das hat zur Folge, dass eben die unterlassende Handlung (hier die Desinfektion) kausal sein kann, allerdings auch andere Faktoren „genauso“ hätten ursächlich sein können. Wegen dieser Unsicherheit ist es so, dass wenn nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass MIT ENTSPRECHENDER HANDLUNG der Erfolg nicht eingetreten wäre (das ist nötig für das Unterlassen), wir in dubio pro reo von der günstigeren Sachverhaltsvariante ausgehen (wenn also ohne die Handlung – Desinfektion – Arbeiter gestorben sind aber auch möglich ist, dass sie auch bei Desinfektion genauso gestorben wären, gehen wir von der letzteren Möglichkeit aus zugunsten des Täters). Diese Schwelle, ab der wir annehmen, dass trotz der Tatsache, dass wir eben nie 100% wissen können was passiert wäre, trotzdem bestrafen, ist eben die „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ (nahezu 100%). Denn hier können wir dann „selbstbewusster“ sagen, dass wenn die Desinfektion stattgefunden hätte, fast schon sicher (nahezu 100%) die Arbeiter nicht gestorben wären und deshalb das Unterlassen der Desinfektion auch kausal war. Der Problemkreis nennt sich i.Ü. „Vermeidbarkeitstheorie (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vs. Risikoverringerungslehre“ --> kommt das irgendwoher bekannt vor? JA denn das ist im Grunde der umgekehrte Streit wie bei der Fahrlässigkeit mit der RisikoERHÖHUNGSlehre!). I.Ü. kann ich hierzu die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Freund § 13 Rn. 210 ff. und Kindhäuser/Zimmermann, Strafrecht AT 9. Auflage, § 36 Rn. 12 ff. sehr empfehlen (Kindhäuser/Zimmermann findest du auf der App unter entdecken --> Bücher) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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