Schweinepanikfall

12. August 2023

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Zeichnung in Arbeit

Bäuerin B gehört ein Schweinestall, in dem sie eine Schweinezucht in brutaler Intensivtierhaltung betreibt. Die Schweine sind auf engstem Raum zusammengepfercht. An einer Kreuzung nahe des Stalls nimmt Halter H einem anderen Auto die Vorfahrt, sodass es zu einem Unfall kommt. Aufgrund des lauten Knalls geraten die Schweine in Panik, wodurch viele der Schweine sterben.

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Einordnung des Falls

BGH zum Zurechnungszusammenhang bei einem Verkehrsunfall (§ 823 Abs. 1 BGB) | Schutzzweck der Norm

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat einen Sachschaden ( § 7 Abs. 1 StVG) erlitten.

Genau, so ist das!

Die Halterhaftung (§ 7 Abs. 1 StVG) verlangt die Beschädigung einer Sache. Eine Sachbeschädigung liegt daher vor, wenn die Sachsubstanz nicht unerheblich verletzt oder die Brauchbarkeit der Sache zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nicht unerheblich beeinträchtigt wurde. Die Schweine der B sind als Tiere zwar keine Sachen, werden aber wie Sachen behandelt (§ 90a BGB), sodass das Eigentum der B verletzt wurde.
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2. Der Sachschaden ist bei Betrieb des Kfz entstanden.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Merkmal "bei Betrieb" eines Kfz setzt voraus, dass das Schadensgeschehen zurechenbar durch das Kfz (mit)geprägt worden ist, weil es in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. BGH: Im Schadensfall habe sich in erster Linie das Risiko verwirklicht, das B selbst durch die Bedingung ihrer Schweinezucht geschaffen habe. Dadurch seien die Schweine für jegliche Geräusche besonders anfällig und neigten zu Panikreaktionen. Letztere seien primär durch die ungewöhnliche Empfindlichkeit der Schweine infolge der Aufzuchtbedingungen verursacht worden. Die entscheidende und eigenständige Schadensursache liege damit in den Aufzuchtbedingungen, die B selbst geschaffen habe, und nicht in der spezifischen Betriebsgefahr des Kfz.

3. H haftet der B aber aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein!

Eine Haftung aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) setzt die haftungsbegründende Zurechnung voraus, d.h. die Rechtsgutsverletzung des Geschädigten muss dem Verhalten des Schädigers zurechenbar sein. Die verletzte Pflicht zur Vorfahrtsgewährung soll jedoch vor Unfallschäden schützen. Der Tod der Schweine (= Eigentumsverletzung) ist daher nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Voraussetzungen der Halterhaftung (§ 7 Abs. 1 StVG)?

  1. Rechtsgutsverletzung
  2. Betrieb eines Kfz
  3. Haltereigenschaft des Anspruchsgegners
  4. Kausalität zwischen Betrieb und Verletzung
  5. Kein Ausschluss der Ersatzpflicht (§§ 7 Abs. 2, Abs. 3, 8, 15, 17 Abs. 3 StVG)
  6. Rechtsfolge: Schadensersatz (§§ 249 ff; §§ 9-13 StVG)

Wie prüft man die deliktische Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB?

  1. Rechtsgutsverletzung
  2. Verletzungshandlung
  3. Haftungsbegründende Kausalität
  4. Rechtswidrigkeit
  5. Verschulden
  6. Kausaler Schaden
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Eine Besprechung von:
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

UGE

Unerkannt Geisteskrank

1.7.2023, 11:21:55

Hallo, wenn ich in die haftungsbegründende Kausalität einsteige, ist der Unfall äquivalent zurechenbar, allerdings sehe ich keine adäquate Zurechenbarkeit. Wäre es sinnvoll beide Ausschlussgründe anzusprechen, also fehlende adäquate Zurechenbarkeit und eine fehlende Erfassung vom

Schutzzweck der Norm

oder „reicht“ es, wenn ich in der Prüfung nach der Adäquanz rausfliege? LG

Nora Mommsen

Nora Mommsen

2.7.2023, 08:14:09

Hallo

Unerkannt Geisteskrank

, danke für deine Frage. Im Rahmen einer Prüfung immer an der Stelle aufhören, wo du zu einem negativen Ergebnis gekommen bist. Der Anspruch ist ja bereits ausgeschlossen dadurch, dass nur eine Voraussetzung fehlt. Auf die anderen kommt es dann schon nicht mehr an! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AME

Amelie7

31.10.2024, 12:00:28

Hier läge aber doch keine spezifische Betriebsgefahr vor, selbst wenn die Schweine artgerecht gehalten worden wären, oder?

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 07:52:20

Hallo Amelie7, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Genauso ist es: Hier fehlt es an einer Betriebsgefahr, weil die Panikreaktionen der Schweine eben nicht in Verbindung mit dem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung steht. Sprich, die Reaktionen haben nichts mit dem Betrieb zu tun, wodurch der

Zurechnungszusammenhang

unterbrochen wird. Wenn die Schweine jedoch artgerecht gehalten wurden und die Panikreaktion tatsächlich durch den Betrieb (also Transport) verursacht wurde, wäre hier die Betriebsgefahr in der Tat zu bejahen, da dieses TBM ohnehin weit ausgelegt wird (a.A. scheint jedoch auch vertretbar). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Beck-GK-StVG, Walter § 7 Rn. 96 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

AME

Amelie7

5.11.2024, 11:38:08

Also wenn man einen Unfall baut und sich jemand im Haus nebenan durch den Krach erschreckt und beispielsweise beim kochen in den Finger schneidet haftet man der Person aus §

7 StVG

?


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