Zivilrecht

Kaufrecht

Verbrauchsgüterkauf

Verjährungshemmung, § 475e Abs. 3 BGB

Verjährungshemmung, § 475e Abs. 3 BGB

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Verbraucherin V kauft am 05.01.2022 von Unternehmerin U ein Handy und nimmt es mit. Am 03.01.2024 stellt V fest, dass die Software, die auf das Smartphone gespielt war, von vorneherein fehlerhaft war. V will am 06.01.2024 Gewährleistungsrechte geltend machen.

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Einordnung des Falls

Verjährungshemmung, § 475e Abs. 3 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Handy weicht von den objektiven Anforderungen negativ ab. Die Beurteilung dessen richtet sich nach dem Sachmangelbegriff einer Ware mit digitalen Elementen (§ 475b BGB).

Ja, in der Tat!

Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit diesen verbunden sind, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können sind Waren mit digitalen Elementen (§ 327a Abs. 3 BGB). Für diese Fallgruppe sind die §§ 475b ff. BGB anwendbar (§§ 327a Abs. 3 S. 1, 475b Abs. 1 S. 1 BGB). Das Handy kann ohne die enthaltenen digitalen Produkte nicht funktionieren, ist also eine Ware mit digitalen Elementen. Es weicht von der üblichen Beschaffenheit ab (Objektive Anforderung, §§ 475b Abs. 4 Nr. 1, 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a) BGB). Dies lag laut V auch schon bei Gefahrübergang (Bereitstellung) vor. Es liegt ein Mangel vor.
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2. V kann also, gegebenenfalls unter weiteren Voraussetzungen, die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB geltend machen.

Ja!

Es liegt ein Mangel bei Gefahrenübergang vor. Dies berechtigt den Käufer zur Geltendmachung von Gewährleistungsrechten. Auch auf Waren mit digitalen Elementen sind die „normalen“ kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte anwendbar. Die Gewährleistungsrechte aus dem Recht der digitalen Produkte sind dagegen nicht anwendbar (§ 327a Abs. 3 S. 1 BGB).

3. Nach dem allgemeinen Kaufrecht verjähren Mängelansprüche regelmäßig zwei Jahre nach Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Alt. 2 BGB).

Genau, so ist das!

In § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB findet sich der Grundfall, dass Mängelrechte grundsätzlich in zwei Jahren, beginnend mit der Ablieferung der Sache (Abs. 2 Alt. 2), verjähren. In Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 finden sich Ausnahmen hiervon. Die Berechnung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen im BGB AT. Es handelt sich um eine Ereignisfrist, sodass Fristbeginn der 06.01.2022 wäre (§ 187 Abs. 1 BGB) und Fristende am 05.01.2024 (§ 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Nach allgemeinem Kaufrecht wären die Gewährleistungsrechte der V verjährt.

4. Da § 438 BGB bestimmt, dass Vs Gewährleistungsansprüche bereits verjährt sind, sind Vs Ansprüche nicht mehr durchsetzbar.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjähren Mängelrechte grundsätzlich in zwei Jahren. Der neueingefügte § 475e BGB sieht aber Sonderbestimmungen für die Verjährung beim Verbrauchsgüterkauf vor. Zeigt sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist, so müssen nach Absatz 3 zwischen dem Auftreten des Mangels und dem Verjährungsende mindestens vier Monate liegen. Der Mangel hat sich hier erstmals am 03.01.2024 gezeigt. Nach § 438 BGB wären die Gewährleistungsrechte am 05.01.2024 verjährt. Der Mangel hat sich also noch vor der Verjährung gezeigt. Nach § 475e Abs. 3 BGB kann V ihre Gewährleistungsrechte also noch bis zum 03.05.2024 geltend machen (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

30.8.2023, 16:34:59

Das heißt nach einem "Ausflug" in

§ 475d

ist man in § 475e wieder zurück im Recht der Waren mit digitalen Elementen. Gibt es für diese Stellung im Gesetz eine Erklärung?

LELEE

Leo Lee

31.8.2023, 11:47:55

Hallo evanici, so ist es! Beachte jedoch - siehe insoweit auch den anderen Thread - dass sich Abs. 2 und 3 bei 475e sich nicht explizit auf digitale Waren bezieht sondern "allgemeine" Regelungen sind :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

AS

as.mzkw

21.8.2024, 10:27:04

Abs. 2 bezieht Sicht sehr wohl nur auf digitale Waren, indem er von “Aktualisierungspflicht” spricht oder übersehe ich was?

AS

as.mzkw

21.8.2024, 10:27:41

Vermutlich ist Abs. 3 und 4 gemeint?


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