Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die ZVR-Klausur

Besondere Voraussetzungen der Sachpfändung

„Bescheidene Lebens- und Haushaltsführung“ (§ 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO)

„Bescheidene Lebens- und Haushaltsführung“ (§ 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO)

29. Mai 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Referendarin R wohnt mit ihrer Freundin F zusammen. Wegen einer titulierten Forderung gegen R kommt Gerichtsvollzieher G zur Wohnung von R und F. Er pfändet die Waschmaschine. Diese wird zwar von R und F genutzt, steht aber im Alleineigentum der F.

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Einordnung des Falls

„Bescheidene Lebens- und Haushaltsführung“ (§ 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R ist der Ansicht, die Waschmaschine unterliegt einem Pfändungsverbot. Ist die Waschmaschine grundsätzlich eine Sache, die „für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung“ (§ 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO) benötigt wird?

Ja, in der Tat!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO sind Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt, nicht pfändbar. Hierzu gehören in der Regel all diejenigen Sachen, die in nahezu jedem Durchschnittshaushalt vorzufinden sind. Eine Waschmaschine findet sich in nahezu jedem Durchschnittshaushalt. Es handelt sich um eine Sache, die für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt wird und daher dem Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO unterliegt. Indem er die Waschmaschine gepfändet hat, hat G gegen dieses Pfändungsverbot verstoßen.
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2. Da R nicht der Eigentümerin der Waschmaschine ist, kann sie sich nicht auf das Pfändungsverbot nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO berufen.

Nein!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO sind Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt, nicht pfändbar. Nicht von Bedeutung ist dagegen, ob der Vollstreckungsschuldner auch der Eigentümer der gepfändeten Sache ist. R hat die gepfändete Waschmaschine in ihrem Haushalt genutzt bzw. für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt. Sie kann sich daher auf das Pfändungsverbot nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO berufen. Ob der Gerichtsvollzieher gegen ein Pfändungsverbot verstoßen hat, wird in einer Klausur selten abstrakt abgefragt, sondern vielmehr in die Prüfung eines konkreten Rechtsbehelfs eingebettet. Hier wäre die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) statthaft. Dazu später mehr! An dieser Stelle legen wir den Fokus auf die Pfändungsverbote ohne prozessuale Einkleidung.

3. F fragt sich, ob sie sich ebenfalls auf das Pfändungsverbot berufen kann. Gelten alle Pfändungsverbote nach § 811 Abs. 1 ZPO ausschließlich zugunsten des Vollstreckungsschuldners?

Nein, das ist nicht der Fall!

Einige der Pfändungsverbote nach § 811 Abs. 1 ZPO schützen nicht nur den Vollstreckungsschuldner, sondern haben auch drittschützende Wirkung. Ob und für wen die einzelnen Pfändungsverbote drittschützende Wirkung entfalten, ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Die Pfändungsverbote nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a – d ZPO schützen neben dem Vollstreckungsschuldner beispielsweise auch dessen Haushaltsmitglieder. Das Pfändungsverbot nach § 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt dagegen nur für Familienmitglieder.

4. Das Pfändungsverbot nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO entfaltet vorliegend drittschützende Wirkung in Bezug auf F.

Ja, in der Tat!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO sind Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt, nicht pfändbar. Auf dieses Pfändungsverbot kann sich also nicht nur der Vollstreckungsschuldner, sondern auch jedes Mitglied seines Haushalts berufen. Es hat drittschützende Wirkung. F lebt mit R im gleichen Haushalt und hat die gepfändete Waschmaschine genutzt. Auch sie fällt daher unter den Schutz des Pfändungsverbots nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO. F könnte diesbezüglich eine Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) einlegen und wäre erinnerungsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Sofern F mit der Pfändung der Waschmaschine nicht einverstanden war, liegt zusätzlich ein Verstoß gegen § 809 ZPO vor, der ebenfalls im Rahmen einer Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden könnte. Als Eigentümerin der Waschmaschine kann F zudem Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) erheben. Dazu später mehr!
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Eine Besprechung von:
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